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Aussendezeitpunkt: Di, 25.01.00, 16:49 *
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Antisemitimusdebatte/In eigener Sache:

> Liebe Akin!

Die im letzen Leserbrief (akin 2/00, akin pd 18.1.) behandelte Frage:
ist die Akin zum Antisemitismus uebergewechselt haben wir uns auch schon
mehrmals gestellt.

Nicht nur in Bezug auf den Leiter der juedischen Gemeinde in
Pristina, den Ihr so locker als Luegner hinstellt. (Die
Entschuldigung ist ja mehr als eigenartig)

Seit dem letzten Fruehjahr finden wir die Akin eigentlich nicht
mehr lesbar.

Kein Wort ueber die Massenvertreibungen der Roma, statt dessen das
staendige unterschwellige Gleichsetzen der Geschehnisse in
Jugoslawien mit dem Holokaust, wenn das nicht der aergste
Rassismus und Antisemitismus ist?

Wir wollen keine seitenlangen Abhandlungen schreiben, was uns
alles noch aufgestoszen ist in letzter Zeit (sonst findet Ihr
wieder keinen Platz fuer Menschen wie einen Leiter der juedischen
Gemeinde in Pristina, weil ja das gegenseitige Wadlbeiszen so viel
wichtiger ist).

Wir wollten die Akin schon mehrmals abbestellen, haben es
eigentlich nur aus Traegheit nicht getan und vielleicht, weil wir
noch eine gewisse linke Restnostalgie haben. Aber es geschieht ja
alles, um einem auch die letzten Illusionen kaputt zu machen.

Viele Gruesze *B. und R. Langthaler*


*****

Anmerkung der Redaktion:

Obstehender Leserbrief ist uns nur zum Teil verstaendlich. Eine
dataillierte Begruendung der Vorwuerfe waere uns schon lieber gewesen.
Auch ist moeglicherweise zwar in einem Diskussionsbeitrag der
Holocaust-Vergleich gefallen, die gegenteilige Meinung aber
wahrscheinlich auch. In der akin ist so fast jede Position zum Kosovo-
Krieg vertreten worden, da die Debatten recht heftig waren.
Redaktionsstandpunkt war der Holocaust-Vergleich aber sicher nicht.

Dennoch hat der Leserbrief in unserer Redaktionssitzung eine heftige
prinzipielle Debatte hervorgerufen, die sich in den folgenden beiden
Texten niederschlug:

*****


> Ist die akin antisemitisch?

Gedanken ueber Hysterie in der Politik

Zu der interessanten Fragestellung, ob das Produkt der akin-
Redaktion sich neuerdings dem Antisemitismus zugewandt habe, kann
es eigentlich zur allgemeinen und besonders zu Eurer Beruhigung
nur heiszen: Nein, hat es nicht. In der akin-Redaktion duerften
Antisemiten, Anti-Christen oder Anti-Hinduisten stark in der
Minderheit sein. Auch der Fluegel der Anti-Buddhisten, Anti-
Muslime oder Anti-Mormonen ist nicht so stark vertreten. Wieder
andere haben interessanterweise auch nichts gegen die Zeugen
Jehovas. Nicht allgemeine Redaktionsmeinung, jedoch meine
Ueberzeugung ist, dasz alle an das glauben sollen, was sie fuer
richtig und erstrebenswert halten, wenn sie niemand damit quaelen
oder nerven - mit oder ohne Paradies, heiligen Kuehen, Goettern
aller Art, Mistkaefern, Jungfernzeugungen, tollen baertigen
Propheten, Thora-Rollen, huebsch angemalten Kruzifixen und
dergleichen Herrlichkeiten mehr. Warum nicht - das Leben ist
kompliziert und die Seele ein weites Land.

