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Aussendungszeitpunkt: 9.5.2000; 17:10
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Freunde & Helfer:

> Hilfe! Polizei!

Ueber eine Veranstaltung zum Thema
Polizeigewalt und den beiden umseitigen Protestbriefen

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Zwei Monate ist es nun her, dasz drei Personen beim sogenannten
"Antifaschistischen Karneval" von einer vorher der Oeffentlichkeit
nicht bekannten Polizeieinheit (SEK) verhaftet wurden. Darueber
und ueber die Situation der Inhaftierten der sogenannten
"Operation Spring" informierten Betroffene und Soli-Gruppen
letzte Woche im Lokal der "Bewegung fuer Soziale Befreiung" im
15.Bezirk.

Ueber die Festnahmen beim Opernball war insofern Neues zu
erfahren, dasz die Festnahmen und die verhaengte U-Haft nicht nur
wegen der behaupteten Strafvorwuerfe bei der heurigen Demo
erfolgten. Das erweist sich fuer die Festgenommenen dadurch, dasz
die Aktenzahlen von 1995 stammen - das Jahr von Ebergassing, der
Anklage gegen den RBH wegen Mordaufruf etc... Die Akte der beiden
festgenommenen Maenner sind derzeit beim OLG, die Anklageschriften
und die Verhandlungstermine noch offen. Eva hat heute, am 9.5.,
die Verhandlung.

Die Gruppe "Prison Watch" offerierte eine gebuendelte
Zusammenfassung von teils bekannten rassistischen Uebergriffe. Die
Polizei- und Gendarmerieuebergriffe nahmen nachweislich in den
letzten Jahren zu: Am 17.1.99 gab es die Razzia in Traiskirchen.
Am 1.5. starb Omofuma, und am 27.5. war die 1. Operation Spring
mit Razzien in Wien, Graz und Linz, wobei 400 Menschen verhaftet
wurden. Dem ging ein Lauschangriff der SfO (Sondereinheit fuer
Observation mit 28 Beschaeftigten voraus. 7143 Personen und 6507
Tel-Nummern wurden erfaszt, 30.000 Gespraeche abgehoert. Mit der
zweiten Operation Spring vier Tage vor der NR-Wahl wurden 40
Afrikaner in einem Gesellenheim festgenommen.

Um das Erwachsenen-Strafrecht anzuwenden, werden zur Feststellung
des Alters Handwurzel- und Knochentests verwendet, wobei dies bei
Prozessen als Beweis gelte. Festgenommene Junkies sollen nach
Angaben eines Teilnehmers der Veranstaltung gezwungen worden sein,
irgendwelche Afrikaner als Dealer auf Fotos wiederzuerkennen, was
eine Strafminderung mit sich braechte.

Die Pflichtverteidiger wuerden sehr lahm und unwillig reagieren,
so Prison Watch, manche seien rassistisch, es wuerden
vollstaendige Uebersetzungen fehlen. Das Ziel sei eine generelle
Schuldzugabe, wobei unter Versprechen der Strafminderung eine
Zusammenarbeit mit der Polizei herbeigefuehrt wird. Afrikaner
wuerden im Knast mit Besuchsverbot rechnen koennen, dasz ihnen die
Kleidung vorenthalten werde, manche wuerden Monate in U-Haft ohne
Anklage sitzen. Sie seien einem verschaerftem Rassismus der
uebrigen Insassen und des Personals ausgesetzt. Es gebe
Sprachbarrieren und die Weigerung der Polizei, Englisch zuverstehen,
auch das Essen sei fuer Afrikaner schlechter.

*

Der letzte Todesfall im Jugendgefaengnis Ruedengasse in der Nacht
vom 2. auf 3.5. lasse laut Prison Watch Mord vermuten. Der
26jaehrige Richard Ibekwe war um 3h frueh tot aufgefunden worden,
laut Polizei wegen verschluckter Rauschgiftkugeln, was ein Arzt in
Abrede gestellt haette. Aus diesem Grund gibt es am Samstag,
13.5., zu den geplanten Demos: Erstens wegen tuerkischer
Gefaengnisse um 14:30 auf der Kettenbrueckengasse und zweitens
wegen Mumaia Abu-Jamal um 15:00 vor dem Virgin-Mega-Store in der
Mariahilfer Strasze diesen dritten Demogrund: Rassistische
polizeiliche Willkuer und speziell der ungeklaerte Todesfall des
26jaehrigen Afrikaners. Also Treffpunkt der Demo um 14:30 Uhr auf
der Kettenbrueckengasse, dann weiter bis zum Virgin-Mega-Store,
und von dort sollen beide Demos zum Landesgericht und weiter zur
US-Botschaft gehen.

*

Die erste der beiden umseitigen Protesterklaerung der
"Gesellschaft fuer Menschenrechte von Marginalisierten und
ImmigrantInnen" (GEMMI) wegen des Todes von Richard Ibekwe ist
bitte direkt an die angefuehrten Adressaten zu faxen.

Die zweite, generelle Protesterklaerung gegen Polizeigewalt
solltet Ihr unterschrieben wieder an die akin retourschicken,
wofuer ca. 3 Wochen Zeit ist - danach leiten wir sie weiter. Von
den VeranstalterInnen soll es in ein paar Wochen nach Vorliegen
saemtlicher Protesterklaerungen eine Pressekonferenz geben.

