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Aussendezeitpunkt: Di, 29.02.00, 20:06 *
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FPOeVP:

> Die neue Beschaeftigungspolitik

Die Ministeriumsreform der Heimatblockregierung stoeszt auf
Widerstand in der Verwaltung

*

Die "Plattform Arbeit" (eine Gruppe von ExpertInnen aus den
Bereichen Arbeitsrecht, ArbeitnehmerInnenschutz und
Arbeitsmarktpolitik des oeffentlichen Dienstes.) weist anlaesslich
der bevorstehenden Beschlussfassung des neuen
Bundesministeriengesetzes am Mittwoch, 1. Maerz darauf hin, dass
es durch die Schaffung eines Bundesministeriums fuer Wirtschaft
und Arbeit zu einer massiven Verschlechterung institutioneller und
gesetzlicher Rahmenbedingungen fuer ArbeitnehmerInnen kommen wird.

"Wer meint, es gaebe keine Interessensgegensaetze zwischen
ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen der verschleiert, dass
fundamentale oekonomische, soziologische und politische Einsichten
und Erfahrungen das Gegenteil belegen", schreiben die ExpertInnen
der "Plattform Arbeit" in einem Memorandum, das noch vor der
Abstimmung allen ParlamentarierInnen zugestellt und in der Folge
auch als Petition eingebracht werden soll. Die von der FPOe/OeVP-
Regierung vorgeschlagene Bundesministeriengesetz-Novelle 2000
sieht vor, dass die Bereiche Arbeitsrecht, ArbeitnehmerInnenschutz
und Arbeitsmarktpolitik vom bisherigen Bundesministerium fuer
Arbeit, Gesundheit und Soziales abgetrennt und dem
Wirtschaftsministerium zugeschlagen werden.


> Das Memorandum im Wortlaut:

®[...] Wer meint, es gaebe keine Interessengegensaetze zwischen
ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen der verschleiert, dass
fundamentale oekonomische, soziologische und politische Einsichten
und Erfahrungen das Gegenteil belegen. In der Lohnpolitik ist
dieser Sachverhalt besonders offensichtlich. Die von der
FPOe/OeVP-Regierung vorgeschlagene Bundesministeriengesetz-Novelle
2000 sieht unter anderem vor, dass die Bereiche Arbeitsrecht,
ArbeitnehmerInnenschutz und Arbeitsmarktpolitik vom bisherigen
Sozialministerium abgetrennt und dem Wirtschaftsministerium
zugeschlagen werden. Das neue Ministerium soll den Namen "BM fuer
Wirtschaft und Arbeit" (!) tragen. Etwas Aehnliches hat es schon
einmal gegeben.

Im Koalitionsabkommen bekennt sich die Bundesregierung "zur
Fortsetzung des Kurses der Sensibilitaet und der kritischen
Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit". Mit der Uebertragung
der Arbeitsagenden an das Wirtschaftsministerium laesst die
Regierung jedoch gerade diese Sensibilitaet vermissen.

Nationalsozialismus und Austrofaschismus waren sich einig in ihrer
Ideologie der "Volksgemeinschaft". Berufsstaende und Harmonie
gesellschaftlicher Interessen waren zentrale Ideologieelemente.

Im Mai 1938 wurde im "Erlasz ueber die Geschaeftseinteilung der
Oesterreichischen Landesregierung" u.a. bestimmt, dass die
Zustaendigkeiten des "Bundesministeriums fuer soziale Verwaltung
auf das Ministerium fuer Wirtschaft und Arbeit" (!) uebergehen.

Die Eingliederung von Arbeitsrecht, ArbeitnehmerInnenschutz und
Arbeitsmarktpolitik in das Wirtschaftsministerium sowie andere
Vorhaben des Koalitionsuebereinkommens lassen konkret eine
einseitige Bevorzugung von ArbeitgeberInneninteressen erkennen.

Das bedeutet in den Bereichen:

* ArbeitnehmerInnenschutz, Arbeitsinspektorate

Durch die Unterordnung der Arbeitsinspektion unter den
Wirtschaftsminister ist zu befuerchten, dass der Schutz von Leben,
Sicherheit und Gesundheit der unselbstaendig Beschaeftigten von
wirtschaftlichen Interessen gewerblicher und industrieller
Unternehmen abhaengig gemacht werden.

Im Ministerium "fuer Wirtschaft und Arbeit" wird die
betriebswirtschaftliche Kostenfrage den entscheidenden Ausschlag
in diesem Interessengegensatz geben.

Die Arbeitsinspektion wird zu einer "Service- und
Dienstleistungseinrichtung" mit reiner Beratungsfunktion
("Beratung statt Kontrolle").

* Arbeitsmarktpolitik, Arbeitslosenversicherung

Die neue Bundesregierung wird beim Arbeitsmarktservice (AMS) und
damit bei der Arbeitsmarktpolitik sparen. Eine Auslagerung in Form
einer Ges.m.b.H. ist geplant.

