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Aussendungszeitpunkt: 6.9.2000; 23:00
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Peru:

> Strassenschlachten in Lima

Zum Amtsantritt von Praesident Fujimori

Die Prophezeiungen fuer die dritte Regierungsperiode von Praesident Alberto Fujimori, dem
wiedergewaehlten Praesidenten Perus, sind alles andere als gut. Sie sind gepraegt von
internationalem Druck, einer tiefen Wirtschaftskrise und dem Misztrauen der Bevoelkerung gegenueber
der Regierung.

Die Unzufriedenheit der Waehler, die Fujimori noch 1995 mit einer ueberwaeltigenden Mehrheit im Amt
bestaetigt hatten, zeigte sich in einer von der Nationalen Ingenieursuniversitaet Ende Juli
durchgefuehrten Umfrage: etwa 60 Prozent der Befragten lehnte die Regierungspolitik ab. Eine andere
Erhebung Mitte August durch das Unternehmen Apoyo ergab eine Zustimmung von 45 Prozent fuer Fujimori
und eine Ablehnung von 47 Prozent.

Diese Unzufriedenheit spiegelte sich im ersten Wahlgang am 9. April wieder, in dem Fujimoris
Koalition "Peru 2000" nur 52 von 120 Parlamentssitzen errang. Doch in den zwei folgenden Monaten
liefen mindestens 18 Abgeordnete der Opposition zur Regierung ueber und verhalfen ihr so zu der
Abgeordnetenmehrheit, die ihr an den Urnen verweigert worden war. Nach Presseberichten hat die
Regierung den Seitenwechsel durch Bestechung, Drohungen und Erpressung erreicht. Ein bemerkenswerter
Fall ist der des vorherigen Praesidentschafts-kandidaten Federico Salas von der Bewegung Avancemos,
der jetzt Premierminister des Fujimori-Kabinetts ist. Noch 20 Tage, bervor er den Posten
akzeptierte, hatte Salas gegenueber den Medien erklaert: "Ich kann versichern, dass Sie mich nicht
den Eid fuer ein Ministeramt ablegen sehen werden."
 
 

Nach einer Wahl, die staendig von Betrugsanklagen und der Kritik internationaler Beobachter
begleitet wurden, trat Fujimori sein Amt am 28. Juli an. Die offizielle Zeremonie verlief glanzlos:
An ihr nahmen mit Gustavo Noboa aus Ecuador und Hugo Banzer aus Bolivien lediglich zwei der
lateinamerikanischen Staatschefs teil.

Waehrend dessen gab es vor den Regierungsgebaeuden blutige Auseinandersetzungen zwischen
Protestierenden und Polizei. Die Mehrheit der Oppositionsabgeordneten zog sich zu Beginn der
Feierlichkeit aus dem Kongressaal zurueck, waehrend sich Demonstranten und Polizei drauszen
Straszengefechte lieferten.

Zu den Protesten, die ueber vom 26. Bis 28. Juli dauerten und unter dem Motto "Marsch der vier
Regionen des alten Inkareiches" standen, hatte Ex-Praesidentschaftskandidat Alejandro Toledo
aufgerufen. Trotz der Hindernisse, die die Behoerden in den Weg legten, um die Karawanen der
Demonstranten aus den Provinzen aufzuhalten, demonstrierten am 26. Juli mehrere tausend Frauen. Am
Folgetag versammelten sich etwa 200.000 Menschen gegenueber dem Justizpalast im Zentrum der
Hauptstadt.

Am 28. Juli versuchten die Demonstrierenden, friedlich zum Platz des Kongresses und zum Hauptplatz
der Stadt zu gelangen, um gegen die Vereidigung von Fujimori zu protestieren. Die Polizei versuchte
in den Morgenstunden, den Zug mit Gewalt aufzuhalten. Kurze Zeit spaeter war der starke
Polizeiguertel, der das Zentrum Limas umgeben hatte, jedoch verschwunden. Damit waren wichtige
Regierungsgebaeude schutzlos den Attacken von Randalierern preisgegeben. Sechs Tote, hunderte
Verwundete und Verhaftete sowie Braende in den Sitzen von Nationalbank, Wahlkommission, Justizpalast
und dem ehemaligen Bildungsministerium waren das Ergebnis eines tragischen Tages.

Waehrend die Organisatoren des Marsches die Regierung anklagen, den Demonstrationszug mit
Provokateuren infiltriert zu haben, werden die Protestierenden durch die die Regierung
terroristischer Akte beschuldigt und mit mit Strafprozessen bedroht.
 
 

In seiner Botschaft an die Nation ging Fujimori nicht darauf ein, dass sich die Haelfte des Landes
gegen seine dritte Amtszeit stellt. Er erwaehnte weder den notwendigen Dialog mit der Opposition
noch die von der Organisation Amerikanischer Staaten (OEA) geforderten Masznahmen, um die Demokratie
in Peru wieder herzustellen. Statt dessen betonte er nachdruecklich, dass "keine Demokratie in der
Welt existiert, wo die Minderheiten regieren. Und noch viel weniger, dass die Nicht-Gewaehlten
regieren oder die Abgeordnetenkandidaten, die eine minimale Zahl von Waehlerstimmen erhalten haben".

