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Aussendezeitpunkt: Di, 22.02.00, 17:27 *
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Chaovali-Debatte:

> Ich trinke manchmal Coca-Cola

oder:
Entschuldigung dafuer, dasz ich mich wiederhole, was aber wohl
notwendig ist, da ich mich offensichtlich miszverstaendlich
ausgedrueckt habe

Replik eines verhinderten Kronen-Zeitungs-Redakteurs auf "Offener
Brief an akin" der "Kampagne zur Verteidigung politischer und
sozialer Rechte" (akin 5/00)

*

Wenn ich nur wueszte, was jene "Kampagne" eigentlich will, waeren
wir schon ein wenig weiter in der Diskussion. Zum einen bekommen
wir in unregelmaeszigen Abstaenden Aussendungen von der "Kampagne"
oder frueher der "Plattform fuer Chaovali", in denen (im Gegensatz
zu Herbert Sburnys Text) die Hintergruende der Haftstrafe
Chaovalis gar nicht oder nur vage erwaehnt werden. Ist in Ordnung:
Das heiszt fuer mich, egal, was jemand getan hat und warum er es
getan hat, fuer ihn gelten dennoch uneingeschraenkt die
Menschenrechte. Methoden der weiszen Folter, wie sie die
"Kampagne" schildert, sind anzuprangern. Das darf keine Frage
sein.

Zum anderen insistiert die "Kampagne" politisch, dasz die
Situation in Palaestina so schlimm sei. Auch das kann ich
verstehen, die Politik Israels gegenueber den Palaestinensern ist
alles andere als akzeptabel.

Aber die Kombination dieser beiden Argumentationslinien ist nicht
koscher: Es entsteht der Eindruck, dasz die "Kampagne" zwar weisz,
dasz eine Erwaehnung der 2 Toten und 47 Verletzten vom Flughafen
Schwechat kaum jemanden fuer die Person Chaovalis einnehmen wird,
andererseits sie sich aber sehr wohl nur deswegen fuer ihn
einsetzt, weil er diese Tat begangen hat. Ich unterstelle dieser
"Kampagne", dasz ihr ein vollkommen unpolitischer Bankraeuber, der
niemanden getoetet hat, aber im Haefen genauso behandelt wird,
ziemlich wurscht ist.

Die Zustaende in unseren Gefaengnissen sind beschissen, ja. Wenn
es in der Welt drauszen noch so etwas wie Menschenrechte gibt,
dann kann man jede Hoffnung darauf hinter den Toren dieser
Anstalten vergessen. Aber: Ich glaube nicht, dasz es einen
Waerter, also irgendeinen stinknormalen "Kaas", oder auch seinen
Direktor, nur irgendwie interessiert, was die Beweggruende fuer
diesen Mord waren. Fuer den Kaas ist Chaovali einfach ein Moerder
und ein Auslaender und ein gefaehrlicher Haeftling dazu. Ein
Gefangener wird gebeugt oder gebrochen. Chaovali reagierte auf die
Beugungsversuche mit einer Revolte samt Geiselnahme. Er war ein
Unbeugsamer, also versucht man ihn zu brechen. Der Staat baut
Gefaengnisse und glaubt damit, Menschen in seinem Sinne veraendern
zu koennen. Er sperrt ein und versucht mit der Drohung des
Einsperrens, den Einzelmenschen in seinem Sinne zu "korrigieren".
Die Legitimation des staatlichen Rechts und auch der Mittel der
Durchsetzung kann man bezweifeln. Fordert Menschenrechtsinstrumente
fuer unsere Gefaengnisse oder konsequent
die gefaengnislose Gesellschaft! Das ist ein utopisches Ziel, aber
ich glaube, dasz es lohnt, fuer dieses Ziel langfristig zu
kaempfen. Aber dann musz man sich um diese Thematik kuemmern und
nicht so tun, als erhielte ein lieber Kerl wie der Herr Chaovali
eine Sonderbehandlung, weil er sich fuer die palaestinensische
Sache eingesetzt hat.

Reden wir hier ueber Menschenrechte oder reden wir ueber die
Rechtfertigung eines Massakers an Zivilisten, deren einziges
Verbrechen es war, mit der El Al fliegen zu wollen? Denn
Solidaritaet ist ein schoenes Wort. Wenn es bedeutet, die Rechte
von Strafgefangenen vom Scheckbetrueger ueber den Vergewaltiger
bis zum Moerder zu schuetzen, ist Solidaritaet sehr wohl gefragt.
Wenn dieses Wort aber bedeutet, dasz der Zweck der Menschenrechte
der Palaestinenser alle Mittel rechtfertigt, habe ich meine
Schwierigkeiten damit. Haette Chaovali einen israelischen Minister
getoetet oder einen hohen Militaer -- denen man eine gewisse
Verantwortung zurechnen koennte --, waere ich zwar auch nicht
gluecklich darueber, aber ich haette die Argumentation verstanden.
Aber es waren eben keine Verantwortungstraeger, sondern einfach
nur irgendwer! Wenn ich irgendwann einmal zu einem
Getraenkeautomaten gehe, um mir eine Dose Coca Cola rauszuziehen,
und das Ding geht in die Luft, dann geschieht mir dieser
Argumentation folgend voellig recht: Was musz ich mir auch eine
umweltschaedigende Aluminiumdose mit dem kulturimperialistischen
Zuckerwasser kaufen wollen...

