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Polizei/Demokratie:

> Diese Politik nicht legitimieren!

In der AKIN Nr. 2 vom 18.1.2000 erschien ein LeserInnenbrief von Leo
Graf, in dem er die Verhinderung der Podiumskiskussion "Die Polizei,
dein Freund und Helfer? Das Medienbild der Polizei" kritisierte. Die
Veranstaltung sollte am Mittwoch, 12.1.2000, im WUK stattfinden. Am
Podium saszen Michael Sika, seit 1.1.2000 pensionierter Ex-Oberster
Polizist Oesterreichs, Rudolf Gollia, der Pressesprecher von
Innenminister Karl Schloegl, Florian Klenk, polizeikritischer
Journalist bei der Wiener Stadtzeitung Falter, Thomas Vasek,
Journalist beim Profil, als Moderator sollte der Chefredakteur des
Falter, Armin Thurnher, fungieren.

Hier eine Stellungnahme von einigen an der Verhinderung der
Veranstaltung beteiligten und eine kurze Berichtigung: im Brief von L.
Graf ensteht der Eindruck, dasz Leute aus dem WUK am Abbruch der
Veranstaltung beteiligt waren. Dem ist nicht so. Die WUKlerInnen
verhielten sich ganz brav. Die Verhinderer kamen zum Groszteil aus der
Wiener Vorstadt, aus dem sogenannten 10. Hieb und hatten nichts mit
dem WUK zu tun.

Schon vor Beginn der Veranstaltung wurde in einer theatralischen
Aktion in der Eingangshalle des WUK versucht, die TeilnehmerInnen an
der Diskussion auf das hinzuweisen, was die Politik von Sika und
Konsorten nach sich zieht: Blut, Tod, Ausgrenzung. Sechs
HohepriesterInnen der europaeischen Sicherheit brachten dem nun
Pensionierten und der europaeischen Sicherheit ein Opfer. Einer der
drei heiligen Koenige, der schwarze Melchior, wurde auf einem Altar
geopfert. Blut spritzte, Innereien flogen nachdem der Oberpriester mit
dem Ruf "He is dangerous" darauf hinwies, dasz wir EU-BuergerInnen uns
in Acht vor dem Fremden nehmen muessen. Nach erfolgreicher Opferung
entschwanden HohepriesterInnen und Koenige in die Nacht.

Die Diskussion in den Museumsraeumlichkeiten des WUK hatte zu diesem
Zeitpunkt schon angefangen. Von Beginn an versuchten einige Leute
ihren Unmut ueber diese Veranstaltung lautstark kundzutun. Nach
ungefaehr einer halben Stunde, nachdem immer mehr Leute den am Podium
sitzenden das Wort nahmen, brach Armin Thurnher die Veranstaltung
angefressen ab, sprach von undemokratischem Verhalten und das Publikum
zog von dannen. Wahrscheinlich sind die Diskutanten dann noch alle
gemeinsam auf ein Bier gegangen um sich ueber linksradikale
Undemokraten aufzuregen. Na sei's drum. Auf jeden Fall war das fuer
uns nach langer Zeit wieder eine sinnvolle und erfolgreiche Aktion
gegen die Repraesentanten eines Demokratieverstaendnisses die nach
Teilnahme an der Macht lechzen und alle, die in Widerspruch zu diesen
scheindemokratischen Ritualen stehen als undemokratisch beschimpfen.

*

Wie kann mensch sich nun erlauben, eine derartige Diskussion zu
verhindern? Wie schaut's mit unserem Demokratieverstaendnis aus? Da
wird von stalinistischer Vorgangsweise gesprochen, "das WUK ist doch
eh' links", bis zu "der Falter ist doch eh' polizeikritisch". Wir
drehen den Spiesz um und sagen: Diese Diskussion hatte vor allem einen
Zweck: Den lieben Herrn Sika in Ruhe in Pension gehen zu lassen und
quasi noch im Nachhinein seiner Politik die Legitimation zu erteilen.
Es ist die gleiche Argumentationslinie wie die, mit der Innenminister
Schloegl nach dem Tod von Marcus Omofuma hausieren gegangen ist: Es
tue ihm ja alles so leid, er sei wirklich zutiefst betroffen, er werde
alles dafuer tun, dasz soetwas nie wieder passiert. Von Sika stammt
der Ausdruck "Schuebling". So nannte er Marcus Omofuma nach dessen
Tod, als er (Sika) und sein oberster Vorgesetzter etwas in Bedraengnis
und Argumentationsnotstand gerieten. Drei Wochen lang im Mai 1999
hatten sie kein leichtes Leben durch den Druck der Medien und der
kritischen Oeffentlichkeit. Doch dann kam Ende Mai 99 die "Operation
Spring". Mehr als 100 SchwarzafrikanerInnen wurden in einer
aufwendigen und medial ausfuehrlichst begleiteten Polizeiaktion
verhaftet. Nach Angaben der Polizei wurde bei dieser Aktion ein
nigerianischer Dealerring zerschlagen, der erste grosze Lauschangriff
in Oesterreich wurde von den Behoerden gefeiert. Ploetzlich konnten
sich Schloegl, Sika und Konsorten wieder mit einem Erfolg an die
Oeffentlichkeit wenden. Hatten sie doch einen Sieg gegen das, was sie
organisierte Kriminalitaet nennen, zu verbuchen. Die Kritik der
kritischen Oeffentlichkeit an den Polizeiuebergriffen ging nach dieser
Aktion wieder zurueck. Mit Dealern wollte jedeR noch so liberale
Mensch nichts zu tun haben. Dasz die "Operation Spring" ein gerade
willkommenes Konstrukt darstellte um die in Bedraengnis geratenen
Chefs der Exekutive wieder aus dem Feuer zu holen, wagte fast keineR
mehr auszusprechen. Soweit zu gehen, das Konstrukt der sogenannten
"organisierten Kriminalitaet" insgesamt zu hinterfragen, war vor
dieser Aktion schon nicht mehr angesagt. Der europaweite
Propagandafeldzug gegen fiktive Banden aus dem Osten oder sonstwoher
zeigte und zeigt seine Fruechte.

