FPOeVP/Arbeitslosigkeit:
> Zum Thema: "Treffsicherheit"
Folgenden Brief erhielten wir ueber Umwege von einem
Beschaeftigten in der Filmbranche. Er ist ein Beispiel dafuer, wie
"treffsicher" die Masznahmen der Bundesregierung im Detail sein
koennen:
*
Die Regierung plant bekanntermaszen die Einfuehrung einer
vierwoechigen Wartefrist auf Auszahlung des Arbeitslosengeldes
nach Beendigung eines Dienstverhaeltnisses, das auf bestimmte Zeit
abgeschlossen wurde. Diese Masznahme zielt in erster Linie auf
Saisonarbeiter und Beschaeftigte der Baubranche ab, trifft jedoch
am allerhaertesten eine kleine Gruppe von Arbeitnehmern, die in
der bisherigen Diskussion vollkommen unbeachtet geblieben ist. Und
zwar jene Arbeitnehmer, die in der Filmbranche beschaeftigt sind.
Dazu muss man wissen, dass in der Filmbranche beinahe
ausschlieszlich Arbeitsvertraege auf Zeit abgeschlossen werden.
Der Arbeitgeber (die Filmproduktion) sichert sich damit die
Mitarbeit eines Filmschaffenden fuer die Dauer einer Produktion.
Je nach Projekt und Art der Taetigkeit bedeutet das ein
Dienstverhaeltnis fuer die Zeit von einigen wenigen Tagen bis zu
einigen Wochen. Mit dem Ende der Produktion endet auch das
Dienstverhaeltnis des Arbeitnehmers, der sich in
Eigenverantwortung darum zu kuemmern hat, fuer ein weiteres
Projekt engagiert zu werden.
In der Regel entstehen auf diese Art und Weise fuer den
Filmschaffenden jaehrlich mehrere befristete Arbeitsverhaeltnisse
als unselbstaendig Erwerbstaetiger -- die Zeiten zwischen diesen
koennen nur durch den Bezug der Arbeitslosenunterstuetzung (bzw.
in vielen Faellen Notstandshilfe) ueberbrueckt werden.
Die Filmschaffenden verlieren somit nicht nur zweimal im Jahr je
ein Monatseinkommen, wie das etwa bei Saisonarbeitskraeften
befuerchtet wird, sondern wesentlich oefter. In den ueberwiegenden
Faellen wuerde die geplante Regelung de facto zu einem
vollkommenen Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld fuehren -
- und das bei ueberdurchschnittlich hohen Beitraegen zur
Arbeitslosenversicherung!
Dass ein solches Szenario durchaus nicht uebertrieben ist moechte
ich gerne anhand eines Beispiels belegen. Grundlage fuer die
folgende Aufstellung ist die realistische Annahme, ein
durchschnittlich beschaeftigter Filmschaffender im
Postproduktionsbereich hat 2000 vier Dienstverhaeltnisse (verteilt
ueber das ganze Jahr) und ist jeweils nach Paragraph 7 d.
Kollektivvertrages (60 Stunden Woche!) zum Mindestgagentarif
beschaeftigt.
Aufstellung der Arbeitszeiten eines Filmschaffenden im
Postproduktionsbereich fuer 2000: 1. Arbeitsverhaeltnis von: 03.
Jaenner bis: 29. Februar; arbeitslos von: 01. Maerz bis: 02.
April; 2. Arbeitsverhaeltnis von: 03. April bis: 03. Mai;
arbeitslos von: 04. Mai bis: 09. Juli; 3. Arbeitsverhaeltnis von:
10. Juli bis: 26. August; arbeitslos von: 27. August bis: 01.
Oktober; 4. Arbeitsverhaeltnis von: 02. Oktober bis: 29. Oktober;
arbeitslos von: 30. Oktober bis: 31. Dezember
Haette dieser Arbeitnehmer nach geltendem Recht einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld in den Monaten Maerz, Mai, Juni, September,
November und Dezember und zwar in Hoehe von jeweils etwa OeS
14.500,-- , so wuerden nach Inkrafttreten der geplanten Regelung
die Monate Maerz, Mai, September und November entfallen -- uebrig
blieben die Monate Juni und Dezember.
Das waere ein Verlust von etwa OeS 58.000,-- oder: 67% des
Anspruches auf Arbeitslosenunterstuetzung oder: der Entfall von
etwa 25% des Jahresnettoeinkommens!
Es war mir vorerst unvorstellbar womit eine solche
Bestrafungsaktion begruendet werden sollte; dies umsomehr, als in
dieser Masznahme kein wie auch immer gearteter Lenkungseffekt zu
erkennen ist. Weder wird sich dadurch die Produktionszeit z.B.
eines Spielfilms verlaengern lassen - was ja die Produktionsfirma
dazu veranlassen wuerde den Dienstnehmer laenger zu beschaeftigen
-- noch koennte ein Anreiz fuer den betroffenen Filmschaffenden
selbst ins Treffen gefuehrt werden, sich laenger an die
Produktionsfirma zu binden -- diese Moeglichkeit steht ihm
naemlich nicht offen.
Schlieszlich stiesz ich aber auf die Begruendung (1) der geplanten
Masznahme von Seiten der Regierung in der es woertlich heiszt:
"Die Arbeitslosenversicherung ist daher in erster Linie fuer alle
jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer da, die unschuldig mit
einer Kuendigung durch den Arbeitgeber konfrontiert werden. Und
nicht fuer diejenigen, die das System ausnuetzen wollen: Bei einer
einvernehmlichen Loesung des Dienstverhaeltnisses fuehren
Dienstnehmer und Dienstgeber den "Versicherungsfall
Arbeitslosigkeit" bewusst und vorsaetzlich sofort herbei."
Als Arbeitnehmer, der sich weder die Form seiner Arbeitsvertraege
noch die Dauer seiner Dienstverhaeltnisse aussuchen kann, musz ich
gegen diese Formulierung schaerfstes protestieren, denn sie
stempelt mich und jeden anderen Filmschaffenden zu einem
parasitaeren Objekt, wie wir es aus dem nunmehrigen politischen
Jargon ja kennen. Es wird damit dem Arbeitnehmer die vorsaetzliche
Ausnuetzung = Schaedigung des Systems der Arbeitslosenversicherung
unterstellt, doch in Wahrheit zwingt uns Filmschaffende die
Beschaeftigungslage in der Filmindustrie immer wieder dazu
Arbeitslosenunterstuetzung beantragen zu muessen. Ein wirklich
entbehrliches Unterfangen, auf das sicherlich jeder einzelne gerne
verzichten wuerde, koennte er es sich nur leisten.
Allein die Feststellung, dass Dienstnehmer und Dienstgeber den
"Versicherungsfall Arbeitslosigkeit" bewusst und vorsaetzlich
herbeifuehren, kann in Bezug auf die Filmbranche nicht als
Begruendung fuer eine Bestrafung (noch dazu ausschlieszlich) der
Dienstnehmer angefuehrt werden. Die mehr oder weniger vorgegebenen
Produktionszeiten lassen weder Dienstgebern noch Dienstnehmern
eine andere Wahl und Arbeitslosigkeit ist fuer Filmschaffende
genausowenig angenehm, wie fuer Arbeitnehmer anderer Branchen!
[...]
*Bernhard Bamberger, (noch) Filmschaffender*
(1) Quelle: OeVP, http://www.oevp.at/etopics/haupt.asp?where=00092104
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