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nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. *
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Aussendezeitpunkt: Di, 11.01.00, 15:20 *
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Moderne Zeiten:
WWW: Werbung, Werbung, Werbung
Erfunden haben das Internet die Militaers. Zivilisiert haben es
die Universitaeten. Der Allgemeinheit naeher gebracht haben es
politische und kuenstlerische Gruppen. Und das Kapital glaubt
jetzt, es gehoert ihm. Das beweisen die Klagen gegen die
Kuenstler-Sites Etoy.com und Leonardo.
Das Kunst- und Wissenschaftsnetzwerk Leonardo sieht sich von einer
Klage wegen Markennamenverletzung bedroht. Ein franzoesisches
Finanzunternehmen will der 30 Jahre alten Kuenstlervereinigung
untersagen, das Wort Leonardo auf ihrer Website oder fuer
irgendein anderes Produkt oder eine Dienstleistung zu verwenden
und beansprucht Schadenersatz in Hoehe von ueber einer Million
Dollar.
Die Klage wurde vom Unternehmen Transasia Corporation und
Nebenklaegern eingebracht, welche behaupten, kuerzlich die Rechte
fuer die Handelsmarken Leonardo, Leonardo Invest, Leonardo
Finances, Leonardo Partners und Leonardo Experts eingetragen zu
haben. Die vor einem Gericht in Nanterre, Frankreich, eingebrachte
Klage von Transasia stuetzt sich darauf, dass bei einer Abfrage
von Suchmaschinen mit dem Wort Leonardo nicht nur die eigenen
Sites, sondern auch Websites der Kunstorganisation Leonardo als
Antwort ausgegeben werden. Die Firma behauptet, 50% ihrer
Einnahmen ueber Internet-Marketing zu erzielen. Durch das
unguenstige Ranking bei den Suchmaschinen wuerden Gewinneinbuszen
von 20% verursacht. Transasia will deshalb der Kunstorganisation
die Benutzung des Wortes Leonardo auf allen Websites untersagen
und beansprucht ueber eine Million Dollar Schadenersatz.
Kommerz gegen '68er
Leonardo/ISAST und Association Leonardo sind nichtkommerzielle
Kunstorganisationen, die ein weltweites Netzwerk von Kuenstlern,
Wissenschaftlern und Akademikern vertreten. Seit 1968 publiziert
das Netzwerk die akademische Publikation Leonardo
(http://mitpress.mit.edu/e-journals/Leonardo/), die heute von MIT
Press herausgegeben wird. Die Organisation vergibt Preise,
organisiert Veranstaltungen und Konferenzen, gibt das Leonardo
Musik-Journal heraus und betreibt verschiedene Websites, wie z.B.
den Leonardo Electronic Arts Almanach (http://mitpress.mit.edu/e-
journals/LEA/). Das Netzwerk war in den sechziger Jahren von Frank
Malina gegruendet worden, als eines der ersten bahnbrechenden
Projekte, das Kunst, Wissenschaft und neue Technologien zu
verbinden versuchte. Publikationen von Leonardo erscheinen seit
1988 in verschiedenen Formen im Internet.
Als erstes Ergebnis der Klage kam es bereits zu einer
Hausdurchsuchung im eingetragenen Hauptsitz des franzoesischen
Zweiges der Association Leonardo - der Wohnung der ueber 80 Jahre
alten Witwe des Gruenders in einem Vorort von Paris. Die Witwe und
der achtjaehrige Enkelsohn sahen sich mit einer Truppe von 8
Polizeibeamten und einem Schlosser konfrontiert. Die Beamten
hatten den Auftrag, alle Papiere, auf denen das Wort Leonardo
erscheint, zu kopieren. In dem Haus befinden sich allerdings Teile
des umfangreichen fruehen Leonardo-Archivs, welches Dachboden,
Keller und Garage fuellt und das zu kopieren wohl einige Zeit
beanspruchen wuerde. Sarkastisch kommentierte Roger Malina,
Vorsitzender und Sohn des Gruenders, dass die Polizei das Archiv
leider nicht entsorgt habe, nachdem er, sein Bruder und ihre
Mutter seit Jahren keine Loesung fuer die Lagerung oder Entsorgung
der Unterlagen gefunden haetten.
