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Aussendungszeitpunkt: 30.5.2000; 22:30
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Prinzipielles/Neoliberalismus/Aktion:
> "Fuer Generalstaende"
Der franzoesische Soziologe Pierre BOURDIEU, bekannt fuer seine
Theorie der Sozioanalyse, mobilisiert fuer ein neues Projekt: eine
europaeische Bewegung gegen den Neoliberalismus. Ein Gespraech mit
dem Soziologen in Paris fuehrten fuer die Zuercher "WOCHENZEITUNG"
Stefan KELLER und Verena MUeHLBERGER. Es erscheint hier in einer
sehr stark gekuerzter Fassung.
FRAGE: Herr Bourdieu, am 1. Mai haben Sie einen internationalen
Appell lanciert, den Sie in der franzoesischen Fassung "Fuer
Generalstaende der sozialen Bewegung Europas" nennen.
Pierre Bourdieu: Das ist die Bezeichnung, die wir nach einigem
Nachdenken gefunden haben. Das Ziel dieses Aufrufes ist es, eine
breite soziale Bewegung gegen den Neoliberalismus zu organisieren.
FRAGE: Was motiviert Sie dazu, sich in diesem politischen Kampf zu
engagieren?
Nun, ich bin ja schon einige Jahre mit den Verantwortlichen von
sozialen Bewegungen in Kontakt - in Deutschland, in Griechenland,
in Frankreich - und es erschien mir, dass diese sozialen
Bewegungen einerseits sehr stark sind, sehr aktiv und effizient:
Man hat es in Seattle gesehen, man hat es im April in Washington
wieder gesehen, man hat die Arbeitslosenmaersche in Frankreich, in
Deutschland gesehen und so weiter. Gleichzeitig sind die sozialen
Bewegungen aber auch sehr zersplittert, und zwar aus mehreren
Gruenden. Sie sind oft eng mit ganz speziellen Anliegen verknuepft
- mit der Arbeitslosigkeit, der Obdachlosigkeit, der Frage der
illegalen Einwanderer, der Sache der Frauen oder der Schwulen zum
Beispiel -, und die Unterschiedlichkeit dieser Anliegen hat sie
zersplittert. Zusaetzlich stehen sie im Zusammenhang mit
verschiedenen nationalen Traditionen; in Deutschland etwa gibt es
soziale Bewegungen, die im Umkreis der evangelischen Kirchen
stehen, in Frankreich gibt es Bewegungen im Umfeld der
Kommunisten, in Spanien gibt es Bewegungen mit anarchistischer
Tradition. Und obwohl diese Bewegungen haeufig gemeinsame Ziele
verfolgen, bleiben sie von einander isoliert. In langen
Diskussionen ist uns daher der Gedanke gekommen, dass es notwendig
waere, so etwas wie eine Koordination dieser Bewegungen
aufzubauen. Es geht aber keinesfalls darum, ein Zentralkomitee der
sozialen Bewegungen einzurichten mit einem Apparat der alten Art -
all diese Leute in den neuen sozialen Bewegungen haben einen
Horror vor Apparaten! -, doch irgend etwas musste gefunden werden.
Unser Projekt ist es nun, Netze zu organisieren.
FRAGE: Wenn Sie "wir" sagen: Wer sind ausser Ihnen die
InitiantInnen des Appells?
"Wir" das sind viele verschiedene Leute aus solchen Bewegungen.Beispielsweise aus der
Arbeitslosenbewegung, der Gewerkschaft SUD
und anderen Organisationen in Frankreich, aus den Gewerkschaften
IG Medien und IG-Metall in Deutschland, viele Gewerkschafter und
Intellektuelle in Griechenland - aus Griechenland kamen die
allerersten Unterzeichner des Appells. Ich koennte Ihnen jetzt
eine Liste zeigen mit zweihundert oder dreihundert Organisationen,
die in dem Appell praesent sind, wichtig ist jedoch, dass die
Leute meistens nicht im Namen ihrer Bewegungen unterzeichnen,
sondern als Einzelpersonen.
FRAGE: Ist der Appell auch eine Bewegung von Intellektuellen?
