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Nachwahlkraempfe:

> Ohnmacht oder Aenderung

Es gibt alten Wein in alten Schlaeuchen - dazu haette es nicht einer
Frist von mehr als 100 Tagen gebraucht, wo zuerst sondiert und dann
verhandelt und so weiter wurde. Es darf niemand wundern, dasz auch der
Teil der Bevoelkerung mittlerweile schon stinksauer ist, der die
parteipolitischen Praktiken in Oesterreich bisherher stillschweigend
erduldet hat. Je nach Niveau der Beiseln reicht das Vokabular, das die
beschaemende Vorgangsweise dieser Regierungsausscheidungen analysiert
und kommentiert, von "Witzfigurenkabinett" bis zu "de Gfraster de".

Die bisherigen Hoehepunkte der Koalitionsverhandlungen sind schnell
aufgezaehlt: "Das Pensionsalter musz hinaufgesetzt und das Budget
saniert werden." Wenn die Verhandlungen mit diesem Ergebnis nur
peinlich waeren - okay und tausend Rosen. Das offizielle Oesterreich
ist nunmal aus irgendwelchen Gruenden immer schon peinlich gewesen,
besonders wenn es sich staatstragend gegeben oder international zu
Wort gemeldet hat. Etwas grauslich und penetrant, aber auch daran hat
man sich gewoehnt. Die jetzige Situation ist jedoch schlicht
desastroes - fuer die bisherigen politischen Eliten. So wenig
originell und fad zugleich haben sich Regierungsparteien noch selten
ausgeschalten. Vielleicht ist das langfristig aber gar nicht so
negativ und bietet Platz fuer noetige politische Alternativen zum
bisherigen resignativen Demokratiemodell made in Austria.

Wenn die um irgendwelche Regierungsformen kaempfenden Parteien es
vorziehen, ihre Legitimationsgrundlagen im Rahmen der Gefechte zu
destabilisieren, dann sollen sie dies tun. Je intensiver, desto
besser. Umso frueher muessen neue Richtlinien geschaffen werden, die
das politische System in Oesterreich aus der bisher legitimierten und
erstickenden Umklammerung der Parteien loesen. Dies kann in Form von
Direktwahlen der einzelnen Koerperschaften passieren und bis zur
Aufteilung der Regierungsressorts nach einem ideologischen Wahlkatalog
fuehren. Parteien koennten zwar nach wie vor am legislativen Prozesz
beteiligt werden, wuerden aber in der politischen Wertehierarchie
zugunsten direktdemokratischer Entscheidungsfindungen nur mehr in
beratender Funktion und als Anwaeltin ihrer jeweiligen ideologischen
Klientel beteiligt sein.

Natuerlich bergen Modelle einer umfangreichen Ausweitung der
demokratischen Moeglichkeiten aufgrund der traditionellen politischen
Stagnation und Unmuendigkeit Gefahren fuer die politische Stabilitaet
und die sozialen Errungenschaften in sich. Mittel- und langfristig
koennten jedoch die Vorteile ueberwiegen, denn Veraenderungen koennen
sich in einem Land der Neurosen, oft erschuettender Plumpheit und
aggressiv zur Schau gebrachten Einfaeltigkeit nur positiv auswirken.
FPOe-Wahlergebnisse in dem Ausmasz sind der Barometer fuer Ohnmacht
und zugleich aggressiv autoritaerer Hoerigkeit.

Man ist es gewohnt, an "politisch" zu denken, wenn die traditionell
geuebte Hofberichterstattung an einem vorueberzieht, die von den
Lippen irgendwelcher Regierungsmitglieder, die eigentlich keiner
gewaehlt hat, Bedeutsames abzulesen versucht. Der oft plumpe
Sachgehalt der elitaeren Aussagen wird auf eine irreale hoehere
politische Ebene entrueckt, wobei die Medien in Mitwirkung mit der
Publikumsakzeptanz als riesige Scheinwerfer wirken, die selbst
Plattheiten mit Ornamenten scheinbarer Wichtigkeit umgeben.
Demgegenueber koennen sich direktdemokratische Experimente in Prozesse
dauerhaften Engagements verwandeln, was sich zumindest in wesentlich
hoeheren Wahlbeteiligungen zu aktuellen Fragen zeigen wuerde. Haette
auch nur ein Teil der bisher voellig resignativen Bevoelkerung die
Gewiszheit, ueber sein Schicksal in gewissen Bereichen selbst
entscheiden zu duerfen - und auch das Erfolgserlebnis, dies durch
Plebiszite erfolgreich getan zu haben, koennte dies demokratische
Prozesse in Gang bringen, die sich im Parlament fortsetzen wuerden.
Vorrangig mueszten Diskussionen darueber gefuehrt werden, wo in
lebendigen Demokratiemodellen die Grenzen des Disponiblen liegen -
worueber darf entschieden werden und worueber nicht. *Fritz Pletzl*


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