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Aussendungszeitpunkt: 6.9.2000; 23:00
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Budgetpolitik: 

> Fragwuerdige Nullsummenspiele

Nun ist er doch noch geglueckt: zumindest wenn's um's Nulldefizit geht, ruecken alle zusammen -
Schulterschlusz an der gemeinsamen Sparfront. Rot-blau-schwarz-gruene Trausamkeit flankiert von OeGB
und einer hinhaltend Widerstand leistenden Arbeiterkammer. Damit kann ein sinnloses Prestigeprojekt
gestartet werden - warum eigentlich? Text gefladert aus "Die Alternative"

Oesterreich ist ein katholisches Land. Und die OesterreicherInnen sind scheinbar zutiefst religioes.
Wir sehen es an dieser Budgetdiskussion: Nulldefizit heiszt das neue Glaubensbekenntnis. Jetzt
zeigen wir den EU-14 einmal so richtig, was fuer tolle EuropaeerInnen wir denn sind. Und alle sind
mit dabei. Gusenbauer und Van der Bellen halten das Ziel fuer erstrebenswert - wenn auch nicht so
schnell. Im Regierungslager herrscht noch etwas Verwirrung um das Wie: Taeglich werden neue
Potentiale fuer Einsparungen entdeckt. Einmal wird "soziale Treffsicherheit" eingefordert, dann die
Wohnbaufoerderung gekuerzt, Studiengebuehren angedacht, das Pensionsalter auf 67 erhoeht,
LehrerInnen diffamiert. Da sagt die Industriellenvereinigung Lohnnebenkosten senken ja,
Familienfoerderungen nein und Leitl, der Wirtschaftskaemmerer glaubt immer noch, dasz Oesterreichs
Unternehmen zu hohe Steuern zahlen. Tag fuer Tag bringt irgendeine/r unserer Regierungsleuchten
einen Vorschlag, der daraufhin sofort wieder zurueckgezogen, "hab-ich-so-nie-gesagt" geleugnet oder
vom Regierungspartner entschieden abgelehnt wird. (Anm. akin: Als der Artikel in der "Alternative"
erschien, war Grassers Paket vom Freitag noch nicht bekannt gewesen; allem Anschein nach duerfte
aber auch dieses Paket noch nicht der Verhandlungen letzter Schlusz gewesen sein.)

Der gesamte Konsolidierungsbedarf soll bis 2003 (nach Schaetzungen) an die 270 Milliarden Schilling
betragen. Wie die OeVP angesichts dieses Crash-Sparkurses ihre Klientel zufriedenstellen will
(Lohnnebenkostensenkung, Karenzgeld fuer alle, Steuergeschenke fuer Landwirte und Zinshausbesitzer)
weisz wohl nur sie: Immer wieder wird auf die Unfinanzierbarkeit der Wahlversprechen hingewiesen,
doch die OeVP sieht dies bekanntlich anders. Familie und Vaterland haben nun mal ihren Preis, koste
es, was es wolle. Jedenfalls, 2002 soll Oesterreich defizitfrei sein. Das bedarf einer "nationalen"
Kraftanstrengung des kollektiven Verzichts, des Schaerfleinbeitragens. Prediger Schuessel und
Ministrant Grasser laden zur Messe ein und alle beten mit.

Sparen, sparen, sparen in einer Welt voller Mythen

Null-Budgetdefizit. Klingt einleuchtend, logisch und nach Hausverstand. Ist aber tatsaechlich vor
allem Bierzelt. Denn oekonomisch laeszt sich die Notwendigkeit eines Nullbudgetdefizites nicht
begruenden. Budgetdefizite ergeben sich logischerweise in wirtschaftlich schlechten Zeiten, um
private Nachfrageausfaelle zu kompensieren, oder aufgrund grosz angelegter Investitionsmasznahmen.

Sie koennen aber auch der - eher problematischen - Finanzierung von Wahlgeschenken und
Klientelinteressen dienen. Defizite duerfen auf jeden Fall kein Ersatz fuer Strukturprobleme im
Budget sein - zum Beispiel um Steuerausfaelle aufgrund steuerlicher Beguenstigungen der Unternehmen
auszugleichen. Hochkonjunkturphasen gleichen Budgets auf Grund hoeherer Einnahmen bei sinkenden
Ausgaben in der Regel automatisch aus (auszer mann macht diesen Erfolg durch Milliarden fuer Heer,
Familien und Unternehmen zunichte). Das Argument, dasz Budgetdefizite nicht sozial waeren, da diese
nachkommende Generationen belasten wuerden, ist auch nicht gerade stichhaltig: schlieszlich kommen
Investitionen - etwa im Bildungs-, Sozial- oder Infrastrukturbereich - gerade auch nachkommenden
Generationen zugute. Es gibt oekonomisch gesehen keine Begruendung fuer die Notwendigkeit
ausgeglichener Budgets.

Budgetdefizite, -ueberschuesse oder Nullbudgets sind als das zu bewerten was sie sind - Resultate
politischer Entscheidungen die auf ihre gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen ueberprueft werden
muessen und zu unterschiedlichen Schluessen fuehren koennen, nichts anderes.