*Fritz Pletzl*



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An: Herrn Innenminister STRASSER; fax 351 26 25 80

Herrn Justizminister BOeHMDORFER; fax 521 52 27 27

JUSTIZPALAST; fax 521 52 36 90

JUSTIZANSTALT JOSEFSTADT; fax 402 59 04



In der Nacht vom 3. auf 4. Mai 2000 kam der 26 jaehrige Richard Ibekwe
in der Justizanstalt fuer Jugendliche Ruedengasse zu Tode - einige
Tage, nachdem er verhaftet und misshandelt wurde. Er verbrachte die
Nacht auf einem Sessel sitzend (freiwillig????). Bis jetzt gibt es
keine konkreten Informationen ueber die Umstaende seines Todes. Laut
Polizeiangaben ist er an Suchtgiftmissbrauch gestorben, was der
rassistischen Vorverurteilung und Hetze gegen Marcus Omofuma gleicht.

Wir verlangen sofortige Aufklaerung des mysterioesen Todes in
Staatsgewalt und die Beantwortung folgender Fragen:

+ wie ist es moeglich, dass jemand vier Tage nach seiner Festnahme
noch am Suchtgift im Koerper stirbt?

+ wieso befand Richard Ibekwe sich in der Justizanstalt fuer
Jugendliche?

+ wieso musste er die Nacht sitzend verbringen?

+ warum wurde er keinem Arzt vorgefuehrt, obwohl es in den
Justizanstalten 24 Stunden am Tag einen Bereitschaftsdienst gibt?

+ wieso wird der Tod eines Menschen in Kauf genommen, um
Misshandlungen zu vertuschen?

Offensichtlich wird in Oesterreich unter dem Vorwand des Drogenhandels
Lynchjustiz gegen afrikanische MitbuergerIinnen gutgeheissen und
gedeckt.



Wir fordern strafrechtliche Konsequenzen fuer die verantwortlichen
Beamten.

Wir fordern den Ruecktritt des Innen- und des Justizministers.

Schluss mit den Ueberfaellen auf Wohnungen von AfrikanerInnen und auf
Asyl- und Fluechtlingsheime.

Schluss mit dem rassistischen Polizeiterror und der Apartheid-Justiz.




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PROTESTERKLAeRUNG
Die UnterzeichnerInnen verurteilen die Verhaftung von Eva, Hermann und
Werner, die im Anschluss an den sogenannten Antifaschistischen
Karneval durch eine Polizeisondereinheit erfolgte und fordern die
sofortige Einstellung der Verfahren.

Dies geschieht aus folgenden Gruenden:

1.)Die Verhaftungen erfolgten durch eine Polizeisondereinheit (SEK).
Die Beamten waren in Zivil und maskiert. Ihr Vorgehen war nicht als
polizeiliche Aktion erkennbar. Offensichtlich handelten sie ohne
Anweisungen durch die Einsatzleitung. Polizeisprecher gaben noch am
naechsten Tag bekannt, dasz keine Verhaftungen erfolgt waren. Gegen
einige beteiligte Beamte laufen ueberdies Untersuchungen wegen
rassistischer Uebergriffe. Dies bedeutet, dasz eine solche Aktion
polizeistaatlichen Methoden entspricht, die Teile der Exekutive,
insbesondere solche, die durch brutales Vorgehen schon Aufsehen erregt
haben, jeder demokratischen Kontrolle entzieht. Dies wird von uns
entschieden abgelehnt.A

2.)Die ermittelnde Staatsanwaeltin Schuhmeister-Schmatral hat bei der
Nationalratswahl fuer die OeVP kandidiert, welche durchaus Interesse
an einer Verurteilung haben koennte. Es ist abzulehnen, dasz gegen
Personen, die auf einer Demonstration gegen die OeVP-FPOe-Regierung
verhaftet wurden, eine Staatsanwaeltin ermittelt, die einer der
Regierungsparteien angehoert. Ihre Bestellung erscheint aeuszerst
befremdlich und laeszt die Vermutung zu, dasz ein politischer Prozesz
gegen unliebsame Personen gefuehrt werden soll.A

3.)Die gegen die drei Personen erhobenen schweren Anschuldigungen
stehen in keinem Verhaeltnis zu den Vorkommnissen auf der
Demonstration, die selbst von der Exekutive als friedlich beschrieben
wurde. Wir vermuten, dasz hier Anschuldigungen konstruiert wurden, um
einzelne Personen einzuschuechternA

4.)Dasselbe gilt auch fuer die lange Dauer der Untersuchungshaft. Wir
betrachten dies als illegitim, da sie mit Tatbegehungsgefahr
begruendet wurde. Im speziellen im Fall Hermanns ist noch zu
festzustellen, dasz ihm lediglich Widerstand gegen die Staatsgewalt
vorgeworfen wird. Dieses Delikt kann nur im Rahmen einer Verhaftung
begangen werden. Tatbegehungsgefahr haette damit zu bedeuten, dasz die
Exekutive vorhaette weitere unbegruendete Verhaftungen
durchzufuehren.A

5.)Eva wurde nur unter der Anweisung wieder auf freien Fusz gesetzt
sich bis zum Prozesz von Demonstrationen fernzuhalten. Dies bedeutet
eine Beschneidung demokratischer Grundrechte und steht damit im
Widerspruch zur oesterreichischen Verfassung.

Unterstuetzungserklaerungen entweder an: akin, Wipplingerstrasze 23,
1010 Wien; Fax: 535 38 56; oder per e-mail an: bsb@magnet.at






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fax: ++43 (0222) 535-38-56
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