Und genau deswegen zweifle ich die Seriositaet dieser Gruppe an:
Wenn jemand derart kaltschnaeuzig zum einen einen Mord
rechtfertigen will und zum anderen sich auch noch als politisch
agitatorische Gruppe gibt, dann musz ich damit rechnen, dasz diese
Tatsachenbehauptungen von politischem Interesse gefaerbt sind. Wer
sich in den Bereich politischer Agitation begibt, musz damit
rechnen, dasz seine Informationen bezweifelt werden. Das heiszt
aber nicht, dasz die "Kampagne" luegt. Um das zu behaupten,
mueszte ich Gegenbeweise haben. Da ich solche nicht besitze, kann
ich nur Zweifel haben -- das Recht darauf mir abzusprechen und
deswegen mich mit der Kronen-Zeitung zu vergleichen, ist nicht
gerade eine Art, die mich von der Seriositaet dieser Gruppe
ueberzeugt.

Chaovali soll man das Recht als Kriegsgefangenem zugestehen, sagt
die Gruppe. Nun ist das Voelkerrecht sehr buergerlich gepraegt und
ich kann einen Rekurs der "Kampagne" darauf nur so verstehen, dasz
man den buergerlichen Staat an seinen eigenen Maszstaeben messen
soll. Nur funktioniert das nicht so einfach. Selbst wenn man mit
Mueh und Not die oesterreichische Regierung als Handlanger Israels
charakterisiert und Chaovali als Angehoerigen einer regulaeren
Armee definiert -- beides waere fuer die Anerkennung als
Kriegsgefangener nach dem Voelkerrecht notwendig --, so bleibt die
Tatsache, dasz dieser Kombattant Nicht-Kombattanten angegriffen
hat. Damit waere er allerdings den Regeln des Voelkerrechts
gehorchend ein Kriegsverbrecher. Ich habe Probleme mit der
Trennung zwischen Krieger und Kriegsverbrecher, da sie so etwas
wie einen sauberen Krieg postuliert. Krieg ist ein Verbrechen und
Angriffe auf Unbeteiligte gehoeren auch immer dazu. Aber wenn man
schon sich auf das Voelkerrecht beruft, sollte man wissen, worauf
man da rekurriert.

Chaovali sitzt nicht deswegen im Haefen, weil er fuer die
palaestinensische Sache kaempfen wollte. Haette er das gemacht,
weil er die Inneneinrichtung der El Al-Flugzeuge scheuszlich
findet, waere er genauso verurteilt worden. Ihn also als
"politischen Gefangenen" zu charakterisieren, waere nicht gerecht
gegenueber jenen Gewerkschaftern und Schriftstellern und
Bauernvertretern und Deserteuren, die wegen ihrer Non-Cooperation
oder ihrer Meinungsaeuszerung auf der ganzen Welt im Gefaengnis
sitzen und die tatsaechlich ein Anrecht auf diesen Ehrentitel
haben. Als "politische Gefangene" wuerde ich auch die Opfer der
"Operation Spring" sehen, deren einziges Verbrechen war, dunkler
Hautfarbe zu sein, und deren Festnahme und Anklage politisch
begruendet zu sein scheint. Auch Menschen, die gegen die
Verantwortlichen eines moerderischen Regimes mit Waffengewalt
vorgegangen sind und deswegen im Gefaengnis sitzen, sind durchaus
als "politische Gefangene" zu bezeichnen. Chaovali aber nicht.
Chaovali ist bei all seinem politischen Hintergrund einfach nur
ein Moerder, der Menschen umgebracht hat, die fuer das Uebel in
seiner Heimat nicht mitverantwortlich sind. *Bernhard Redl*

***


> Magengeschwuer

Liebe FreundInnen!
Obwohl Bernhard Redl sicher ausfuehrlicher und fundierter
antworten wird, moechte ich doch meine Wut loswerden, bevor ich
Magengeschwuere kriege. So sehr ich den Forderungen nach fairen
und menschenwuerdigen Haftbedingungen fuer ALLE Haeftlinge
vorbehaltlos zustimme, so sehr wehre ich mich gegen den absurden
Wunsch nach einem Kriegsgefangenen-Status fuer Tawfik Chaovali.
Und mein Wissen von diesem entsetzlichen Anschlag habe ich nicht
von der "Krone", sondern vom Vater einer dabei ermordeten jungen
Frau, der damals mein Arbeitskollege war. Es ist einfach,
Zivilisten in einem fernen Land zu bekriegen, denn diese schieszen
nicht zurueck. Und wenn die Form eines Freiheitskampfes darin
bestehen soll, Frauen und Kinder zu ermorden, so ist das eine
Diffamierung aller jener, die den Vertretern der jeweiligen Sys-
temgewalt direkt entgegenstehen.

So, jetzt ist mir leichter, und ich lasse mich fuer meine Meinung
pruegeln. Liebe Gruesze, *Leo Graf*


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