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Aussendungszeitpunkt: 14.3.2000; 19:00
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FPOeVP/EU-neu: > Debatten um die Osterweiterung -- geht's anders auch?

Diskussionsmaeszig spielt sich in der Oeffentlichkeit zwischen den
beiden Polen nicht mehr viel ab: Rechte sind gegen die Ost-
Erweiterung, Linke dafuer. Auch wenn die dermaszen eingeengte
"Debatte" noch so witzlos ist, greifen diesmal die ideologischen
Raster besonders effizient - potenziert natuerlich durch die rechte
Koalition und die Sensibilisierung einer gestaerkten Linken in Sachen
aufkeimender Faschismen. Saemtliche Argumente pro und contra sind am
nunmehrigen Stand der Dinge in den beiden Extrempositionen verankert,
was bei positivster Betrachtung lediglich dazu fuehrt, dasz aus
Ersparnisgruenden nicht mehr nachgedacht werden musz.

1993 und 1994 gab es vor der EU-Abstimmung nicht zuletzt aufgrund der
oekonomischen und politischen Analysen der EU-Strukturen und vor allem
des freien Kapitalverkehrs eine breite Ablehnungsfront der Linken
gegen einen Beitritt. Gibt's jetzt nicht. Natuerlich ist die Situation
der beitrittswerbenden "Reformstaaten" eine andere als die
Oesterreichs vor 5 Jahren, als es lediglich um das Ausschoepfen der
Moeglichkeiten des gemeinsamen Marktes ging. Kapitalistische
Strukturen gab's vorher in Oesterreich genauso wie nach dem Beitritt -
dazu gute Gruende fuer die grosze Koalition, politisch nicht mehr
gestalterisch eingreifen zu koennen. Der Beitritt war das Ende
jeglichen politischen Interventionismus in die Oekonomie des Landes.

Als eine der wenigen Chancen, politisch relevante Argumente in
Oesterreich fuer die Ost-Erweiterung vorzubringen, mueszte die Politik
des Intervenierens in die verhaerteten Diskussionen wieder eingebracht
werden. Sag niemals nie. Seit dem EU-Beitritt hat die Union die
Politik entdeckt, und dankenswerterweise hat Oesterreich mit seiner
Regierungsbildung direkt dazu beigetragen, dasz die Bedeutung der
Politik in der Union gestiegen ist. Das impliziert, dasz mit einem
rein oekonomischen EU-Apparat geschlossene Vertraege nunmehr auch
unter einem anderen Licht erscheinen koennen. Damit ist vieles
moeglicher geworden - auch ein von Oesterreich angezettelter
Widerstand gegen EU-Wettbewerbsregeln, verbotene Subventionen und
untersagte protektionistische Masznahmen. Warum nicht? Je nach
bevorstehenden Wahlen wuerde es genug Motive fuer andere EU-Laender
geben, dem oesterreichischen Beispiel zu folgen.

Die angewandten Instrumente eines regionalen Protektionismus und
Interventionen in die oekonomischen Gebarungen der Betriebe koennten
auch breite Bevoelkerungskreise von der Wirksamkeit politischer
Masznahmen ueberzeugen, die diesmal linke sind. Es musz nicht
festgeschrieben sein, dasz die einzige Alternative von Unzufriedenheit
und Angst die FP sein musz. Wenn die Erweiterungsdebatte
ausschlieszlich den Rechten ueberlassen wird, profitiert
naheliegenderweise einfach nur die FP, die massiv den Anti-
Erweiterungs-Pol politisch verkoerpert. Fact ist: Die Wahl zwischen
ideologischer Einrasterung ohne Diskussion mit einer sicher
anzunehmenden Staerkung der politischen Rechten - oder was Neues
probieren.

Was derzeit irreal erscheint, musz es nicht bleiben, da die Situation
in Oesterreich zum Fordern eigentlich ohnehin guenstig ist: So
koennten zum Leben erwachte Gewerkschaften sich ohne weiteres massiv
fuer fixe Mindestloehne in allen Branchen einsetzen, die auf jeden
Fall ueber den bisherigen Kollektivsaetzen liegen. Schutzprogramme
koennten massiv ausgebaut und hohe Strafen bis zum Entzug der
Konzession fuer Firmen eingefuehrt werden, die Lohndumping betreiben
und Personal abbauen, ohne diese Masznahmen durch finanzielle Not
belegen zu koennen. Ja bitte, warum nicht mehr Rechte einfordern, wenn
Menschen arbeiten und davon leben muessen? Ist das so irreal? Wenn
allerdings schon naheliegende Forderungen als unmoeglich erscheinen,
ist die Indoktrinierung durch die Wirtschaftseuphorie doch ziemlich
fortgeschritten. Der unsaegliche Spruch vom "Wirtschaftsstandort" musz
sich auch im Bewusztsein der Menschen wieder zum "Arbeitsstandort"
entwickeln.

Von all den teils diffusen Angstmotiven vor der Erweiterung sind
zweifellos die oekonomischen noch am stichhaltigsten. Die Aengste und
die Unsicherheit von vielen, am Arbeitsmarkt durch Lohndumping mehr
Druck ausgesetzt zu werden, sollten daher nicht so ohne weiteres ins
rechtsextreme Eck abgeschoben werden. Oekonomische Analysen wuerden
klar die Profiteure der Erweiterung darlegen, die sich sicher nicht
innerhalb von Niedriglohnsparten finden werden. Einerseits werden nach
der Erweiterung Produktionen und ganze Maerkte mit ungeheurem Tempo
hochgefahren werden, waehrend man andererseits auf der sozio-
oekonomischen Schiene die Menschen eine aeuszerst brutale Beisz- und
Hackordnung entwickeln lassen wird. Mit dem Argument der kulturellen
und sprachlichen Vielfalt allein werden die Menschen nicht fuer die
Erweiterung begeistert werden koennen - mit einem massiven und
gemeinsam unterstuetzten Forderungskatalog koennte zumindest Akzeptanz
erreicht werden.
*Fritz Pletzl*




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