Ueberhaupt nicht. Natuerlich gibt es Intellektuelle dabei, in
Deutschland zum Beispiel Guenter Grass, aber die bilden nicht die
Basis der Bewegung. Man kann es vielleicht so sagen: Die
Verantwortlichen der neuen sozialen Bewegungen sind haeufig
Personen mit einem intellektuellen Hintergrund, sehr kultivierte
Leute. Sie finden da Gewerkschaftsfuehrer, die besser in
Soziologie sind als manche Soziologen. Aber das sind nicht
Intellektuelle im Sinn jener Leute, die in den Zeitungen schreiben
und im Fernsehen auftreten.
Es gibt ja auch gar nicht mehr die starre Aufteilung in
Intellektuelle und Arbeiter, wie man sie frueher kannte, das hat
sich voellig veraendert. Es gibt heute viele Leute in den
Gewerkschaften und in unserer Bewegung, die gerade durch ihre
Arbeit dazu gebracht worden sind, die Welt intellektuell zu
betrachten. Noch vor dreissig Jahren hatte in Frankreich die
Arbeiterbewegung eine ausserordentlich starke Tradition des
Intellektuellenhasses, heute sind es die Leute in den
Gewerkschaften selber, die lesen und nachdenken. Wenn man mich mit
dieser Frage nach den Intellektuellen nervt, von der rechten Seite
her, dann sage ich immer: Die Intellektuellen sind Experten gegen
die Experten! Zum Beispiel gegen einen Mann wie Anthony Giddens;
ein britischer Soziologe, der zum Vordenker der neoliberalen
Rechten geworden ist, beziehungsweise der neoliberalen "Schein-
Linke" Tony Blairs. Und wer zaehlt nun mehr gegen Giddens als ein
Bourdieu? Ich habe die wissenschaftliche Autoritaet, und ich kenne
seine Waffen! Dasselbe gilt fuer die Widerlegung der falschen
neoliberalen Nobelpreistraeger fuer Oekonomie; auch da ist es gut,
einen Oekonom zu haben, der zeigen kann, was ihre Theorien
wirklich bedeuten. In diesem Sinne haben die Intellektuellen eine
Rolle, aber sie sind nicht ihre "Fuehrer" der Bewegung, sie
arbeiten innerhalb der Kollektive. Man braucht sie wegen ihrer
Autoritaet und wegen ihrer technischen Kompetenz als
intellektuelle Arbeiter, die bei einem Problem sagen koennen:
Voil..., wir werden Euch dies analysieren!
FRAGE: Sie haben einmal gesagt, die Soziologen haetten dabei unter
den Intellektuellen die wichtigste Rolle. Wie meinen Sie das?
Ich meine, dass die Soziologen - per Definition - die soziale Welt
besser kennen sollten als der Durchschnitt der Leute. Als
Soziologe hat man Erkenntnisinstrumente, die einem erlauben, Dinge
herauszufinden, die andere nicht wissen. Zum Beispiel glaubte man
noch vor dreissig Jahren, die Schule sei ein Zugang zur Elite;
heute wissen dank der Soziologie alle, dass die Schule einen sehr
grossen Beitrag leistet zur Reproduktion der sozialenUngleichheit.
Zur Zeit bereiten wir eine andere grosse soziologische Arbeit vor,
die sich als sehr schwierig erweist, aus technischen Gruenden,
weil die Statistiken so schlecht und so falsch sind. Wir versuchen
systematisch zu zeigen, dass es eine Korrelation gibt zwischen der
neoliberalen Politik und allen Phaenomenen, welche die Soziologen
Anomie nennen: Selbstmord, Scheidung, Delinquenz, Alkoholismus,
Gewalt und so weiter. Daran wird wissenschaftlich gearbeitet, um
den Chefs der europaeischen Laender zu zeigen: Es gibt zwar auf
der einen Seite oekonomische Indikatoren, andererseits gibt es
aber auch gesellschaftliche und demographische Indikatoren. Diese
Arbeit koennen nur die Soziologen machen, und die "Wissenschaften"
- "Wissenschaft" in Anfuehrungszeichen - die Oekonomie, aber auch
die Soziologie, sind heute zu maechtigen Waffen geworden. Was der
Marxismus ueber die Religion sagte, muss man heute ueber gewisse
"Wissenschaften" sagen. Es heisst nicht mehr "Gott ist mit uns",
es heisst, "die Wissenschaft ist mit uns".
