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akin-Pressedienst.
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Aussendungszeitpunkt: 24.5.2000; 19:12
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Medien/Manifest:
> Freie Medien! Nutzt sie - ermoeglicht sie!
Aufruf der Medienkonferenz* an und fuer Oeffentlichkeit.
Die Freiheit des Medienmarktes ist die Freiheit zur einfaeltigen Vielfalt, zur 
Ausdifferenzierung des Konsum- und Abstimmungsverhaltens, auf das ein- und zu 
dem abgestimmt werden soll. Keine Zielgruppe, der sich gemeinsame 
Konsumneigungen anhaengen lassen, soll ohne ihr eigenes Lifestyle-, Freizeit- 
oder Branchenorgan leben muessen. Keine noch so einfaeltige Aeuszerung eines 
talking head aus Politik, Wirtschaft oder Kultur soll ohne Vervielfaeltigung 
bleiben. Unspektakulaeres gesellschaftliches Denken und Handeln, gar kritisches, 
das seinen Sinn und seine Aufgaben ab- und jenseits der Vermarktung sucht,  musz 
indes schon jetzt weitenteils ohne Oeffentlichkeit leben - das bedeutet: auf 
kurz oder lang verschwinden.
Der Medienmarkt produziert massenhaft Meinung - aber produziert er auch nur 
einen Gedanken? Der Medienmarkt kolportiert massenhaft Mitteilungen - aber 
stellt er uns auch nur eine Nachricht zur Verfuegung? Die Medien treiben heute 
als gespenstische Wiedergaenger dessen, was man einst als "vierte Gewalt im 
Staat" zu bezeichnen beliebte, ihr zombiehaftes Unwesen, das sich in der 
immerfort in sich selbst zuruecklaufenden, mehr oder weniger unterhaltsamen, 
symbolischen Ausdifferenzierung dessen, was ist, erschoepft, das jeden 
gesellschaftlichen Sinn negiert, jeden begrifflichen Realitaetsbezug hinter sich 
laeszt und jeden gedanklichen Zusammenhang vernichtet.
Es geht heute nicht mehr um die Sicherung, die Hege, Pflege und besorgte 
Beobachtung dessen, was in einigen Marktmedien gerade noch moeglich ist, es geht 
um die Herstellung und Foerderung all dessen, was in diesen nie moeglich war und 
nie moeglich sein wird, weil sie dafuer nicht gemacht sind. Es geht darum, uns 
die Medien-Freiheit zu nehmen, die wir wollen und brauchen:
 Freie Medien sind gegenueber dem Markt genauso ignorant, wie Marktmedien 
gegenueber der Oeffentlichkeit. Freie Medien wollen Oeffentlichkeiten herstellen 
und sich in Oeffentlichkeiten bewaehren - unwillkuerlich stellen sie dabei auch 
kleine Maerkte her und weil sie geschickt sein muessen, wissen sie das werblich 
zu nuetzen. Marktmedien wollen Maerkte herstellen und sich auf Maerkten 
bewaehren - dabei stellen sie auch noch ein Image von Oeffentlichkeit her und 
wissen das werblich zu nuetzen.
 Freie Medien fordern ihre LeserInnen, HoererInen, UserInnen heraus, sie 
verlangen und bekommen ihre Aufmerksamkeit, ihre Teilnahme und ihren 
Widerspruch. Marktmedien reizen ihre KonsumentInnen, bis sie gekauft sind - dann 
haben sie ihre Funktion am LeserInnen- und Anzeigenmarkt erfuellt und werden, so 
sie von Pappe sind, dem Rohstoffmarkt zugefuehrt.
 Freie Medien wollen nicht Zielgruppen anvisieren, sondern LeserInnen, 
HoererInnen, UserInnen zu Diskussionen anregen, die ihre eigenen sind, und ihnen 
die dafuer noetige Information zur Verfuegung stellen.
 Freie Medien wollen nicht Meinung machen, sondern kritisches vor-, mit- und 
nachdenken ermoeglichen und demgemaeszes gesellschaftliches Handeln anregen.
 Freie Medien muessen nicht hauptsaechlich Politik repraesentieren oder 
beraten, sondern kritisieren. Wenn Politik aus der Kritik lernen und sie in 
positive Reformkonzepte integrieren kann, ist das zwar mit der groeszten 
Selbverstaendlichkeit auch wieder zu kritiseren, im uebrigen aber ein 
erwuenschter Effekt.
