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Aussendungszeitpunkt: 6.9.2000; 23:00
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Menschenrechte/Debatte:

> Kinderarbeit -- Warum nicht schon ab 6?

Die gesetzliche Herabsetzung des Mindestalters fuer Kinderarbeit von vierzehn auf zwoelf Jahre in
Peru wurde mit zwei ziemlich entgegengesetzten Positionen kommentiert (akin 22/00 und akin-pd
30.8.2000). Die Befuerworter brachten ein, endlich wuerden die ca. zwei Millionen Kinderarbeiter
einen gewissen arbeitsrechtlichen Schutz genieszen. Die Kinderarbeit sei nunmal in aermeren Laendern
Realitaet, und die Kinder selbst wollten einen Beitrag zum Lebensunterhalt ihrer Familien leisten.
Im uebrigen gehe es nicht um die Frage "Studieren oder Arbeiten", sondern schlicht und einfach
darum, dasz die Kids satt werden. Zudem untersage das neue Gesetz risikohafte und
gesundheitsgefaehrdende Arbeiten fuer die Kids ab 12 Jahren und lege erstmals eine altersmaeszige
Staffelung der Arbeitshoechstzeiten fest. Demgegenueber bedauern die Vertreter der ILO
(International Labour-Organization) und des UNICEF der UNO diese gesetzliche Regelung. Dadurch
wuerde die soziale Ausgrenzung arbeitender Minderjaehrigen nur noch mehr akzentuiert und die
Benachteiligung berufstaetiger "Schueler" betrieben.
 

Soweit die Positionen zur tristen Ausgangslage. Aber die Ausgangsparameter der peruanischen
Gesetzesnovelle sowie die Erklaerungsversuche der Befuerworter lassen sich mit den vereinzelten
Aussagen der Kinderarbeiter und der ILO nicht ganz vereinen. Die 15jaehrige Vertreterin der NATS
(Bewegung der Kinder und heranwachsender Arbeitnehmer) erklaert, in Peru "gibt es viele Kinder, die
mit acht Jahren zu arbeiten beginnen", und ILO-Untersuchungen zufolge wuerden weltweit 250 Millionen
Kinder zwischen fuenf und 14 Jahren berufstaetig sein, wovon 60 Millionen davon erst unter elf Jahre
alt sein wuerden. Was passiert in Peru oder in anderen Laendern, die solcherart ihrer sozialen
Realitaet Rechnung tragen wollen, mit den Kindern, die unter diesem gesetzlichen Mindestalter in
Bergwerken oder sonstwo werkeln muessen? Von vierzehn auf zwoelf Jahre reduzieren, und dann von
zwoelf auf acht oder vielleicht auf sechs, damit auch diese Kids noch arbeitsrechtliche
Schutzbedingungen "genieszen" koennen?

Zu glauben, dasz staatliche Kontrollen dieser Laender nunmehr die Kinderarbeit unterhalb der
gesetzlichen Mindestaltersstandards unterbinden wuerden, mutet einigermaszen naiv an. Was ist bis
jetzt tatsaechlich an Kontrollmasznahmen passiert, wenn z.B. - wie oben erwaehnt - in Peru bisher
schon viele Kinder mit acht zu arbeiten beginnen muszten? Was wird an Masznahmen geschehen, wenn
gleichzeitig das gesetzliche Mindestalter herabgesetzt wird, wodurch sich eine nach unten offene
Spirale der sozialen Zumutbarkeitsregeln in Gang setzt? Auch in von Arbeitsschutzbestimmungen
"verwoehnten" Laendern wie Oesterreich existiert ein groesztenteils schutzloses Heer von
Sklavenarbeitern vor sich hin, das ueber Leihvertraege unabgesichert hin- und hergeschoben wird oder
Dumpingloehne durch jederzeit kuendbare Werkvertraege erhaelt. Es braeuchten einfach nur x-beliebige
LKW-Chauffeure nach dem 8-Stunden-Tag oder der 40-Stunden-Woche gefragt werden.
 

Gesetzliche Regelungen mit dem Inhalt, dasz zwoelf- bis vierzehnjaehrige Kids vier Stunden am Tag
und 24 Stunden in der Woche arbeiten duerfen, heiszt, dasz sie es im staatlich ueberpruefbaren
Rahmen und sozialer Notwendigkeit auch muessen. Damit entfallen auch die minimalsten staatlichen und
kommunalen Obsorgepflichten, sich wenigstens dieser Altersgruppen sozial anzunehmen. In den
Bereichen, wo der duerftige Kontrollrahmen wegfaellt, bleibt sowieso alles beim alten - mit dem
erwaehnten Unterschied, dasz sich die Altersgrenzen weiter nach unten verwischen. Abgesehen vom
leichten Zynismus, von den Metropolen aus eindeutige soziale Verschlechterungen in Schwellen- oder
Drittweltlaendern als realitaetsbedingte Anpassungen zu betrachten, stuende es uns meiner Meinung
nach gut an, gewisse Prinzipien oder Forderungen beizubehalten, auch wenn sie naiv anmuten. So zum
Beispiel die, dasz Kinder nicht gezwungen sein sollten, zu arbeiten. *Fritz Pletzl*
 
 
 
 

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