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Aussendezeitpunkt: Di, 22.02.00, 17:38 *
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FPOeVP/Debatte:
> EU-Sanktionen sind Teil des Widerstands, Herr Schneyder!
Aufgrund der unterschiedlichsten Widerstandsmotive gegen den
Mascherl-Haider-Block kommen auch verschiedenste Widerstandsformen
zur Anwendung. Jedes auf einer breitesten Basis operierende
Buendnis fuehrt dazu, dasz sich die Leute die Buendnispartner,
deren Motivationen und Aktionsformen nicht aussuchen koennen.
Katholische, anarchistische oder oekologische Gruende gegen diese
Regierung sind ebenso hilfreich wie sozial-revolutionaere,
buergerliche oder schlicht anti-autoritaere Zielsetzungen.
Die schichtuebergreifende und ideologisch nicht mehr eindeutig
zuzuordnende breite Ablehnung ist natuerlich auch mit der medialen
Aufmerksamkeit verknuepft, die sich im qualitativen Segment
erstmals in der Zweiten Republik von der traditionellen
Regierungshofberichterstattung wegbewegt hat. Widerstand benoetigt
natuerlich jede Art von medialer Aufmerksamkeit, ohne die die von
allen zu beobachtende Politisierung Oesterreichs nicht denkbar
gewesen waere.
Die zum Teil berechtigten Vorwuerfe an die Medien in Oesterreich,
Haider durch die "Ueberpraesentation" erst salonfaehig gemacht zu
haben, erweisen sich jetzt angesichts der auslaendischen
Berichterstattungen ueber Oesterreich dahingehend als positiv
relativiert, als sie die fast weltweite Stilisierung und
Ueberzeichnung Haiders als Neonazi erst ermoeglichten. Dasz ein
moderner Faschist la Haider sich erst aufgrund oesterreichischer
Systemschaeden zu dieser Bedeutung entwickeln konnte, wird zwar in
politischen Essays ueber Oesterreich analysiert, aendert aber am
tristen Faschisten-Dasein nicht viel und tut daher nichts zur
Sache. Auch die 27. Analyse, dasz der Mandatsgewinn der FP auf die
perfekte Abstimmung des Charismas Haiders mit dem zutiefst
aggressiv-autoritaeren Charakter seiner Waehlerschaft zu tun habe,
hat nicht das Ergebnis gezeitigt, wie es die Ueberzeichnungen der
Auslandsmedien zustandebrachten: Haider traut sich nicht mehr nach
Bruessel. Find' ich lustig.
Ein wichtiges Instrumentarium zur Bekaempfung dieser Regierung
sind natuerlich die Reaktionen und vor allem die Sanktionen der
anderen EU-Laender, die ebenfalls mit der medialen Entwicklung
gekoppelt sind. Der erfreuliche Stand der Dinge ist bekannt: Falls
sie jemand doch zu Gesicht bekommen, der sie sehen will, ist es
schon fixer Bestandteil der Begrueszungsfloskeln von Ferrero-
Waldner und Klestil, dasz die oesterreichische Regierung
natuerlich nicht aus einer Ansammlung von Nazis bestehe. Neben den
sonstigen EU-weiten politischen und oekonomischen Boykotten ist
eine besonders huebsche Sanktion die Zurueckstufung der
bilateralen Beziehungen auf die technische Ebene - also mit
ausschlieszlich exekutiven Funktionen duerfen noch Beamte mit
Beamten verkehren.
Waehrend Ursula Stenzel in einem Interview aufgrund der
ablehnenden Haltung der anderen konservativen Parteien im
Europaparlament schon die Traenen kommen, brauchen wir um die
Fortfuehrung der Sanktionen keine Angst haben - allein jeder
deftige Spruch Haiders erweist sich auszenpolitisch fuer die
Fortfuehrung der verschiedenen Sanktionsarten als aeuszerst
hilfreich. Schon allein, wenn keine Systemaenderung gewollt wird
und "nur" dieses zutiefst reaktionaere und aeuszerst rechte
Kabinett abgesetzt werden soll, sind all diese Instrumentarien
fuer den Widerstand noetig und auch nuetzlich: Demos,
Inlandsmedien, Politisierung des Landes, Aufstand der Schulen,
Unis und der Hoch-Kulturszenen, Auslandsberichterstattung,
Sanktionen der EU-Laender und Miszbilligungen bis Drohungen
anderer Laender.
