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Debatte/In eigener Sache:
> Offener Brief an akin
Betreff: Justiz auf dem Weg ins 19. Jahrhundert? / Anmerkungen eines
Redakteurs, akin 38/1999
Auch wenn sie mich wie einen Hund behandeln, werde ich nicht anfangen
zu bellen. (Maurice Rosencof, lateinamerikanischer Schriftsteller, der
neun Jahre in Isolationshaft verbrachte)
Die Kampagne zur Verteidigung politischer und sozialer Rechte ist eine
junge Menschenrechtsinitiative in Wien, die seit einigen Jahren auf
die sozialen und rechtlichen Verschaerfungen in der EU und in
Oesterreich aufmerksam macht. Unser Augenmerk richten wir besonders
auf den Zustand des Strafvollzugs und der Entwicklung hin zum Polizei-
und Ueberwachungsstaat. Von Anfang an war die Unterstuetzung des
palaestinensischen Gefangenen Tawfik Ben Ahmed Chaovali fester
Bestandteil unserer Aktivitaeten. In Tawfik Chaovalis Haftgeschichte
findet sich das gesamte Repressionsinstrumentarium, das der
oesterreichische Strafvollzug gegen widerstaendige Gefangene
aufbringt. Von Saunazelle, wochenlangen Hand- und Fuszfesselungen,
Pruegel, Postverbot und Bunkerhaft bis hin zum Wegsperren in totaler
Isolation ueber Jahre hinweg reicht die Palette. Sein Fall ist ein
gutes Beispiel fuer die Ungerechtigkeit und reaktionaere Ideologie der
oesterreichischen Gerichte, fuer die systematische Folter im
Strafvollzug, fuer Zensur gegen politisch denkende Menschen und nicht
zuletzt fuer die Mechanismen der Verhetzung und Entmenschlichung,
deren faschistische Medien sich in Oesterreich bedienen. Es ist
beschaemend, dasz sich ein akin-Redakteur in diesem Fall in seiner
Herangehensweise nicht von Krone-Redakteuren unterscheidet. Sowie fuer
Krone und Taeglich Alles ist fuer Bernhard Redl Tawfik Chaovali kein
Mensch. Ihn mit anderen Strafgefangenen in einem Atemzug zu nennen
haelt Bernhard fuer "ein bisserl sehr problematisch". Tawfik wird
reduziert auf den Anschlag von 1985, der wie wir ja aus der Krone
wissen ein Massaker war, und dadurch entmenschlicht. Es ist die
gleiche Strategie, die manche Medien und die Justizbehoerde verfolgen,
um Tawfik als menschenreiszende Bestie darzustellen, die einfach nicht
zu beherrschen ist. Damit wird der Anschlag und die Geiselnahme
waehrend seines zweiten Fluchtversuchs aufgewogen gegen die Folter in
oesterreichischen Gefaengnissen. Nicht nur das das ethisch gar nicht
moeglich ist, es wird auszerdem Ursache und Folge vertauscht und die
Menschenrechtsverletzungen der staatlichen Institutionen legitimiert.
So heiszt es bei Bernhard Redl explizit: "...dann musz man sich
fragen, wie denn sonst die Justiz mit Menschen wie Chaovali-zumindest
nach dieser Geiselnahme-umgehen soll." Dasz die offensichtlichen
Ursachen fuer die, uebrigens unblutige, Geiselnahme beseitigt werden
sollten, kommt Redl gar nicht in den Sinn. Stattdessen haelt er den
Versuch den Gefangenen koerperlich und geistig zu brechen fuer
gerechtfertigt. Stellt sich blosz die Frage was folgt, wenn auch
brutale Zwangsernaehrung und Drogenspritzen einen Gefangenen nicht
gefuegig machen und ihn nicht zum Bellen bringen. Sieht sich dann
vielleicht "selbst ein liberaler Rechtsstaat" gezwungen zur
Todesstrafe zu greifen? Was daherkommt als moralisches Unbehagen
entpuppt sich als zutiefst amoralisch. Bernhard Redl begreift nicht,
wie Tawfik als politischer Gefangener bezeichnet werden kann: "...(die
Kampagne), die Chaovali als politischen Gefangenen ansieht ohne
Zusammenhang fuer eine nicht zu entschuldigende Straftat." Tawfik ist
nicht nur politischer Gefangener, weil er politisch denkt und handelt.