 Freie Medien sind derweil am erfolgreichsten, wenn sie sich auf die 
konstruktiven Aspekte kapitalistischen Fortschritts beziehen: Aufklaerung, 
sozialer, demokratischer, menschenrechtlicher, kultureller, oekologischer 
Fortschritt. Marktmedien sind allweil am erfolgreichsten, wenn sie konstruktive 
wie destruktive Aspekte kapitalistischen Fortschritts zur Unkenntlichkeit 
belangloser Mitteilungen und begriffsloser Meinungen zerhaeckseln - und damit, 
ohne freilich eine Idee davon haben zu koennen, zu den destruktiven Aspekten 
gehoeren.
 Freie Medien haben eine Aufgabe, Marktmedien haben eine Auflage.
Schwach sinniger Weise erhalten hierzulande seit jeher jene Medien, die eine 
Auflage haben, Beachtung und Foerderung; jene, die eine Aufgabe haben, hingegen 
nicht.  Man musz also auch ueber die Ignoranz derer reden, deren Bedarf an 
taeglich allem durch einige Seiten rosa Papiers offenbar leichtlich zu decken 
ist, die ihre Meinungen durch etwas woechentliche Profilierung fuer ausreichend 
faηonniert halten und die sich unter Kritik kaum noch etwas anderes vorstellen 
koennen, als jemanden einen Dolm zu heiszen. Sie erbauen sich an 
Meinungshaeppchen (Typ: "Gut/Boese", Begruendung: duerftig bis fehlend), sie 
verlieren sich in Mitteilungsfetzen (Typ: "In/Out", Relevanz: vage bis nicht 
feststellbar) und waehnen sich dabei den anderen taeglichen Alleslesern 
ueberlegen. Sie beklagen sich gelegentlich darueber, dasz die "herrschenden 
Medien" die "herrschende Meinung  wiedergeben und wollen dort ihre eigene - 
nicht herrschende - Meinung gedruckt und gesendet sehen. Sie begreifen nicht, 
dasz in diesen Medien nur gedruckt und gesendet werden kann, was der Herrschaft 
des Meinungshaften nicht zuwiderlaeuft. Innerhalb des Genres "Meinung" wird die 
im uebrigen gerade "herrschende" in der Regel die auflagenmaximierende, also 
bevorzugte sein.
Wie weit und wie lange ist die Tendenz zu groesztmoeglicher Zerstreuung fuer die 
groesztmoegliche Zahl ertraeglich? Wie zerstreut muessen wie viele sein, bis sie 
an dieser Gesellschaft zerbroeseln oder diese Gesellschaft an sich und ihnen 
zerbroeselt? Oder werden sich welche wo und wie wieder sammeln?
Sammelpunkte gibt es schon. Unsere Freie Medien sind, wie sie gegenwaertig sind, 
auch unzulaenglich - das wissen wir. Wir brauchen weniger Gruppenbindung und 
mehr Diskussion, wir brauchen die qualifizierte, inhaltliche "Vernetzung" 
bestehender Teiloeffentlichkeiten, wir brauchen die Entwicklung unserer eigenen 
Aktualitaet und unserer schnellen Informationskanaele, um nicht bei jedem 
Anlaszfall der aufgenoetigten, spektakulaeren Aktualitaet ausgeliefert zu sein. 
Wir brauchen Verallgemeinerung.
ProduzentInnen: Kuemmert Euch darum, womoeglich intensiver, besser, geschickter 
als bisher schon!
LeserInnen, HoererInnen, UserInnen: Oeffentlichkeiten, womoeglich bessere und 
groeszere als bisher schon, koennen wir nur gemeinsam bilden und entwickeln. 
Ueber nennenswerte Werbebudgets verfuegen wir nicht. Wir koennen nicht viel tun, 
um Euch zu suchen - wir muessen uns von Euch finden lassen. Findet uns! Mehret 
Euch! Abonniert, was Euch interessiert! Spendet, so ihr koennt! Weist anderen 
den Weg zu den Freien Medien!, die sie interessieren koennten!
Es gibt keine Gedanken- und Informationsfreiheit, es sei denn, sie zu ergreifen!
*) Die Medienkonferenz wird gebildet von:
 Verband Freier Radios Oesterreich (VFROe)
 Vereinigung alternativer Zeitungen und Zeitschriften (VAZ)
 kosortium.netz.kultur
 IG Kultur Oesterreich
... + ggf. Weiterfuehrendes, wie fuer den 17. Juni in Aussicht genommen
unter Beteiligung von:
 Kulturplattform Oberoesterreich (KUPF)
... + ggf. weitere nicht-bundesweite Organisationen/InitiativenXXXXXX
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