FRAGE: Die Soziologie waere dabei ein Gegengewicht zur Oekonomie?
Traditionellerweise ist es doch die Politik, die ein solches
Gegengewicht herstellen muesste.
Aber Sie haben ja unseren Appell gelesen: Es gibt ein
vollstaendiges Versagen der Politiker. Die Politiker der Linken in
Frankreich und in Deutschland - ueber Blair reden wir gar nicht
erst - haben die kritischen Positionen vollstaendig aufgegeben.
FRAGE: Machen Sie keinen Unterschied zwischen den Sozialisten
Frankreichs und den Sozialdemokraten in Deutschland?
Ich wuerde sagen, es gibt einen Unterschied in dem Sinne, dasz die
Rhetorik bei den Franzosen sozialistischer ist. Das ist aber schon
alles. Man sagt: "Ah, Frankreich!", und haelt die franzoesischen
Sozialisten immer noch fuer etwas ganz besonderes. Absurderweise
wird dabei die soziale Bewegung in Frankreich, die gegen die
franzoesischen Sozialisten ist, von den sozialen Bewegungen des
Auslandes fuer einen Teil des franzoesischen Sozialismus gehalten.
FRAGE: Sind die Sozialisten gegen ihren Appell? Haben sie Stellung
genommen?
Sicher gibt es Leute in der Partei, die mit uns einverstanden
sind. Aber insgesamt stoert der Appell die franzoesischen
Sozialisten sehr, jedenfalls jene, die nur eine Sache im Kopf
haben: dass Lionel Jospin Praesident der Republik wird. Ihnen ist
der Appell peinlich. Den Kommunisten ist er vielleicht noch
peinlicher, denn sie neigen traditionellerweise dazu, sich selber
fuer die einzige soziale Bewegung zu halten.
FRAGE: Noch einmal zur Basis dieser Bewegung: Die eigentlichen
Opfer des Neoliberalismus werden von dieser Bewegung doch noch
nicht erfasst?
Nicht direkt, nein. Ich glaube, jene Leute werden mobilisiert auf
dem Umweg ueber die andern. Historisch ist das vielleicht ganz
aehnlich wie bei den grossen religioesen Bewegungen. Diese wurden
zwar von verarmten Bauern gemacht, aber die Bauern wurden
angefuehrt von abgesprungenen Ordenspriestern. So aehnlich koenntedie soziale Struktur der neuen
Bewegung sein: die Kombination
einer proletarisierten Intelligenz - kultiviert, kritisch,
enttaeuscht, politisch gebildet - zusammen mit den Opfern der
Geschichte. Auch eine Arbeitslosenbewegung besteht ja heute nicht
einfach aus Arbeitslosen; sie wuerde gar nicht vorwaertskommen mit
Arbeitslosen allein. Es braucht andere Leute, welche die
Interessen der Arbeitslosen aufnehmen, sich ihrer annehmen, sie
organisieren und mobilisieren. Zu anderen Zeiten waren solche
Leute in anderen Bewegungen, zum Beispiel in der Kommunistischen
Partei. Der Konkurs der kommunistischen Bewegung hat hier auch
politische Energien freigesetzt, die vorher eingefroren und
erstarrt waren.
Der Sinn unseres Appells ist es ja, ein Forum zu kreieren, wo die
Leute Projekte vorstellen und sich ausdruecken koennen. Wir werden
versuchen, eine Tagung in Athen zu machen; die Griechen sind
bereit, sie zu finanzieren, im Maerz 2001. Daran wird also
gearbeitet, ausserdem arbeiten wir am Projekt einer Charta des
europaeischen Staates. Das ist alles noch nicht sehr praezis, aber
es ist auch nicht schlecht.
"Les Etats G‚n‚raux" ["die Generalstaende"], die muessen wir erst
erfinden; ich hoffe, dass in Athen Texte zur Diskussion gestellt
werden, dass kollektive Arbeiten entstehen. Und nachher muessen
wir um dieses Ereignis eine Art Mythologie schaffen. Man muss
wissen, dass in Athen etwas passiert ist. Dabei wird die Rolle der
Journalisten zentral sein. Wenn die Journalisten nur schreiben,
das sei wieder so eine Spinnerei von Bourdieu, dann wird uns das
schaden.
