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Aussendezeitpunkt: Di, 15.02.00, 18:34 *
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FPOeVP:

> Sind FPOe-Waehler-inn-en Nazi, Neonazi, Faschist-inn-en,
> Faschistoide oder was ?

Ich schaetze, grob 90% derer, die 1938-1945 im Gebiet des heutigen
Oesterreich gelebt haben, haben den Nationalsozialismus begrueszt,
akzeptiert, toleriert oder sich zumindest geduckt und geschaut,
nicht zu den 10% zu gehoeren, die zum Heil des Volksganzen
geopfert werden sollten. Daher ist es auch zu verstehen, wenn
Widerstandskaempfer-innen, die Kopf und Kragen im Kampf gegen den
Nationalsozialismus riskiert haben, sogenannte "Asoziale" nicht
gern als Opfer anerkennen, weil diese ja - grob geschaetzt und
vereinfacht gesagt - zur "Volksgemeinschaft" dazu gehoeren und
gute Deutsche sein wollten. Diese waeren wohl bereit gewesen,
Opfer zu bringen fuer das Gemeinwohl, nur nicht bereit, selber
Opfer zu sein und geopfert zu werden.

Diese 90% waren fanatisch, halbherzig oder resigniert ("da kann
man nichts machen") bereit, die anderen 10% zu opfern. Das Opfer
war vergebens - das Volk ist nicht genesen und schon gar nicht die
Welt; im Gegenteil - eine Katastrofe war das Ende, Pluenderungen
und Vandalismus,* Zusammenbruch, Desintegration. Keine-r redet
davon, aber im kollektiven Gedaechtnis der "echten Oesterreicher-
innen" ist der "Umbruch" praesent und wirksam. Danach haben sich,
schaetze ich, mindestens 90% als Opfer gefuehlt, als Betrogene,
vom Nationalsozialismus Enttaeuschte.

Diese 90% der 90% - 81% - empfinden sich nicht als Nazi oder
Neonazi. Diesen Vorwurf empfinden sie als ungerecht. Mit Hitler
(dem Verlierer, der schuld an allem ist) wollen sie nichts zu tun
haben.

Aber der autoritaere Charakter ist gleichgeblieben.

Heute sind vielleicht 80% von denen, die sich so ungerecht
behandelt und benachteiligt fuehlen, bereit, sich auf Kosten
Schwaecherer zu bereichern, sie auszugrenzen, mitleidlos
hinunterzutreten. Sie und die Ewiggestrigen und deren Nachkommen
spricht Haider an, den ewig aggressiv Hoerigen imponiert sein
goscherter Schmaeh. Er ist das Sprachrohr derer, die aufbegehren
wollen und sich nicht trauen.

Ich habe keine Idee, wie AkIn-Leser-innen mit Haider-Waehler-innen
reden koennten,um sie zu ueberzeugen, dasz ihre Wahl keine gute
Wahl war; ich meine nur: sie als Nazi, Neonazi oder Faschist-innen
zu etikettieren, greift zu kurz. *Liesl Fritsch*


*) Ingrid Schmidt-Hartbach: Das Vergewaltigungssyndrom.
Massenvergewaltigungen im April und Mai 1945 in Berlin, in: Irene
Brandhauer-Schoeffmann, Ela Hornung, Hg.: Wiederaufbau weiblich.
Dokumentation der Tagung "Frauen in der oesterreichischen und
deutschen Nachkriegszeit", S.181-1978, zitiert S. 183 Erich Kuby:
Der Spiegel Nr. 19, 1965, S. 82, wie "binnen Stunden eine in
Jahrhunderten entwickelte Sitte und Zivilisation ... der nackten
Barbarei Platz machen kann".


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