Nach der letzten Nationalratswahl am 3.10.99 erreichte die SPOe, die
sich zum Teil empoert ueber die rassistische Wahlwerbung der FPOe in
Wien zeigte, die relative Mehrheit. Die SPOe agierte zwar nicht offen
rassistisch, hat aber wohl nicht geringen Teil daran, dasz in den
letzten 10 Jahren in Oesterreich die Asyl- und "Auslaender"gesetze
drastisch verschaerft wurden. Und dann noch 5 Tage vor der Wahl eine
grosze Propagandaaktion fuer die Medien. Am 29. September wurde das
Gesellenheim in der Zohmanngasse in Wien-Favoriten von
Polizeieinheiten gestuermt und ausschlieszlich Schwarzafrikaner
verhaftet. Dieser Ueberfall, der im Rahmen der "Operation Spring"
durchgefuehrt wurde, hatte ganz klar den Zweck die SPOe und
Innenminister Schloegl fuenf Tage vor der Wahl als Ordnungsmacht
darzustellen und dem Teil der SPOe-WaehlerInnen, die drohten zur FPOe
abzuwandern, zu signalisieren: "Bleibt bei uns, wir wissen um eure
Meinung, wir tun eh' alles, um die Auslaender in Zaum zu halten und
die Sicherheit zu garantieren". Also eine Aktion, die mit Rassismus
arbeitete und mit dem Feuer spielte.

Wenn das nicht genuegend Gruende sind, Repraesentanten eben dieser
Politik nicht zu Wort kommen zu lassen!?

*

Noch ein paar Worte zum Falter: frueher ein linkes, kritisches Blatt,
jetzt ein SPOe-treues Blaettchen, das kritische Stimmen gar nicht gern
hat oder einfach ignoriert. Natuerlich noch immer kritsch gegenueber
Polizeiuebergriffen , doch der Duft der Macht scheint Armin Thurnher
doch ziemlich in die Nase gestiegen zu sein. Wenn bei der Demo am 12.
November 1999 Menschen ihren Unmut ueber die Politik der SPOe
ausdruecken und Gitti Ederer mit Eiern bewerfen, sind das fuer den
Falter natuerlich auch sofort Undemokraten. Eigentlich ein altes Lied.
Diejenigen, die sich im Laufe der Jahre mit den Maechtigen arrangieren
sind irgendwann nicht mehr faehig einen Blick ueber ihre ueber lange
Jahre geschaffenen Machtpfruende hinauszuwerfen. Das passierte und
passiert vielen, siehe die Gruenen in Deutschland, wo Joschka Fischer
ganz verstoert darueber war, dasz er am Parteitag den Beutel mit roter
Farbe abgekriegt hat (als Kommentar zur deutsch-gruenen
Angriffspolitik gegen Jugoslawien). Der Falter ist sicher noch ein
kritisches Blaettchen, die Moral stimmt noch einigermaszen, doch der
Duft der Macht hat sich doch schon weit verbreitet. Armin Thurnher -
seine Beleidigtheit - aufgepflanzt am Podium als staatstragender
rethorischer Abwiegler und Ausgleicher hat den Marsch durch die
Institutionen wohl schon hinter sich.

Und noch kurz zum WUK: ehemals linkes Projekt, jetzt
hochsubventioniertes Vorzeigekulturgut der Wiener Sozialdemokratie.
Auch hier hat der Marsch durch die Institutionen bewirkt, dasz mensch
sich immer mehr arrangiert. Die hohen Subventionen etwa durch
Politisierung gefaehrden?. Na dann lieber doch nicht. Da wird einem
Sika lieber das Podium geboten. Zu welchem Zweck? Zur gegenseitigen
Legitimation? Eine Hand waescht die andere? Soll Sikas Politik durch
einen Auftitt im WUK legitimiert werden? Soll das WUK selbst dadurch
legitimiert werden, dasz ab und zu die Repraesentanten der Macht
vorbeischauen?

Die Entpolitisierung hat anscheinend wirklich schon sehr weit um sich
gegriffen. Nicht die Leute werden unterstuetzt, die in einer doch in
Wirklichkeit winzig kleinen Aktion ein paar von diesen
Herzeigdemokraten an ihrem Gewaesch hindern, sondern es wird von
undemokratischen Verhalten und sonstwas gesprochen. Wie schaut denn
die politische Praxis der sogenannten Demokraten aus. Sich in eine
Podiumsdiskussion setzen und dann glauben, dasz danach die Welt besser
wird oder sich auch nur irgendwas am Rassismus in Oesterreich aendert?
Wo sind die kritischen Massen, die die aktiven antirassistischen
Gruppen und Personen unterstuetzen?
*Ein paar Leute aus dem 10. Hieb*



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