Die in Frankreich und San Francisco, USA, registrierten Leonardo-
Organisationen sammeln nun Spenden fuer einen Leonardo-
Rechtsfonds, um sich mit allen zur Verfuegung stehenden
rechtlichen Mitteln zur Wehr zu setzen. Dasz Wirtschaftskonzernen
ungleich hoehere Mittel zur Verfuegung stehen; versteht sich von
selbst. Wenn der Klage Recht gegeben wird, koennten sie sich ihr
Recht ganz legal kaufen - in der Form von Markennamen. Und das
auch noch nachtraeglich. Damit haette die Plutokratie im Internet
endgueltig gesiegt.
Und fuer die Konzerne stehen die Chancen nicht schlecht. Ende
November hatte ein Gericht in Los Angeles eine einstweilige
Verfuegung ausgesprochen, die es der schweizerischen
Kuenstlergruppe Etoy verbietet, weiterhin den Internetnamen
etoy.com zu fuehren, da sich der Online-Spielzeug-Haendler eToys
in seiner Wettbewerbsfaehigkeit behindert fuehlte -- obwohl auch
in diesem Fall die Kuenstler vorher da gewesen waren, denn
Etoy.com gab es schon zwei Jahre bevor eToys.com gegruendet wurde.
Die Kuenstlergruppe hatte aus Angst vor hohen Geldstrafen
nachgegeben und fuehrt ihre Website jetzt als abgespeckte
Exilseite mit der numerischen Adresse weiter. Aus Solidaritaet
hatten sich einige Initiativen formiert, um mit Aktionen den Kampf
von Etoy gegen den Spielehaendler zu unterstuetzen, was bis hin zu
Vorschlaegen reichte, die Firma finanziell zu ruinieren oder die
Website zu cracken.
Widerstand
Nachdem die Internetinitiative RTMark zu einem "Internetspiel"
gegen Etoy.com aufgerufen hatte, um die Firma zu schaedigen, wozu
in Kooperation mit dem Electronic Disturbance Theater auch die
Duchfuehrung eines "virtuellen Sit-ins" gehoerte, das am 15.12.
begonnen wurde und den Zugang zur Website von Etoys.com erschweren
sollte, kam es zum naechsten Schritt. Auf Betreiben von Etoys.com
wurde unter anderem die Website von The Thing fuer 13 Stunden
gesperrt. The Thing ist ein nicht-kommerzieller Internetprovider
fuer Kuenstler, der auch die Website des Electronic Disturbance
Theater beheimatet hat, nachdem sie bereits zuvor wegen der
virtuellen Sit-Ins von der New York University verbannt wurde.
Mittlerweile haben sich auch bekannte Internetprominente wie John
Perry Barlow in den Konflikt eingemischt. "Das ist der Punkt", so
Barlow gegenueber Wired News, "an dem die Menschen zu erkennen
beginnen, dass es einen Unterschied zwischen der Internetindustrie
und der Internet Community gibt, und die Internet Community muss
sich zusammenschlieszen und sich mit einer Stimme aeuszern. ...
Hier kommen wirklich die Grenzen zwischen den traditionellen
Geschaeftspraktiken und den Praktiken ins Spiel, die im Cyberspace
entstanden sind. Es geht hier wirklich um die Entscheidung, ob wir
den Cyberspace zu einem besseren Ort machen wollen. Ich glaube, es
ist nicht idealistisch zu glauben, dass wir die Chance haben, neu
zu beginnen, wenn wir nicht aufgeben." *Telepolis, Leonardo/akin*
Weitere Infos und Links:
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/5624/1.html
***
Kommentar:
>Wer hat schon Angst vor dem Recht?
Vorige Woche habe ich auf Betreiben einer Beratungsfirma das Wort
"Oesterreich" gekauft. Es gehoert nun mir. Alle, die dieses Wort
oeffentlich in schriftlicher, in gesprochener, gesungener oder
irgendeiner sonstigen Form verwenden, muessen dafuer zahlen oder
hoeren von meinen Anwaelten. Diesbezuegliche und praeventiv
drohende, aber hoeflich gehaltene Schreiben sind auf dem Postweg
bereits an den Nationalrat und die Praesidentschaftskanzlei
unterwegs.
