Budgetpolitik:
> Fragwuerdige Nullsummenspiele
Nun ist er doch noch geglueckt: zumindest wenn's um's Nulldefizit geht,
ruecken alle zusammen -
Schulterschlusz an der gemeinsamen Sparfront. Rot-blau-schwarz-gruene
Trausamkeit flankiert von OeGB
und einer hinhaltend Widerstand leistenden Arbeiterkammer. Damit kann
ein sinnloses Prestigeprojekt
gestartet werden - warum eigentlich? Text gefladert aus "Die Alternative"
Oesterreich ist ein katholisches Land. Und die OesterreicherInnen sind
scheinbar zutiefst religioes.
Wir sehen es an dieser Budgetdiskussion: Nulldefizit heiszt das neue
Glaubensbekenntnis. Jetzt
zeigen wir den EU-14 einmal so richtig, was fuer tolle EuropaeerInnen
wir denn sind. Und alle sind
mit dabei. Gusenbauer und Van der Bellen halten das Ziel fuer erstrebenswert
- wenn auch nicht so
schnell. Im Regierungslager herrscht noch etwas Verwirrung um das Wie:
Taeglich werden neue
Potentiale fuer Einsparungen entdeckt. Einmal wird "soziale Treffsicherheit"
eingefordert, dann die
Wohnbaufoerderung gekuerzt, Studiengebuehren angedacht, das Pensionsalter
auf 67 erhoeht,
LehrerInnen diffamiert. Da sagt die Industriellenvereinigung Lohnnebenkosten
senken ja,
Familienfoerderungen nein und Leitl, der Wirtschaftskaemmerer glaubt
immer noch, dasz Oesterreichs
Unternehmen zu hohe Steuern zahlen. Tag fuer Tag bringt irgendeine/r
unserer Regierungsleuchten
einen Vorschlag, der daraufhin sofort wieder zurueckgezogen, "hab-ich-so-nie-gesagt"
geleugnet oder
vom Regierungspartner entschieden abgelehnt wird. (Anm. akin: Als der
Artikel in der "Alternative"
erschien, war Grassers Paket vom Freitag noch nicht bekannt gewesen;
allem Anschein nach duerfte
aber auch dieses Paket noch nicht der Verhandlungen letzter Schlusz
gewesen sein.)
Der gesamte Konsolidierungsbedarf soll bis 2003 (nach Schaetzungen)
an die 270 Milliarden Schilling
betragen. Wie die OeVP angesichts dieses Crash-Sparkurses ihre Klientel
zufriedenstellen will
(Lohnnebenkostensenkung, Karenzgeld fuer alle, Steuergeschenke fuer
Landwirte und Zinshausbesitzer)
weisz wohl nur sie: Immer wieder wird auf die Unfinanzierbarkeit der
Wahlversprechen hingewiesen,
doch die OeVP sieht dies bekanntlich anders. Familie und Vaterland
haben nun mal ihren Preis, koste
es, was es wolle. Jedenfalls, 2002 soll Oesterreich defizitfrei sein.
Das bedarf einer "nationalen"
Kraftanstrengung des kollektiven Verzichts, des Schaerfleinbeitragens.
Prediger Schuessel und
Ministrant Grasser laden zur Messe ein und alle beten mit.
Sparen, sparen, sparen in einer Welt voller Mythen
Null-Budgetdefizit. Klingt einleuchtend, logisch und nach Hausverstand.
Ist aber tatsaechlich vor
allem Bierzelt. Denn oekonomisch laeszt sich die Notwendigkeit eines
Nullbudgetdefizites nicht
begruenden. Budgetdefizite ergeben sich logischerweise in wirtschaftlich
schlechten Zeiten, um
private Nachfrageausfaelle zu kompensieren, oder aufgrund grosz angelegter
Investitionsmasznahmen.
Sie koennen aber auch der - eher problematischen - Finanzierung von
Wahlgeschenken und
Klientelinteressen dienen. Defizite duerfen auf jeden Fall kein Ersatz
fuer Strukturprobleme im
Budget sein - zum Beispiel um Steuerausfaelle aufgrund steuerlicher
Beguenstigungen der Unternehmen
auszugleichen. Hochkonjunkturphasen gleichen Budgets auf Grund hoeherer
Einnahmen bei sinkenden
Ausgaben in der Regel automatisch aus (auszer mann macht diesen Erfolg
durch Milliarden fuer Heer,
Familien und Unternehmen zunichte). Das Argument, dasz Budgetdefizite
nicht sozial waeren, da diese
nachkommende Generationen belasten wuerden, ist auch nicht gerade stichhaltig:
schlieszlich kommen
Investitionen - etwa im Bildungs-, Sozial- oder Infrastrukturbereich
- gerade auch nachkommenden
Generationen zugute. Es gibt oekonomisch gesehen keine Begruendung
fuer die Notwendigkeit
ausgeglichener Budgets.
Budgetdefizite, -ueberschuesse oder Nullbudgets sind als das zu bewerten
was sie sind - Resultate
politischer Entscheidungen die auf ihre gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen
ueberprueft werden
muessen und zu unterschiedlichen Schluessen fuehren koennen, nichts
anderes.
