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Aussendungszeitpunkt: 16.5.2000; 22:00
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BRD/Wahlen/Kommentar:
> Linke ging baden
Bei den Landtagswahlen von vergangenen Sonntag in Nordrhein -
Westfalen, dem mit rund 18 Millionen Einwohnern bevoelkerungsreichsten
Land der BRD, muszte die Linke kraeftig einstecken. Die
Wahlbeteiligung fiel von mageren 64 Prozent 1995 auf nur noch 56
Prozent, schon US-amerikanische Werte. Die SPD sackte von 46 auf 42,8
Prozent, Buendnis 90/Die Gruenen von 10 auf 7,1 Prozent, und das
sicher zu Recht. Der PDS gelang es nicht, als linke, soziale
Alternative zu ueberzeugen. Mit 1,1 Prozent wurde sie stimmengeich mit
den Republikanern weit abgeschlagen und das, obwohl sie in einigen
Staedten in den Kommunalparlamenten Fusz gefasst hat. Eine Arabeske am
Rande: in einigen Staedten des Ruhrgebietes trat die DKP als
konkurrierende Wahlwerberin auf, was zwar das Wahlergebnis allenfalls
in Nullkommabereich beeinfluszt hat, aber immerhin.
Die CDU blieb mit 37 gegenueber 37,7 auf niedrigem Niveau stabil. Dies
hat sie vor allem der laendlichen Bevoelkerung in Westfalen und der
Eifel zu verdanken, die nach dem Gottesdienst im Gaensemarsch zu den
Wahlkabinen trottet und ihrer "christlichen Wahlpflicht" unter den
Augen der Nachbarn genuege tut. Eine beliebte Scherzfrage in
Nordrhein-Westfalen: Was ist der Superlativ von Schwarz? Antwort:
Schwarz, Muenster, Paderborn. Jedenfalls duerfte der CDU ihr bei der
FPOe angelehnter rechtspopulistischer Wahlkampf, Slogan: "Kinder statt
Inder" nicht wesentlich genutzt, aber auch nicht wesentlich geschadet
haben. Wirklich ernst gemeint war dieser auf rassistische
Ressentiments abzielende Wahlkampfgag wohl ohnehin nicht. Inzwischen
hat die Bundes-CDU duchaus Geschmack an der "Green Card"-Idee -- unter
strenger Wahrug der Interessen der Industrie -- gefunden.
Wahlgewinner ist eindeutig die FDP, die bei den 95er Wahlen mit vier
Prozent aus dem Landtag geflogen war, und bei den jetzigen Wahlen 9,8
Prozent einfahren konnte. Programmatisch hat die FDP auszer
verwaschenem Neoliberalismus wenig zu bieten. Aber das mutet auch
schon US-amerikanisch an; ein wesentlicher Faktor fuer den Erfolg der
FDP an Rhein und Ruhr ist ihr Landesvorsitzender Juergen W.
Moellemann, ein schon ein wenig abgestandener Politclown. Dazu stellt
Stephan Hebel in der "Frankfurter Rundschau" die Frage: "Dass eine
Partei, deren einzig nennenswerter Protagonist sich vorrangig durch
PR-Spaeszchen und die Faehigkeit der Bedienug eines Fallschirms
auszeichnet [Anm. Moellemann ist zu Wahlkampfveranstungen per
Fallschirm abgesprungen], ihren Stimmenanteil mehr als verdoppelt --
das wirft wieder einmal die Frage auf, wie weit Politik in der
Mediengesellschaft hinter der "Verkaufe" zu verschwinden droht.
Die Buendnisgruenen befinden sich in einer eher miszlichen Lage, die
sie sich weitgehend selbst zuzuschreiben haben. Waehrend
Ministerpraesiden Wolfgang Clement -- der dem Schroeder- Blair-Fluegel
der SPD zuzurechnen ist -- mit Koalitions-Optionen spielen kann, sind
die Buendnisgruenen voll auf eine Koalition mit der SPD festgelegt und
nur schwer in der Lage, eine wirkungsvolle Oppositionsrolle spielen zu
koennen. Sie haben bei ihrem Parteitag, der die Wahlkandidaten gekuert
hat, nur Kandidaten des Fischerfluegels aufgestellt. Konsequenterweise
haben WaehlerInnen, denen klassische gruene Werte wie Nachhaltigkeit,
Pazifismus etc. Anliegen sind, keinen Grund mehr gesehen diese Partei
zu waehlen. Dabei gibt es am Niederrhein genug Probleme, wo gruene
Politik ansetzen koennte. Etwa das Projekt des Braunkohletagebaus im
Raum Hambach -- zwischen Koeln, Aachen und der niederlaendischen
Grenze. Einem Raum, der weitgehend landwirtschaftlich genutzt wird und
noch recht urspruenglichen Wald besitzt. Dies soll alles dem
Braunkohleabbau weichen und am Ende ein Baggersee von mehr als 80
Quadratkilometer uebrigbleiben -- das entspricht etwa der Groesze des
Bodensees. Hier haben die Gruenen zwar lauthals gemosert, aber sich
doch von der SPD ueber den Tisch ziehen lassen und den Bruch der
Koalition nicht riskiert. Die Beispiele lieszen sich fortsetzen.
Folglich wird Clement versuchen, den kleiner gewordenen Partner am
Nasenring eines laengerfristig moeglichen Wechsels zur FDP durch den
Landtag zu fuehren. Dies bedeutet unabhaengig von Konstellationen eine
Politik in Richtung neoliberaler Umgestaltung, die nicht ohne
Auswirkungen auf Berlin und darueber hinaus bleiben duerfte.
Wahlen zwischen neoliberal und neoliberal sind in der Tat kaum
attraktiv. Einzig moegliche Alternative waere noch die PDS gewesen.
Aber die Richtungsstreitigkeiten, etwa um den Einsatz der Bundeswehr
bei NATO-Einsaetzen wirkten auch nicht gerade ueberzeugend. Zumal die
Umfaller der Buendnisgruenen nur zu lebhaft in Erinnerung sind. So
zogen die Menschen es vor, das schoene Wetter zu nutzen und gingen
baden. Auch die Politiker, die linken zumal, gingen baden -- zumindest
in uebertragenen Sinne. *W.W.*
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