Gleichzeitig habe ich die Bevoelkerung benachrichtigt und auf die
schwerwiegenden Konsequenzen der miszbraeuchlichen Verwendung
hingewiesen. Naechste Woche kaufe ich dann das Wort "und" und
uebernaechste vielleicht den Buchstaben "e". Selbstredend sind
meine Vorhaben alle rechtlich abgedeckt. Waeren sie es nicht,
wuerde ich diese Schritte nicht unternommen haben. Wie dem Bericht
in dieser akin zu entnehmen ist, ist es einer franzoesischen
Finanzgesellschaft offensichtlich auch gelungen, den Markennamen
"Leonardo" zu kaufen. Warum soll ich "Oesterreich" nicht kaufen
koennen?
Natuerlich ist das ein Bloedsinn. Es ist aber natuerlich auch
Schwachsinn, dasz die Non-Profit-Organization "Leonardo" nicht
mehr mit dieser lang eingefuehrten Bezeichnung arbeiten kann, weil
es gefinkelte Advokaten und offensichtlich Rechtssysteme gibt, die
mit Vorliebe auch Schwachsinn und Ungerechtigkeiten zu
legistischen Normen erheben. Rechtspositivisten meinen, die
jeweiligen Staatsbevoelkerungen sollten sich gefaelligst an ihre
im jeweiligen Staat geltenden Gesetze halten und das demokratische
Procedere zum Abschaffen miszliebiger Gesetze durchlaufen.
Welche Aktionen koennen die von schlechten Gesetzen Betroffenen
setzen? 1. Man bombardiert den NR oder irgendwelche Abgeordnete
mit Beschwerdebriefen, ruft Buergerkommitees ins Leben, schreibt
empoerte Leserbriefe an die Kronen-Zeitung oder waehlt eine andere
Partei - dies alles beseelt von der Hoffnung, das ganz und gar
schlechte Gesetz moege allbaldigst geaendert werden. 2. Man
beachtet das Gesetz nicht und tut des weiteren, was man will. 3.
Vollkommen von der Absurditaet und des voellig unmoralischen
Einflusses eines Gesetzes auf die ansonst schuetzenswerte
Gesellschaft ueberzeugt, ruft man zur allgemeinen Gesetzes-
Nichtbeachtung dieses einen absolut schlechten Gesetzes auf und
hofft auf breiteste Massenunterstuetzung - sowohl was
Nichtbefolgung und Aufruf dazu betrifft. Wie alle wissen, gehoert
zu dieser Kategorie der in der Konzeption sicherlich geniale
Aufruf zur Nicht-Befolgung der Militaerstrafgesetze.
Der Aufruf inkludierte die fuer die Urteilsfindungen entscheidende
Floskel, man sei sich bewuszt, dasz die Unterschriftsleistung eine
Gesetzesuebertretung darstelle.Es setzte daher auch die bekannten
Urteile, worauf sich viele von neuerlichen Aktionen und Aufrufen
in dieser Richtung abschrecken lieszen. Obwohl alle Beweggruende
verstaendlich waren, sich der drohenden Strafverfolgung zu
entziehen, war dieser Aufruf demokratiepolitisch ein
Musterbeispiel an engagiertem Widerstand gegen ein schlechtes,
absurdes und menschenverachtendes Gesetz. Es war eine der wenigen
demokratischen Sternstunden in Oesterreich - eine konzertierte
Aktion gegen Staatsgewalt, die aufgrund von Kriegsnormen junge
Maenner in den Knast wandern laeszt, wenn sie als muendige
Menschen Befehle verweigern.
Um wieviel leichter mueszte es im Internet moeglich sein, absurde
Gesetze zu unterlaufen. Bei zunehmender Verwendung des Mediums ist
die Akzeptanz von rechtlichen Schranken immer weniger vorstellbar.
Einer der demokratischen Aspekte liegt sicher darin, dasz
weitgehend anomyme Akteure eine beliebig erweiterbare Arena fuer
gemeinsame Aktionen finden und mitgestalten koennen. Ich glaube,
dasz in Zukunft Firmen wie die franzoesische Finanzgesellschaft
oder der US-amerikanische Spielehaendler im Internet durch
demokratisch konzertierte Aktionen leicht eingebremst werden
koennten, ohne dasz sich irgendein User vor dem Gericht
widerfindet. Die Akteure werden nicht gerade die Zivilgesellschaft
sein, von der ein Andreas Khol traeumt. Dafuer verspricht
Engagement in dieser Richtung spannende Demokratieexperimente und
-prozesse. *Fritz Pletzl*
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