Prozesse/Schwarzweisz:
> "Charles Ofoedu, the evil man"
Die Anklage gegen den nigerianischen Schriftsteller broeselt dahin
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Mittwoch, 6.9.2000 um 9.30h: Die Staatsanwaeltin eroeffnet damit,
dass die Verhandlung gegen Charles O. wegen der Demonstration vor
den Toren des Grauen Hauses wohl unter keinem guten Stern stehe.
Selbstverstaendlich handle es sich um keinen politischen Prozess.
Dagegen verwehre sie sich, weil die Staatsanwaltschaft doch der
Objektivitaet und Wahrheitsfindung verpflichtet sei. Die Anklage
gegen Charles nach dem Suchtmittelgesetz sei wohlgemerkt nur im
Zweifel fallengelassen worden.
Die Wahrheitsfindung beginnt mit einem Eroeffnungsplaedoyer, in
dem die Staatsanwaeltin eigentlich nur ueber das ominoese
Chinarestaurant "Willkommen" in der Waehringerstrasze spricht.
Dort sei ein Umschlagplatz fuer groeszere Mengen von Drogen
gewesen, die von den Mitgliedern des nigerianischen Kartells im
After transportiert wurden. Dort haette es in der oberen Etage die
Chairman-Tische gegeben, wo die Geldtransaktionen abgewickelt
wurden. Dort haetten jene, die sich von der Polizei verfolgt
fuehlten, im WC die Kleidung gewechselt. Dort sei Geld fuer
RechtsanwaeltInnen gesammelt worden.
Charles wird konkret zur Last gelegt, er habe wissentlich zwischen
April 1997 und Mai 1999 ueber 500.000.- ATS im Auftrag des
Kartells an sich gebracht, verwahrt und insgesamt 910.000.- ATS
laut Belegen ueberwiesen. Die Anklage stuetzt sich im Wesentlichen
auf die Protokolle von den Einvernahmen von Charles bei der
Polizei und vor der Untersuchungsrichterin sowie ein paar
ZeugInnen.
Verteidiger Andreas Fehringer repliziert, dass die
Staatsanwaltschaft in ihrem Eroeffnungsplaedoyer eigentlich eine
Themaverfehlung begangen habe. Das Konstrukt einer kriminellen
Organisation stehe ueberhaupt nicht zur Debatte. Vielmehr gehe es
nur darum, ob Charles eine solche Organisation kannte und ob er
bei den Ueberweisungen wissentlich fuer sie taetig wurde. Zu den
angeblichen Gestaendnissen meinte der Rechtsanwalt, dass da wohl
eine "babylonische Sprachverwirrung" im Spiel gewesen sei (andere
Erklaerungen fuer das Zustandekommen der Vernehmungsprotokolle
haetten ihm wohl umgehend eine Verleumdungsklage eingebracht).
Charles habe sagen wollen, dass er zum Schluss vermutet habe, dass
das von ihm ueberwiesene Geld nicht sauber sei, weshalb er auch
die Ueberweisungstaetigkeit bereits 2 Monate vor seiner Verhaftung
aus freien Stuecken eingestellt habe.
Die Vernehmung des Beschuldigten seitens der Staatsanwaltschaft
reitet zunaechst auf den Polizei-Vernehmungsprotokollen herum, bis
sich herausstellt, dass die Dolmetscherin erst nach der Vernehmung
dazugekommen ist und Charles zu diesem Zeitpunkt keine Brille
hatte. Charles leidet an einer seltenen angeborenen
Augenkrankheit, weshalb er ohne Brille rein gar nichts in halbwegs
normaler Schriftgroesze lesen kann. Angesichts dieses leicht
beweisbaren Umstandes, der die Vernehmungsprotokolle der Polizei
als Beweismittel faktisch entwertet, wird die Staatsanwaeltin
leicht hektisch. Immerhin: Zur Zeit seiner Vernehmung vor der
Untersuchungsrichterin hatte er eine Brille. Charles weist jedoch
postwendend darauf hin, dass dies nicht seine Spezialbrille
gewesen sei. Diese Brille sei ihm von einer netten Dame in die U-
Haft geschickt worden.
Daraufhin verlegt sich die Staatsanwaeltin auf Vorhaltungen,
wonach diverse Personen im Dunstkreis des Chinarestaurants
"Willkommen" ihn mit "Chief" angesprochen haetten und dass er den
Leuten fuer die Demo freigegeben habe. Einsetzendes Gekicher im
Zuschauerraum wird mit der Drohung, den Saal raeumen zu lassen,
beantwortet.
Zu den Ueberweisungen meint Charles: Wenn er gewuszt haette, dass
es sich um Drogengeld handelt, haette er doch nicht bei Western
Union seinen Namen angegeben. Er habe mit den Ueberweisungen den
Leuten helfen wollen.
Den erfreulichen Hoehepunkt dieser ersten Verhandlungsrunde
liefert die erste Zeugin der Anklage, die - wie der Richter
betont - extra und auf Kosten des Steuerzahlers aus Nigeria
eingeflogen wurde. Diese Zeugin hat in einem abgehoerten
Telephonat, in dem von Drogengeschaeften in Verbindung mit dem
Namen Charles die Rede war, ihren Gespraechspartner gefragt, ob er
"diesen Charles" meine. Daraufhin hat dieser geantwortet: "Ja" er
meine "Charles Ofoedu, the evil man". Vor Gericht konnte die
Zeugin dieses Abhoerprotokoll nicht bestaetigen. Sie kenne den
Angeklagten ueberhaupt nicht.
Helmi kommt
Nach der Pause wird eine zweite Zeugin diesmal aus der Haft
vorgefuehrt, die sich jedoch wie schon in ande
ren Verfahren wegen Angst vor Racheaktionen der Aussage
entschlaegt. Daraufhin wird nur noch ueber die weiteren
Beweisantraege verhandelt. Der Richter meint, dass unbedingt noch
der anonymisierte Zeuge 1 zu hoeren sei, weil dieser Charles
wirklich belaste. Der Richter liest auch die Aussage des
beruechtigten AZ 1 vor: Er habe Charles im Chinarestaurant
Willkommen an einem jener Tische sitzen sehen, die nur den Bossen
vorbehalten waren und zu denen normale Dealer wie er selbst keinen
Zutritt hatten. Er habe nie gesehen, dass Charles etwas mit Drogen
zu tun gehabt haette, aber er vermute es, da die Leute "Papa" zu
ihm gesagt haetten.
Vertagt wird auf unbestimmte Zeit bis irgendwann Ende Oktober.
(A.Goerg/MUND/bearb.)
Weiterer Bericht unter: http://www.ceiberweiber.at/wahl/ofoedu.htm
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