FRAGE: In Ihren Buch "La misŠre du monde" haben Sie gezeigt, dass
die Opfer des Neoliberalismus sehr verschiedene Menschen sind und
dass sie sehr unterschiedliche Interessen verfolgen. Jetzt wollen
Sie eine Bewegung ins Leben rufen, die sich auf universelle Werte
beruft: Im Widerstand gegen den Neoliberalismus. Wie bringen Sie
das zusammen?
Das ist der grosse Widerspruch. Doch wir sind gezwungen, diesen
Widerspruch zu loesen. Wenn wir nichts machen, werden die
Rechtsextremen an Zulauf gewinnen. Die Abwesenheit einer Bewegung,
die dem Leben einen Sinn gibt, beguenstigt den Aufstieg von
faschistoiden Bewegungen. Meiner Meinung nach gehoert es zu den
Funktionen dieser sozialen Bewegung, Le Pen und seine Anhaenger zu
bekaempfen - es ist nicht ihre Hauptfunktion, aber es ist eine
sehr wichtige Nebenfunktion. 1995, als es in Frankreich zur
grossen Streikbewegung kam, war ploetzlich keine Rede mehr von Le
Pen. Auch Leute, die anfaellig gewesen waeren fuer rassistisches
Gedankengut, schlossen sich dieser Streikbewegung an. Es ist wahr,
dass die Folgen des Neoliberalismus dramatisch sind: Er atomisiert
die Leute, er bringt sie auseinander, er zerstoert die Gruppen,
die Kollektive, die kollektiven Verteidigungstrukturen und laesst
die Leute isoliert zurueck, mit antagonistischen Interessen, mit
gegensaetzlichen Hoffnungen. All das beguenstigt die Entwicklung
faschistoider Bewegungen. Eine der Funktionen einer neuen Bewegung
ist es nun, diesen Leuten zu sagen, dass all dies kein Zufall ist,
dass es auch nicht die Schuld der Auslaender ist, sondern das
Produkt einer Wirtschaftspolitik - einer Politik, die auch anders
sein koennte. Gerade am Beispiel der politischen Haltung
gegenueber den Immigranten sehen wir ja die Scheinheiligkeit derfranzoesischen Sozialisten: Ihre
Politik gegenueber den illegal
Eingereisten war aeusserst hart, und auf die Demonstrationen in
den Vororten antworteten sie mit schaerfster Repression. Heute
fuehren sie ueberall in den Schulen strenge auslaenderpolizeiliche
Kontrollen durch, aber fuer die Integration der Leute haben sie
ueberhaupt nichts getan.
FRAGE: Was fuer Konsequenzen hatte der Erfolg des Buches in
Frankreich?
Das ist schwierig zu sagen. Ich denke, es hatte sicher einen
grossen Einfluss. Alle Politiker haben es gelesen, Leute aus der
Rechten, sogar Jacques Chirac hat mir geschrieben, es war
erstaunlich. Viele Politiker waren betroffen, weil kein
anstaendiger Mann dieses Buch lesen kann, ohne davon betroffen zu
sein. Ich bekam auch viele Reaktionen von Intellektuellen, von
Schriftstellern. Doch leider glaube ich nicht, dass es wirklich
politische Konsequenzen nach sich gezogen hat.
FRAGE: Kommen wir auf die Rolle der Gewerkschaften zurueck. Sie
haben geschrieben: "Der europaeische Syndikalismus muss erst
erfunden werden."
Oft wird uns in Zusammenhang mit diesem Projekt vorgeworfen, dass
es das alles schon gibt: Es gibt ein europaeisches Parlament, es
gibt eine europaeische Foederation der Gewerkschaften. Ich sage
aber: Nichts ist schon gemacht! Der Europaeische Gewerkschaftsbund
ist eine reine Lobby; es gibt keine wirkliche europaeische
Gewerkschaftsbewegung. Wenn wir einen europaeischen Syndikalismus
wollen, muessen wir Druck aufbauen, um die Gewerkschaften zu einer
Veraenderung zu zwingen. Dazu brauchen wir Verbuendete in den
Gewerkschaften selber. Zum Beispiel gibt es in der deutschen IG
Metall sehr einflussreiche Leute, die mit uns sind - in der IG
Medien ebenfalls, was kein Zufall ist, weil sich dort die
Intellektuellen befinden. Sehr wichtig sind auch die
Gewerkschaften der kleinen Laender. Die Griechen spielen eine
zentrale Rolle, weil sie ein kleines Land vertreten und sich
vielleicht mit den Portugiesen zusammenschliessen koennten. Auch
die Daenen sind wichtig, und die Schweiz koennte eine interessante
Rolle spielen.