Wenig Selbstkritik war ebenso bezueglich der desastroesen Wirtschaftspolitik der Regierung zu
vernehmen. Genausowenig machte der Praesident Vorschlaege, wie die Rezession ueberwunden werden
koenne, die etwa die Haelfte der 24 Millionen Peruaner in Armut gestuerzt hat. Neun Prozent der
peruanischen Bevoelkerung sind Statistiken zu Folge voellig arbeitslos und 54 Prozent
unterbeschaeftigt.

Fujimori ernannte ein weiteres Mal Carlos Boloña zum Wirtschaftsminister, der bereits fuer die
Durchsetzung des Strukturanpassungsprogramms an die Vorgaben des Weltwirtschaftfonds in den Jahren
1991/92 verantwortlich war.

Fuer den Analysten Fernando Rospigliosi ist das Buendnis von Fujimori mit den Streitkraeften die
Stuetze seiner Regierung: "Die Militaerspitze sendet allen, die sie verstehen wollen, Zeichen, dass
sie die Manager der Macht in Peru sind". Nach den gewalttaetigen Ereignissen fand die traditionelle
Militaerparade vom 29. Juli im Hauptquartier des Heeres statt. Fujimori war lediglich von seinen
Vasallen von Beginn an umgeben: den Militaers.
 
 

Wenn die Opposition nun auch ein staerkeres Profil als in den vergangenen Jahren hat, so stimmen
viele Beobachter darin ueberein, dass es ihr an Organisation und ideologischer Grundlage fehlt.
Alejandro Toledo konnte seine Position als Oppositionsfuehrer aufrecht erhalten trotz der Versuche
der Fujimoristas, ihn nach den Vorkommnissen vom 28. Juli als Terroristen zu denunzieren. Die
Mitglieder der Opposition sind sich jedoch nicht einig, in welcher Form es nun weitergehen soll.
Einige fordern die Neuorganisation der politischen Parteien, waehrend andere mit den oeffentlichen
Protesten fortfahren wollen.

"Mit Einrichtungen wie dem Justizwesen, dem Kongress, der Staatsanwaltschaft, die voellig von der
Regierung vereinnahmt sind, bleibt der Buergerschaft und der Opposition als einziger Weg, ihre
Unzufriedenheit zu zeigen, die Strasze", meint Rospigliosi. "Die Demonstrationen muessen zu
bestimmten, dezentralisierten Forderungen wirtschaftlicher und politischer Art uebergehen. Es
muessen Verteidigungsbuendnisse gebildet, Buergermobilisierungen einberufen werden. Es macht keinen
Sinn, auf die Bildung politischer Parteien zu warten, um einen geordneten Uebergang vorzubereiten.
Solange Fujimori und Montesinos (die rechte Hand Fujimoris, Anm.d.R.) an der Macht sind, werden sie
die Konsolidierung irgendeiner demokratischen politischen Organisation nicht zulassen."

Der ehemalige Abgeordnete Javier Diez Canseco sprach sich in der Tageszeitung "La República" fuer
die Bildung eines "Nationalen Buendnisses fuer die Demokratie" aus.
 
 

Unterdessen kam am 8. August die OEA-Kommission mit Generalsekretaer César Gaviria und dem
dominikanischen Auszenminister Eduardo Latorre in Lima an, um das staendige Buero zu eroeffnen, das
den Dialog zwischen Regierung und Opposition ueberwachen soll. Dieser Dialog soll sich auf die 29
Punkte konzentrieren, die die OEA Ende Juni vorgeschlagen hatte. Zu fuenf Themen werden
Arbeitsgruppen gebildet: Unabhaengigkeit der Judikative; Balance zwischen Menschenrechten und
Sicherheit; Meinungsfreiheit und Kommunikationsmedien; Wahlreform, staatliche Kontrolle und
Gleichgewicht der Staatsgewalten. Hinzu kommt der Punkt der Staerkung der Demokratie, der die zivile
Ueberwachung der Geheimdienste einschlieszt.

Gaviria hat dazu aufgerufen, Vereinbarungen zu treffen, um die vorherrschende Polarisierung im Land
zu ueberwinden. Er gestand aber auch ein, dass die Regierung nicht die notwendigen demokratischen
Signale ausgesandt habe, was zur Beeintraechtigung ihrer Glaubwuerdigkeit beigetragen habe.

Die Zeichen stehen schlecht fuer dieses dritte Mandat von Fujimori. Selbst wenn die OEA Fortschritte
sieht, wagen einige die Prognose, Fujimori werde seine fuenfjaehrige Amtszeit nicht bis zum Ende
durchhalten. Eine der Teilnehmerinnen des Protestmarsches sagt Fujimoris Praesidentschaft ein
baldiges Ende voraus: "Ich gebe ihm keine anderthalb Jahre. Und er wird wissen, dass die Dinge in
dieser erzwungenen dritten Periode alles andere als gut fuer ihn laufen. Seine Verzweiflung, als sie
ihm das Praesidentenband am 28. Juli verkehrt herum umlegten, werde ich nie vergessen. Das ist wie
ein Vorzeichen, dass sich die Tortilla wenden wird."

(Lima, 21.8.2000, na-Poonal)
 
 
 
 

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