Wie kann ein Atheist und Agnostiker ueberhaupt halbwegs serioes
mit Antisemitismus-Vorwuerfen umgehen? Der Philosoph Liessmann
bezeichnet die bei manchen Linken ziemlich ausgepraegte Neigung zu
Hysterie angesichts endlich ertappter Feinde und vor allem
Irrlaeufer in den eigenen Reihen als "Wittern von Feindbildern".
Das Phaenomen geht ueber die Tendenz Eures Leserbriefes weit
hinaus - es duerfte ein linkes Grunddilemma sein. Bei vielen
Linken reicht es, den ideologischen Radar auf hoechste
Empfangsstaerke zu stellen und zu wittern und zu vermuten,
anstatt zu denken. Und je mehr vermuten, wittern und nicht mehr
denken, desto schneller gelingt die endgueltige Konstruktion der
Unterstellung von schon laengst vermuteten Boesartigkeiten wie
z.B. eben Antisemitismus. Oft genuegt eine vielleicht
miszverstaendliche Aeuszerung - und zack ! - es gibt wieder mal
frische neue Antisemiten - klare Feindbilder und endlich wieder
klare Auftraege zum Unschaedlich-Machen oder zumindest zum Um-
Erziehen. Wenn Liessmann meint, statt gedacht werde nur mehr be-
dacht, hat er nicht so unrecht.

Warum soll die akin das Interview mit Cedda Prlincevic nicht
kuerzen und mit dem Vermerk versehen duerfen, dasz es "trotz der
Einseitigkeit der Darstellung..." nicht uninteressant sei. Nur
weil er der Vorsitzende der Juedischen Gemeinde in Pristina war?
Na und? Wenn Prlincevic ein orthodoxer Priester, katholischer
Kaplan oder muslimischer Lehrer gewesen waere, haette kein Hahn
danach gekraeht, waere sein Interview mit diesem Vermerk versehen
gewesen. Warum soll seine Glaubhaftigkeit von seiner
Glaubenszugehoerigkeit abhaengen? Erstens war das Interview auf
jeden Fall hoechst einseitig und mit eigenartigen albanischen
Verschwoerungs- und Faschismustheorien gespickt - und zweitens
duerften Leute wie Prlincevic im Luxusviertel von Pristina fuer
marodierende Banden nicht nur albanischer Coleur als
Systemrepraesentanten der verhassten serbischen Nomenclatura
gefundene Opfer gewesen sein.

Der letzte Punkt der Ueberlegungen koennte natuerlich wieder dazu
verleiten, nicht nur in Antisemitismus-Vorwuerfen zu verharren,
sondern diese noch weiter auszubauen. Der Fall bietet sich doch
an, und das Klischee stimmt auch hervorragend: die akin schreibt
von einem reichen Vorsitzenden einer Juedischen Gemeinde in einem
Luxusviertel - ist das nicht astreiner Antisemitismus? Ist es
nicht, werte Freunde! Zu Antisemitimus wird das ganze erst, wenn
die Religionszugehoerigkeit als so ungeheuer wichtig erachtet
wird. Mir sind Religionen schnurz-egal. Was Ihr hingegen treibt,
ist positive Diskriminierung, die ebenso wie die negative schadet
- vielleicht sogar etwas mehr, da sich die solcherart
Diskriminierten schwerer wehren koennen. Im uebrigen liegt es
voellig an Euch, ob Ihr Euch Illusionen irgendwelcher Art kaputt
machen lasst. *Fritz Pletzl*

*****

> Neutralitaet reicht nicht

Die Kritik von Fritz an dem Leserbrief von B. und R. Langthaler
ist unserer Meinung nach pseudo-naiv und stellt eigentlich ein
sehr negatives antisemitisches Klischee als neutral dar. Der
Standpunkt einer abstrakten Gerechtigkeit (Neutralitaet)
gegenueber einer diskriminierten Gruppe reicht nicht aus. Es
reicht nicht, eine neutrale Haltung z.B. gegenueber Juden zu
haben, damit man nicht Antisemit ist. Das heiszt, man kann nicht
einem Juden gegenueber naiv und neutral sein, als gaebe es keinen
Hintergrund und keine Geschichte, keine Erfahrungen und keine
Klischees. Man kann sehr wohl antisemitisch sein, indem man
neutral ist, wenn man nicht beruecksichtigt, dasz bei jedem, bei
einem selber wie bei einem (Zeitungs-) Publikum, Klischees
aufgerufen werden. Das heiszt, man musz mit solchen Stereotypen
vorsichtig sein, weil sie eine antisemitische Konnotation haben.
Es nuetzt nichts, sich auf die Idealvorstellung zu berufen, dasz
es Klischees nicht gibt und dasz keine Absicht besteht,
antisemitische Bilder hervorzurufen.

Natuerlich kann man trotzdem Kritik ueben, aber man musz
vorsichtiger und sensibler sein bei Gruppen oder Personen, die
diskriminiert werden. *Burgi Hirsch, Mariana Potocnik*


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