FRAGE: Was wird fuer Sie die naechste Etappe sein, nachdem sie am
1. Mai die Charta lanciert haben?
Die naechste Etappe werden transnationale Arbeitstreffen sein, in
Belgien, in Oesterreich, in anderen Laendern, um spezifische
Punkte der Charta weiter zu entwickeln und um das grosse Treffen
naechstes Jahr in Athen vorzubereiten. Dort sollen dann die
Arbeiten der verschiedenen Gruppen diskutiert werden. Natuerlich
sind auch Publikationen geplant. Wir haben unsere Buecherreihe
"Raisons d'agir": Die Texte liegen ganz frisch in deutscher
Uebersetzung vor, jetzt sollen sie auch in Englisch erscheinen. Es
sind aber auch Interventionen und Stellungnahmen zu bestimmten
Problemen vorgesehen: Zum Beispiel findet im Herbst in Nizza ein
Treffen statt, wenn Frankreich die Praesidentschaft Europas
uebernimmt. Voraussichtlich werden wir uns dort einmischen.
***
Dieses Interview ist in voller Laenge unter
http://www.woz.ch/wozhomepage/bourdieu/intw_19j00.htm nachzulesen
oder auch ueber die Redaktion der akin zu beziehen. Auf der WoZ-
Seite gibt es auch weitere Links sowie eine Moeglichkeit, die
Charta online zu unterzeichnen. Wer dies lieber per Fax oder Brief
tun moechte, sende seine Unterstuetzung mit nachstehendem Formular
an: Zentrum fuer Europaeische Gesellschaftsforschung, Pf. 102238,
D-78462 Konstanz, Fax 0049-7531-914561
Die Site der Buecherreihe "Raisons d'agir" ist:
http://www.zeg.org/raison/
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Fuer die Einberufung von Generalstaenden der sozialen Bewegungen
in Europa:
Charta 2000
Jene soziale Bewegung, wie sie zumindest in Europa waehrend der
letzten Jahre erkennbar wurde, steht vor einer wichtigen
Entscheidung. Will sie eine feste, anerkannte und ernst zu
nehmende Groesse werden, dann ist es unabdingbar, all die
betroffenen Gruppen, zunaechst auf europaeischer Ebene, in einem
noch zu gruendenden Netzwerk zu sammeln und miteinander ins
Gespraech zu bringen, einem Netzwerk, das in der Lage waere, diese
Kraefte zu buendeln, ihre Ziele aufeinander abzustimmen und
schliesslich ein gemeinsames Vorgehen zu erarbeiten:
Gewerkschaften, die Bewegung der Arbeitslosen, Obdachlosen oder
Staatenlosen, Frauengruppen, Homosexuelle, Umweltvereinigungen und
viele andere.
Denn diese Bewegungen haben trotz all ihrer Unterschiede, trotz
der manchmal bestehenden Meinungsverschiedenheiten zumindest eines
gemeinsam: sie verteidigen jene, die heute von der neoliberalen
Politik immer mehr einem ungewissen Schicksal preisgegeben werden,
und greifen gleichzeitig all die gesellschaftlichen Probleme auf,
die diese Politik dabei zurueckgelassen hat. Es sind dies
Probleme, die auch und gerade von den sozialdemokratischen
Parteien verharmlost oder verdraengt werden, von
sozialdemokratischen Regierungen, die sich gegenwaertig vor allem
darum bemuehen, die bestehende Wirtschaftsordnung zu verwalten,
und sich hinter einem letzten Rest staatlicher Handlungsfreiheit
verschanzen und sich dabei immer bedenkenloser mit den wachsenden
gesellschaftlichen Ungleichheiten, mit allgemeiner
Arbeitslosigkeit und der Prekarisierung ganzer
Bevoelkerungsgruppen abgefunden haben. Gerade deshalb brauchen wir
eine wirkliche kritische Gegenmacht, die imstande ist, diese
Probleme immer wieder auf die politische Tagesordnung zu setzen,
durch neue, insbesondere symbolische Formen des Handelns, um immer
wieder, wie es auch in Seattle geschehen ist, die grundlegendstenWuensche der Buerger zum Ausdruck
zu bringen.