Was die Widerstandsfront aufweicht und sich als kontraproduktiv
herausstellen wird, ist der Beginn von Gegenrechnungen und
intellektuellen Revanchismen. Natuerlich haben die meisten EU-
Staaten auch massive innenpolitische Gruende, sich den
Boykotterklaerungen und Sanktionen gegen Oesterreich
anzuschlieszen. Oft ist es nur das Fehlen einer geeigneten
charismatischen Fuehrerpersoenlichkeit, die rechtsextremene
Parteien in einigen Laendern nicht auf der Regierungsbank Platz
nehmen laeszt. Deswegen von Verlogenheit zu sprechen, duerfte
politisch genauso kurzsichtig sein wie der von Konservativen
erhobene Vorwurf der Einmischung in innere Angelegenheiten. Will
man - genauso wie wir in Oesterreich - auch in diesen anderen
Staaten keine rechtsextremen Positionen und Regierungsvarianten,
ist es doch hoechst sinnvoll, den mit derlei Koalitionsgeluesten
liebaeugelnden Parteien vorzufuehren, wie es ihnen ergehen
koennte, wuerden sie sich mit rechtsextremen und faschistischen
Parteien in ein Regierungsbett legen.
Manchen erscheinen auch die Ablehnungsgruende der christlich-
konservativen Parteien auf EU-Fraktionsebene gegenueber dem
oesterreichischen Regierungsmodell als unverstaendlich bis
verlogen. Zieht man jedoch bei diesen Parteien die rechten und
nicht so bedeutenden Fransen und Raender nicht in Betracht, kann
man sie nicht - selbst Aznar nicht - als faschistisch oder
rechtsextrem bezeichnen. Khols Parameter fuer
Demokratietauglichkeit passen zwar nicht mehr so wie frueher, aber
er wuerde diese Parteien als absolut innerhalb seines
Verfassungsbogens stehend definieren. Abgesehen von durchaus
gewichtigen ideologischen Aspekten sind es schlichte
Machtverlustaengste, die manche Parteien der europaeischen
konservativen Fraktion zu Boykotterklaerungen draengen laeszt.
Wuerden sie mit rechteren Parteien koalieren, mueszte eine
Positionierung zur Mitte hin erfolgen, wo sich jedoch bereits die
Sozialdemokraten angesiedelt haben, deren linken Rand die Gruenen
besetzt halten: Konsequenz Machtverlust...
Aufgrund der beschriebenen Medienbedeutung fuer den Widerstand ist
der Einsatz von Promis nicht abzulehnen. Der Demo-Auftritt von
Piccoli und anderen Promis erzeugte nicht nur in Frankreich eine
ueberwiegend positive Resonanz. Wenn die Ankuendigung des
Bergdoktors Krassnitzer oder von mir aus von der Biene Maja
zusaetzlich tausende Leute zum Zuhoeren am Heldenplatz bringt,
find' ich's erfreulich. Die Frage koennte jetzt doch nur die nach
der Nuetzlichkeit sein. Wenn sich allerdings linke Promis wie
Werner Schneyder und Herr Seltsam Nenning vor die Kameras
plazieren und die Widerstandsfront mit Gegenrechnungen und
statements aufweichen wie: "die Sanktionen find ich nicht so gut"
oder "schaut doch zuerst einmal in Euren Laendern..", faellt mir
die Unterscheidung zwischen Naivitaet und politischer Bloedheit
ziemlich schwer.
Und was ist nachher? Diese Szenarien und Ereignisse fuehren zu der
naheliegenden Frage, was nach dieser Regierung kommen soll - was
soll nachher sein? Gibt es Chancen fuer eine Re-Ideologisierung
breiter Gesellschaftsgruppen oder dann einfach nur wohlwollende
Zustimmung zu den bisher gewohnten Regierungskonstellationen, die
sich momentan sowieso nicht ergeben koennen? Weiterhin
Kapitalismus pur im Land der Berge - diesmal ohne FP? Mit welchen
neuen Modellen glauben die Gruenen, die KP und die SP mit
Gusenbauer, die Menschen begluecken zu koennen? Die Antworten
koennten vielleicht nahelegen, dasz die Zukunft in der
Verknuepfung auszerparlamentarischer Systeme liegt, die sich mehr
oder weniger der Parteien als Sprachrohre ihrer Anliegen bedienen.
Aus realistischer Sicht der Dinge erfordert jedoch eine relevante
auszerparlamentarisch gestartete Systemdebatte die Einbindung von
Kraeften und Ressourcen, die sich gerade noch in einer
gemeinsamen, zumeist doch ueberparteilichen und antifaschistischen
Widerstandsplattform finden lassen, die jetzt eben
zufaelligerweise da ist. Zusaetzlich zur Anti-Regierungs-Funktion
waere es doch huebsch, innerhalb dieser breiten Plattform
staendige Sozialraete etc. mit massiven Forderungskatalogen zu
installieren. Fuer mediale Aufmerksamkeit ist ja bereits gesorgt.
Apropos Medien: Diskussionen ueber die Zukunft im Land der Berge
koennen erfreulicherweise in der akin gefuehrt werden. *Fritz Pletzl*
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