Bei dem Anschlag gegen die israelische Fluglinie handelt es sich um
kein gewoehnliches Kapitalverbrechen. Der Anschlag kennt einen klaren
historischen und kriegerischen Zusammenhang, er ist eindeutig nur im
Kontext des israelisch-palaestinensischen Konflikts zu verstehen. Das
ist eine unumstoeszliche Tatsache, wie auch immer man den Anschlag
ansonsten bewerten mag. Obwohl die oesterreichische Regierung es bis
dato verabsaeumt hat, in Tawfiks Fall die Genfer Zusatzprotokolle zur
Behandlung von Kombattanten anzuwenden, halten wir es fuer unbedingt
notwendig ihn endlich als Kriegsgefangenen anzuerkennen. Die bisherige
Vorgehensweise stellt eine Verletzung internationalen Rechts dar. Im
Uebrigen ist zu befuerchten, dasz alle Friedensbemuehungen im Nahen
Osten zum Scheitern verurteilt sind, sollte nicht ehebaldigst die
Frage der Gefangenen dieses grausamen Krieges geloest werden. Miriam
Baumel, Mutter eines im Libanon vermiszten israelischen Soldaten sagte
1991 gegenueber einer Tageszeitung: "Mein taegliches Brot ist Schmerz,
und das jener Muetter, deren Soehne hier in unseren Gefaengnissen
sitzen oder in namenlosen Graebern liegen, genauso. Dieser Schmerz
musz aufhoeren, wie sonst koennen wir ueber Frieden reden?" Tawfik hat
seine Familie seit ueber fuenfzehn Jahren nicht mehr gesehen. Die
politisch Verantwortlichen haben bis vor kurzem jeden Kontakt Tawfiks
mit seiner Mutter und seinen Schwestern unterbunden. Erst vor kurzem,
nach mehreren Hungerstreiks, wurde erstmals Brief- und dann
telephonischer Kontakt zugestanden, seine Familie will ihn besuchen.
Dasz sie sich beruehren und umarmen koennen will das Ministerium
weiterhin verhindern (siehe Herbert Sburnys Artikel). In seinem
Kommentar bezichtigt Bernhard Redl uns zu luegen: "Ich verfuege ueber
keine serioesen Informationen ueber die Behandlung Chaovalis ... -die
Behauptungen der Justizbehoerde sind ungefaehr genauso serioes wie die
der "Kampagne zur Verteidigung politischer und sozialer Rechte..." In
all den hitzigen Debatten die wir mit den unterschiedlichsten Menschen
und Gruppierungen rund um den Fall von Tawfik Chaovali in den letzten
Jahren gefuehrt haben, ist uns noch nie vorgeworfen worden unserioese
Informationen weiterzugeben, - nicht einmal von politischen Gegnern
wie dem Justizministerium selbst. Hier greift Bernhard Redl zu einer
billigen Verleumdung, um sich nicht mit unserer inhaltlichen Position
auseinandersetzen zu muessen. Ohne Begruendung bezweifelt er ganz
einfach die korrekte Schilderung der Sachlage. Das koennnen wir
natuerlich nicht auf uns sitzenlassen. Eine Entschuldigung halten wir
fuer angebracht.
Mit freundlichen Grueszen
*Kampagne zur Verteidigung politischer und sozialer Rechte*
***
weitere Informationen zur Arbeit der Kampagne oder zu Tawfik Ben Ahmed
Chaovali: Kampagne zur Verteidigung politischer und sozialer Rechte
c/o Amerlinghaus Stiftgasse 8, 1070 Wien kampagne@hotmail.com, tel.:
0699/10426986
Anm. d. Red.: Eine Antwort von Bernhard Redl erfolgt in der naechsten
Ausgabe
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