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RAF/In eigener Sache:

> Kurz, aber nicht gut

Betrifft: Leserbrief wegen Kuerzung des Flugblattes von feministischen
Lesben zum Tod von Horst L. Mayer und zum Prozesz gegen Andrea Klump
(akin 1/00).

*

Wir haben es wichtig gefunden, dasz ihr (leider nur in Teilen) das
Flugblatt und die oeffentliche Erklaerung von Andrea K. abgedruckt
habt. Aber wir haben Kritik, wie ihr das Flugblatt gekuerzt habt.
Ihr habt konsequent alle Absaetze und Einzelsaetze herausgekuerzt,
die eine Auseinandersetzung mit bewaffnetem Widerstand betreffen:

+ die Beschreibung, aus welchem Zusammenhang die RAF entstand und
worauf sie sich bezog;

+ die Feststellung, dasz sich alle Menschen, Gruppen und
Bewegungen, die sich gegen Gewalt, Unterdrueckung und Ausbeutung
organisieren, sich mit Moeglichkeiten und Widerspruechen von
militanten Aktionen und bewaffnetem Kampf auseinandersetzen
muessen;

+ dasz staatliche Repression bewaffneten Widerstand auch damit
zerschlagen will, indem sie eine (auch kritische) oeffentliche
Auseinandersetzung kriminalisiert;

+ dasz die Ausgrenzung und Zerschlagung von militantem Widerstand
alle betrifft, die fuer Veraenderungen kaempfen

+ und - dasz wir den Zusammenhang von Basisarbeit in politischen
Projekten und Strukturen, von oeffentlichen Protesten und
Widerstand und von militanter Praxis sehen muessen.

Die Benennung hat nichts mit einer praktischen Unterstuetzung von
militanten Gruppen oder bewaffnetem Widerstand zu tun, sondern mit
Solidaritaet innerhalb einer breiten, vielfaeltigen
Widerstandsbewegung und einer gemeinsamen Diskussion ueber Ziele
und Wege. Das brauchen wir gerade wieder mehr denn je.

Feministische Gruesze, *Zora Roth*


***

> Antwort eines Redakteurs

Ein linkes Diskussionsblatt wie die akin wird aus naheliegenden
Gruenden auch fast nur von Linken gelesen, denen - wie ich glaube
- die Entstehungsgeschichte, die Entwicklung und der Untergang der
RAF nicht naeher erlaeutert werden musz. Natuerlich sind die
militanten Strategien linker Gruppierungen in Westeuropa der 70er
und 80er Jahre markante Entwicklungsschritte der linken
idealistischen Ideengeschichte, die aus den politischen Diskursen
nicht mehr ohne weiteres zu absorbieren sind, wenn ueber
Widerstandsformen -- welcher Art auch immer -- diskutiert wird.

Idealistisch meine ich hier in dem Zusammenhang, dasz schon
mythisch verwendete Kampfbegriffe -- der Primat des Angriffs und
des militanten Widerstands -- sich mit Vorliebe vor die politische
Analyse und die moeglichst reale Einschaetzung der sozio-
oekonomischen Zustaende schieben. Selbstredend steht es mir nicht
zu, von der Warte eines Nicht-Militanten diejenigen mit Kritik zu
ueberschuetten, die sowieso schon in irgendwelchen Gefaengnissen
sitzen, da ihnen der bewaffnete Kampf die einzige Moeglichkeit und
Idealvorstellung linken Widerstandsgeistes zu sein schien. Dasz
sich aus der Entwicklung des bewaffneten Kampfes in Westeuropa
genuegend Argumente finden, andere davor zu bewahren, einen
Groszteil ihres Lebens im Haefen zu verbringen, scheint mir aber
doch erwaehnenswert.

In den fruehen 70er Jahren schien der RAF als einzige
Strategieform die der Stadtguerilla moeglich, da sie die durchaus
nicht revolutionaere Situation und die fehlende Unterstuetzung der
Bevoelkerung richtig einschaetzte. Endstationen der Attentate auf
die Systemspitzen waren Stammheim, Stadelheim und dergleichen
Knaeste mehr. Wie schon gesagt: ruhmvolles Angedenken und aehnlich
ergreifendeWuerdigungen fuer alle, die in ihren Kaempfen oder im
Haefen gestorben sind - und fuer die, die noch immer sitzen wie
Sofri von der Lotta Continua. Aber sie sind tot oder im Knast fuer
ewige Zeiten. Ihr Leben ist vorbei, ausgeloescht fuer ein
Freiheitsideal fuer alle, was aber so sicher nicht von allen
gewollt wird.

Der Mythos vom gemeinsamen bewaffneten Kampf inkludiert die
Suggestion von zum Kampf bereiten Menschen, die nur mehr auf das
Zeichen warten, Barrikaden zu errichten und loszulegen. Davon ist
derzeit aus guten Gruenden einfach nicht zu bemerken. Wollen wir
Straszenkaempfe? Mir scheint eher, dasz der bewaffnete Kampf oft
als Metapher eher das Ohnmachtsgefuehl bekaempfen soll, sich
anderer Aktionsformen nicht bedienen zu koennen.

Einerseits scheinen blosze Militanz und bewaffnete
Auseinandersetzungen als politisches Mittel sicher nicht
zweckmaeszig und wuenschenswert - andererseits kann aber auch eine
theoretische Diskussion ueber pro und contra bewaffneten
Widerstands in der akin nur in Grenzen gefuehrt werden. Denn die
akin hat als oeffentliches Medium gewisse rechtliche
Rahmenbedingungen zu beachten. (Die Kuerzung des im Leserbrief
erwaehnten Flugblattes erfolgte auch in diesem Sinne -- denn ein
uebelgelaunter Staatsanwalt haette problemlos den ungekuerzten
Text als Gutheiszung der RAF-Methoden ansehen koennen.)

Eine Diskussion im eigentlichen Sinne kann zu diesem Thema in der
akin nicht stattfinden, da wir dann auch die Pro-Stimmen
veroeffentlichen mueszten, die sich klar fuer bewaffnete Militanz
aussprechen. Das waere auch bei aller Vorsicht eine juristische
Gratwanderung, die sowohl uns als auch die jeweiligen Proponenten
gefaehrden wuerde.

Die Notwendigkeit gemeinsamer Diskussionen ueber Ziele und Wege
ist aber sicher gegeben. Wir brauchen das gerade jetzt mehr denn
je. *Fritz Pletzl*


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