Menschenrechte/Debatte:
> Kinderarbeit -- Warum nicht schon ab 6?
Die gesetzliche Herabsetzung des Mindestalters fuer Kinderarbeit von
vierzehn auf zwoelf Jahre in
Peru wurde mit zwei ziemlich entgegengesetzten Positionen kommentiert
(akin 22/00 und akin-pd
30.8.2000). Die Befuerworter brachten ein, endlich wuerden die ca.
zwei Millionen Kinderarbeiter
einen gewissen arbeitsrechtlichen Schutz genieszen. Die Kinderarbeit
sei nunmal in aermeren Laendern
Realitaet, und die Kinder selbst wollten einen Beitrag zum Lebensunterhalt
ihrer Familien leisten.
Im uebrigen gehe es nicht um die Frage "Studieren oder Arbeiten", sondern
schlicht und einfach
darum, dasz die Kids satt werden. Zudem untersage das neue Gesetz risikohafte
und
gesundheitsgefaehrdende Arbeiten fuer die Kids ab 12 Jahren und lege
erstmals eine altersmaeszige
Staffelung der Arbeitshoechstzeiten fest. Demgegenueber bedauern die
Vertreter der ILO
(International Labour-Organization) und des UNICEF der UNO diese gesetzliche
Regelung. Dadurch
wuerde die soziale Ausgrenzung arbeitender Minderjaehrigen nur noch
mehr akzentuiert und die
Benachteiligung berufstaetiger "Schueler" betrieben.
Soweit die Positionen zur tristen Ausgangslage. Aber die Ausgangsparameter
der peruanischen
Gesetzesnovelle sowie die Erklaerungsversuche der Befuerworter lassen
sich mit den vereinzelten
Aussagen der Kinderarbeiter und der ILO nicht ganz vereinen. Die 15jaehrige
Vertreterin der NATS
(Bewegung der Kinder und heranwachsender Arbeitnehmer) erklaert, in
Peru "gibt es viele Kinder, die
mit acht Jahren zu arbeiten beginnen", und ILO-Untersuchungen zufolge
wuerden weltweit 250 Millionen
Kinder zwischen fuenf und 14 Jahren berufstaetig sein, wovon 60 Millionen
davon erst unter elf Jahre
alt sein wuerden. Was passiert in Peru oder in anderen Laendern, die
solcherart ihrer sozialen
Realitaet Rechnung tragen wollen, mit den Kindern, die unter diesem
gesetzlichen Mindestalter in
Bergwerken oder sonstwo werkeln muessen? Von vierzehn auf zwoelf Jahre
reduzieren, und dann von
zwoelf auf acht oder vielleicht auf sechs, damit auch diese Kids noch
arbeitsrechtliche
Schutzbedingungen "genieszen" koennen?
Zu glauben, dasz staatliche Kontrollen dieser Laender nunmehr die Kinderarbeit
unterhalb der
gesetzlichen Mindestaltersstandards unterbinden wuerden, mutet einigermaszen
naiv an. Was ist bis
jetzt tatsaechlich an Kontrollmasznahmen passiert, wenn z.B. - wie
oben erwaehnt - in Peru bisher
schon viele Kinder mit acht zu arbeiten beginnen muszten? Was wird
an Masznahmen geschehen, wenn
gleichzeitig das gesetzliche Mindestalter herabgesetzt wird, wodurch
sich eine nach unten offene
Spirale der sozialen Zumutbarkeitsregeln in Gang setzt? Auch in von
Arbeitsschutzbestimmungen
"verwoehnten" Laendern wie Oesterreich existiert ein groesztenteils
schutzloses Heer von
Sklavenarbeitern vor sich hin, das ueber Leihvertraege unabgesichert
hin- und hergeschoben wird oder
Dumpingloehne durch jederzeit kuendbare Werkvertraege erhaelt. Es braeuchten
einfach nur x-beliebige
LKW-Chauffeure nach dem 8-Stunden-Tag oder der 40-Stunden-Woche gefragt
werden.
Gesetzliche Regelungen mit dem Inhalt, dasz zwoelf- bis vierzehnjaehrige
Kids vier Stunden am Tag
und 24 Stunden in der Woche arbeiten duerfen, heiszt, dasz sie es im
staatlich ueberpruefbaren
Rahmen und sozialer Notwendigkeit auch muessen. Damit entfallen auch
die minimalsten staatlichen und
kommunalen Obsorgepflichten, sich wenigstens dieser Altersgruppen sozial
anzunehmen. In den
Bereichen, wo der duerftige Kontrollrahmen wegfaellt, bleibt sowieso
alles beim alten - mit dem
erwaehnten Unterschied, dasz sich die Altersgrenzen weiter nach unten
verwischen. Abgesehen vom
leichten Zynismus, von den Metropolen aus eindeutige soziale Verschlechterungen
in Schwellen- oder
Drittweltlaendern als realitaetsbedingte Anpassungen zu betrachten,
stuende es uns meiner Meinung
nach gut an, gewisse Prinzipien oder Forderungen beizubehalten, auch
wenn sie naiv anmuten. So zum
Beispiel die, dasz Kinder nicht gezwungen sein sollten, zu arbeiten.
*Fritz Pletzl*
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