Das religioese Bekenntnis zum Nulldefizit ist eine Angelegenheit konservativer Oekonomiepriester,
deren Leben sich in sektiererischen Modellen bewegt. Sollen sie - im Sinne der Religionsfreiheit -
ihren Lehren anhaengen! Eine klare Trennung von Kirche und Staat ist jedoch zu vollziehen!

Budgetsanierung: Sparen der einzige Weg?

Budgetsanierung - ausgabenseitig. Das heiszt in blau-schwarz zwar auch Belastung der unteren
Einkommensschichten ueber Massensteuern, aber vor allem Rueckbau des "Staates". Das heiszt in
blau-schwarz auch "Reformstau beheben" und marktkonform "modernisieren" - sprich Kuerzungen
staatlicher Leistungen, Reduzierung der Unternehmenssteuern usw. Die Staatsquote soll gesenkt
werden, da diese in Oesterreich mit 44,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP, Steuern und
Sozialabgaben) angeblich besonders hoch ist. Nun, von einem Rueckbau des "Staates" ist unter
Blau-Schwarz nichts zu bemerken: Lauschangriff und Aufruestung des Bundesheeres zeugen eher vom
starken Staat als vom schlanken. Innerhalb der Leistungen wird halt umgeschichtet - vom Sozialen zur
Repression. Doch Staatsquotensenkung klingt nun mal gut egal ob sie nun geschieht oder nicht. Immer
wieder wird auf die Ueberschuszlaender in Europa hingewiesen und was die koennen, koennen wir schon
lange, wo sind wir den schlieszlich! Oesterreich das Schluszlicht der EU? Na, was wir schon in
Sachen Staatsrassismus geschafft haben, sollte in Sachen Budget wohl auch klappen - wir wollen ganz
nach vorne. Schauen wir uns die Ueberschuszlaender Finnland, Daenemark und Niederlande an. Nach
blau-schwarzer Logik mueszte dort radikal gespart, allgemeiner Verzicht geuebt und auf Teufel komm
raus saniert worden sein.

Die Staatsquote liegt in Daenemark bei 49,5 Prozent, in Finnland bei 46,5 Prozent in der Niederlande
bei 41,8 Prozent. Also, nur die HollaenderInnen zahlen weniger Steuern und Abgaben als die
OesterreicherInnen - Die oeffentlichen Investitionen (sprich Staatsausgaben) stiegen zwischen 1995
und 1998 in Holland um 11,5 Prozent, in Finnland um 18,5 Prozent. In Daenemark wurde sogar die
Beschaeftigung im oeffentlichen Dienst um 5,1 Prozent ausgeweitet, der oeffentliche Konsum stieg um
neun Prozent. Das heiszt: hohe Lohnabschluesse bei den Beamten! Oesterreich: Oeffentliche
Investitionen minus dreiszig Prozent, sinkende Beschaeftigungszahlen im oeffentlichen Dienst und
geringer Lohnzuwachs - Interessant auch die Entwicklung der Kapital- und Lohneinkommen: In allen
drei Staaten wuchsen die Lohneinkommen schneller als die Gewinne, wurde Kapital belastet, Arbeit
entlastet. In Daenemark etwa wuchsen die Loehne um 19,8 Prozent, die Gewinne um 8,7 Prozent. In
Oesterreich: Loehne plus 8,7 Prozent (nicht zuletzt dank der rot-schwarzen Sparpakete), Gewinne plus
24,6 Prozent. - Daneben wurde in allen drei Laendern auch eine aktive Beschaeftigungspolitik
betrieben: Der gesamte "policy mix" ergab in Holland ein Beschaeftigungsplus von elf Prozent, in
Finnland von 20,2 Prozent, in Daenemark 7,6 Prozent. Die Budgetkonsolidierung ergab sich von selbst:
die Einnahmen wuchsen um zwanzig Prozent, die Ausgaben nur um zehn Prozent. Und Oesterreich:
Beschaeftigungsplus 3,9 Prozent, Budgetdefizit trotz Belastungspaketen von fuenf Prozent auf zwei
Prozent.

Natuerlich betrieben auch diese Staaten Sozialabbau. Sie sollen auch nicht glorifiziert werden. Aber
das Ergebnis ist erstaunlich: Die "Weniger Staat bringt Ueberschuesse"-These haelt hier nicht stand.
Ganz im Gegenteil, wurden doch die Staatsausgaben ausgeweitet. Natuerlich kann auch England mit 35,4
Prozent als Beispiel einer "gelungenen" Budgetsanierung herangezogen werden. Die katastrophalen
sozialen Auswirkungen des Thatcherischen Crashkurses sind jedoch bekannt.

Jedenfalls ist bemerkenswert, dasz die rechts-rechte Koalition genau einen den "Vorbildstaaten"
entgegengesetzten Kurs faehrt. Ausgabenseitige Kuerzungen fuehren zu Einkommensverlusten
insbesondere einkommensschwacher Schichten. Ausgabenseitige Kuerzungen verteilen um - von unten nach
oben. Und das bei einem Steuersystem, das ohnehin kaum umverteilt. Die soziale Schraeglage
verstaerkt sich von Steuerreform zu Steuerreform, von Regierungsmasznahme zu Regierungsmasznahme.
Umverteilung ist gefragt. (Markus Koza, Alternative 7/8, gek.)
 
 

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