Das religioese Bekenntnis zum Nulldefizit ist eine Angelegenheit konservativer
Oekonomiepriester,
deren Leben sich in sektiererischen Modellen bewegt. Sollen sie - im
Sinne der Religionsfreiheit -
ihren Lehren anhaengen! Eine klare Trennung von Kirche und Staat ist
jedoch zu vollziehen!
Budgetsanierung: Sparen der einzige Weg?
Budgetsanierung - ausgabenseitig. Das heiszt in blau-schwarz zwar auch
Belastung der unteren
Einkommensschichten ueber Massensteuern, aber vor allem Rueckbau des
"Staates". Das heiszt in
blau-schwarz auch "Reformstau beheben" und marktkonform "modernisieren"
- sprich Kuerzungen
staatlicher Leistungen, Reduzierung der Unternehmenssteuern usw. Die
Staatsquote soll gesenkt
werden, da diese in Oesterreich mit 44,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
(BIP, Steuern und
Sozialabgaben) angeblich besonders hoch ist. Nun, von einem Rueckbau
des "Staates" ist unter
Blau-Schwarz nichts zu bemerken: Lauschangriff und Aufruestung des
Bundesheeres zeugen eher vom
starken Staat als vom schlanken. Innerhalb der Leistungen wird halt
umgeschichtet - vom Sozialen zur
Repression. Doch Staatsquotensenkung klingt nun mal gut egal ob sie
nun geschieht oder nicht. Immer
wieder wird auf die Ueberschuszlaender in Europa hingewiesen und was
die koennen, koennen wir schon
lange, wo sind wir den schlieszlich! Oesterreich das Schluszlicht der
EU? Na, was wir schon in
Sachen Staatsrassismus geschafft haben, sollte in Sachen Budget wohl
auch klappen - wir wollen ganz
nach vorne. Schauen wir uns die Ueberschuszlaender Finnland, Daenemark
und Niederlande an. Nach
blau-schwarzer Logik mueszte dort radikal gespart, allgemeiner Verzicht
geuebt und auf Teufel komm
raus saniert worden sein.
Die Staatsquote liegt in Daenemark bei 49,5 Prozent, in Finnland bei
46,5 Prozent in der Niederlande
bei 41,8 Prozent. Also, nur die HollaenderInnen zahlen weniger Steuern
und Abgaben als die
OesterreicherInnen - Die oeffentlichen Investitionen (sprich Staatsausgaben)
stiegen zwischen 1995
und 1998 in Holland um 11,5 Prozent, in Finnland um 18,5 Prozent. In
Daenemark wurde sogar die
Beschaeftigung im oeffentlichen Dienst um 5,1 Prozent ausgeweitet,
der oeffentliche Konsum stieg um
neun Prozent. Das heiszt: hohe Lohnabschluesse bei den Beamten! Oesterreich:
Oeffentliche
Investitionen minus dreiszig Prozent, sinkende Beschaeftigungszahlen
im oeffentlichen Dienst und
geringer Lohnzuwachs - Interessant auch die Entwicklung der Kapital-
und Lohneinkommen: In allen
drei Staaten wuchsen die Lohneinkommen schneller als die Gewinne, wurde
Kapital belastet, Arbeit
entlastet. In Daenemark etwa wuchsen die Loehne um 19,8 Prozent, die
Gewinne um 8,7 Prozent. In
Oesterreich: Loehne plus 8,7 Prozent (nicht zuletzt dank der rot-schwarzen
Sparpakete), Gewinne plus
24,6 Prozent. - Daneben wurde in allen drei Laendern auch eine aktive
Beschaeftigungspolitik
betrieben: Der gesamte "policy mix" ergab in Holland ein Beschaeftigungsplus
von elf Prozent, in
Finnland von 20,2 Prozent, in Daenemark 7,6 Prozent. Die Budgetkonsolidierung
ergab sich von selbst:
die Einnahmen wuchsen um zwanzig Prozent, die Ausgaben nur um zehn
Prozent. Und Oesterreich:
Beschaeftigungsplus 3,9 Prozent, Budgetdefizit trotz Belastungspaketen
von fuenf Prozent auf zwei
Prozent.
Natuerlich betrieben auch diese Staaten Sozialabbau. Sie sollen auch
nicht glorifiziert werden. Aber
das Ergebnis ist erstaunlich: Die "Weniger Staat bringt Ueberschuesse"-These
haelt hier nicht stand.
Ganz im Gegenteil, wurden doch die Staatsausgaben ausgeweitet. Natuerlich
kann auch England mit 35,4
Prozent als Beispiel einer "gelungenen" Budgetsanierung herangezogen
werden. Die katastrophalen
sozialen Auswirkungen des Thatcherischen Crashkurses sind jedoch bekannt.
Jedenfalls ist bemerkenswert, dasz die rechts-rechte Koalition genau
einen den "Vorbildstaaten"
entgegengesetzten Kurs faehrt. Ausgabenseitige Kuerzungen fuehren zu
Einkommensverlusten
insbesondere einkommensschwacher Schichten. Ausgabenseitige Kuerzungen
verteilen um - von unten nach
oben. Und das bei einem Steuersystem, das ohnehin kaum umverteilt.
Die soziale Schraeglage
verstaerkt sich von Steuerreform zu Steuerreform, von Regierungsmasznahme
zu Regierungsmasznahme.
Umverteilung ist gefragt. (Markus Koza, Alternative 7/8, gek.)
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