Diese kritische Gegenmacht gegen die internationalen Maechte des
Marktes muss selbst international sein, und die Europaeer koennen
hier einen Anfang machen. Weil es diese Bewegung mit konservativen
und restaurativen Kraeften zu tun hat, Kraeften, die sich
insbesondere mit ihren Versuchen eines Abbaus, wenn nicht gar der
letztendlichen Zerstoerung des "Wohlfahrtsstaates" auf eine
Wiederherstellung der Vergangenheit richten, muss sie eine
maechtige Bewegung sein, die erst dann, wie die sozialen
Bewegungen des neunzehnten Jahrhunderts, Staaten und Regierungen
draengen koennte und muesste, wirksame Massnahmen fuer eine
Kontrolle der Finanzmaerkte zu ergreifen und eine gerechtere
Verteilung des Reichtums der Nationen, in ihnen und zwischen ihnen
durchzusetzen.
Deshalb schlagen wir vor, bis Ende des Jahres 2000 Generalstaende
der sozialen Bewegungen in Europa einzuberufen, mit dem Ziel, eine
gemeinsame Charta auszuarbeiten und Grundlagen fuer eine
internationale Struktur zu schaffen, die alle moeglichen
organisatorischen und intellektuellen Formen des Widerstandes
gegen die neoliberale Politik buendelt, gleichzeitig aber ihre
Unabhaengigkeit gegenueber den Parteien und Regierungen,
insbesondere gegenueber den Regierungsparteien, bewahrt.
Diese Treffen muessten zunaechst einen offenen Austausch ueber
unterschiedliche Vorstellungen und Ziele gesellschaftlicher
Veraenderung ermoeglichen koennen, die sich alle den gegenwaertig
beobachtbaren oekonomischen und sozialen Prozessen
(Flexibilisierung, Prekarisierung, Pauperisierung) entgegenstellen
und die damit einhergehende Politik der "inneren Sicherheit"
bekaempfen, mit der heute fast alle europaeischen Regierungen die
Auswirkungen dieser Prozesse einzudaemmen versuchen. Zweitens
sollen sie Gelegenheit geben, dauerhaftere und festere Beziehungen
zu knuepfen, die eine schnelle Mobilisierung aller beteiligten
Gruppen im Hinblick auf gemeinsame oder aufeinander abgestimmte
Aktionen ermoeglichen, ohne dabei irgendeine Form zentralistischen
Zwangs einzufuehren und ohne den ungeheuren Reichtum zu
zerstoeren, den die einzelnen Gruppen mit ihrer jeweiligen
Eigenart und ihrer unterschiedlichen Geschichte in eine solche
Bewegung einbringen koennten. Drittens schliesslich koennten diese
Treffen gemeinsame Ziele fuer ihre Aktionen auf nationaler und
internationaler Ebene ausarbeiten und abstimmen, die alle auf die
Schaffung einer solidarischeren Gesellschaft gerichtet sind, deren
Grundlage die Anerkennung, Vereinheitlichung und Erweiterung ihrer
sozialen Errungenschaften bilden.
Eine solche Sammlung all jener Kraefte, die in ihrem tagtaeglichen
Kampf gegen die verhaengnisvollsten Auswirkungen der neoliberalen
Politik ein praktisches Wissen um deren zerstoererisches Potenzial
und die kreativen Moeglichkeiten eines dagegen aufgebrachten
Widerstandes erworben haben, koennte auf diese Weise einen
gemeinsamen schoepferischen Prozess in Gang bringen und so den
vielen Menschen, die sich in dieser Welt nicht mehr erkennen, eine
realistische Utopie eroeffnen, in der sich durchaus manchmal
unterschiedliche und eigenstaendige, aber dennoch auf gemeinsame
Ziele hinwirkende Bemuehungen im Kampf um ein selbst bestimmtes
Leben wiederfinden und verbinden koennten.
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