Die Verschaerfungen der Bestimmungen ueber eine zumutbare Arbeit,
ein verpflichtender "Arbeitsdienst" fuer Langzeitarbeitslose ohne
kollektivvertragliche Mindestentlohnung und die Ueberpruefung der
Sozialtransfers sowie der Arbeitslosenversicherungsleistungen im
Hinblick auf ihre "Treffsicherheit" sind angekuendigt. Frauen
werden absehbar besonders negativ betroffen sein.

Beschaeftigungspolitik wird reduziert auf Arbeitsmarktpolitik,
diese wiederum auf Standort- bzw. Angebotspolitik. Die soziale
Dimension der nachhaltigen Integration in das Erwerbsleben tritt
in den Hintergrund.

* Arbeitsrecht, Lohnpolitik

Ein neues Abfertigungs-/Pensionskassensystem soll entwickelt
werden, wodurch die bisherige Hoehe der Abfertigung in Frage
gestellt und das gesetzliche Pensionsversicherungssystem
ausgehoehlt werden koennten.

Durch die geplante Urlaubsaliquotierung werden die
ArbeitnehmerInnen kuenftig gezwungen sein, im ersten Arbeitsjahr
wenig Urlaub zu verbrauchen, um im folgenden Jahr Urlaub
entsprechend der Beduerfnisse der Familie (Schulferien) nehmen zu
koennen.

Die neue Regierung plant die Dezentralisierung, d.h. die
Verlagerung von Lohnverhandlungen, Ausgestaltung von Arbeitszeit
und anderer zentraler arbeitsrechtlicher Regelungsbereiche auf die
Betriebsebene. Das System der Branchenkollektivvertraege zum
Schutz von Mindestanspruechen ist damit ernsthaft gefaehrdet.

Alle exemplarisch angesprochenen Neuregelungen haben eine klare
politische Stoszrichtung: Verschlechterung bisheriger Regelungen
zuungunsten von ArbeitnehmerInnen oder Arbeitslosen und Masznahmen
zugunsten der Gewinnerhoehung, Schwaechung des
Gewerkschaftseinflusses und Schwaechung des arbeitsrechtlichen
Schutzes.

*Organisatorisch unsinnig und nicht EU-konform

Die Eingliederung der genannten drei Bereiche samt AMS und
Arbeitsinspektorate in das Wirtschaftsministerium wuerde
gravierende organisatorische und verwaltungstechnische Probleme
samt hoher Kosten mit sich bringen. Beispielsweise wuerde die
Unterstuetzung der Beschaeftigung Behinderter erschwert, da die
Abstimmung zwischen AMS (in Hinkunft als Ges.m.b.H.) und den
Bundessozialaemtern (BSB) voellig unklar ist.

Der EU-Rat trifft sich in der Zusammensetzung der Arbeits- und
SozialministerInnen, was zusaetzlichen Koordinierungs-, Sach- und
Personalaufwand bedeuten wuerde, da sowohl der Wirtschafts- als
auch die Sozialministerin zu den EU-Raeten fahren muessten. In
keinem EU-Mitgliedstaat gibt es eine Eingliederung der
Arbeitsagenden in ein Wirtschaftsressort in der Reichweite wie in
Oesterreich.

* Daher fordern wir:

I. Von der Blau-Schwarzen Regierung, die geplanten Masznahmen im
Sinne einer notwendigen Sensibilitaet gegenueber der Geschichte
und dem sozialen Frieden im Lande nochmals zu ueberdenken.

II. Von den Parlamentsklubs und von jeder/jedem einzelnen
Nationalratsabgeordneten, das BMG in seiner vorgeschlagenen Form
abzulehnen, welches die Unterordnung der Bereiche Arbeitsrecht,
ArbeitnehmerInnenschutz und Arbeitsmarktpolitik unter
Unternehmensinteressen institutionalisiert. Insbesondere
appellieren wir an jene OeVP- Abgeordneten, die auch Mitglieder
des OeAAB sind, sich auf ihre christlich-sozialen und liberalen
Grundsaetze zu besinnen und dementsprechend abzuwaegen, ob dem
freien Mandat oder dem Klubzwang der Vorrang einzuraeumen ist.

III. Von den Gruenen und der SPOe, eine konsequente
Oppositionspolitik auch in den genannten Bereichen zu forcieren,
indem die Widersprueche und politischen Fallstricke fuer die
Oeffentlichkeit klar und deutlich herausgearbeitet werden.

IV. Vom OeGB und den GewerkschaftsvertreterInnen im Parlament die
nachdrueckliche Unterstuetzung aller Aktionen gegen die
Zerschlagung des bisherigen Sozialministeriums und die geplanten
Masznahmen im Bereich "Arbeit". [...] ¯ ****





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