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Aussendezeitpunkt: Mi, 15.12.99, 10:03 *
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Neuseeland:

> Linksrutsch in letzter Minute

Die Gruenen kommen ueberraschend doch ins Parlament und bilden das
Zuenglein an der Waage. (Bericht vom 8.12.)

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Neuseeland (Aoteroa in Maori) hatte vor drei Jahren ein "Deutsches"
Wahlsystem, dort heiszt es auch "MMP" -- Multi-Member Proportional --
eingefuehrt. Im Endeffekt sind alle Parteien proportional im
120sitzigen Parlament vertreten, insofern sie zumindest einen Sitz in
direkter Wahl gewinnen oder 5% der Listen-Stimmen -- bekommen.

Vor zehn Tagen, am Wahlabend, gab's in Neuseeland zweierlei traurige
Gesichter: Die Rechten der National Partei, die die Regierung nach
zehn Jahren verloren hatten. Und die -- in Neuseeland ganz linken --
Gruenen, die -- wie es den Anschein hatte -- keinen einzigen Platz im
Parlament ergattern wuerden. Sie hatten mit 4.9% auf der landesweiten
Liste und mit 114 fehlenden Stimmen fuer die Direktwahl der
Parteifuehrerin Jeanette Fitzsimmons in Coromandel suedlich von
Auckland beide Moeglichkeiten knapp verfehlt.

Die Mitte-links Koalition der NZ Labour Partei unter der Fuehrung
Helen Clarkes und der etwas linkeren "Alliance" hatte anscheinend 63
der 120 Sitze im Wellingtoner Parlament gewonnen. Die Neuseelaender
hatten ein Dutzend Jahre des "Oekonomischen Rationalismus", der
rabiaten Privatisierung und der gewerkschafts-feindlichen Gehalts- und
Sozialabbau-Politik der Rechten satt. Sie hatten anscheinend auch der
Labour Partei verziehen, diese Politik schon vorher eingeleitet zu
haben.

Die Labour Partei hatte sich auch etwas durch ihre Zusammenarbeit mit
der "Alliance" nach links geoeffnet. Diese "Alliance" entstand, als
viele Labour-Leute -- durch die damalige rechte Politik enttaeuscht --
die Partei verliessen und unter Jim Anderton die "New Labour Party"
gruendeten. New Labour schlosz sich mit drei kleineren Parteien und
den neuen Gruenen zusammen, um die "Alliance" zu bilden.

Aber die groszen Hoffnungen, die die Alliance damals links geweckt
hatte, wurden im Laufe der Jahre enttaeuscht. Nach Anfangserfolgen
fiel ihr Stimmanteil unter 10% und vor zwei Jahren verliessen die
Gruenen dieses "Buendnis".

Die Gruende waren zum Teil "persoenlich": "Anderton" -- so einige
Gespraechspartner -- "hatte zu wenig Ruecksicht auf die Basis
genommen", z.T. "politisch" -- "die Alliance driftete nach Mitte-Links
ab, um "hoffaehig bei der Labour Partei zu werden"; sie entwickelte
sich zu sehr zu einer "parlamentarischen statt aktivistischen" Partei.
Auch wurden die kompromisz-feindlichen Gruenen von der konservativen
National Party als "Buergerschreck" verteufelt, so dasz Labour und in
gewisser Weise auch die Alliance, sich von diesen "Radikalen"
distanzierte.

Aber auszer den "hohen politischen" gab es z.T. auch rein taktische
Gruende fuer die Scheidung: "Als Mitglied der Alliance konnten die
Gruenen nur 2, 3 Sitze und wenig Einfluss im Parliament erwarten. Im
Alleingang koennten sie" (so Chris Trotter, Redakteur der New Zealand
Political Review) auf mehr Sitze, auch groesseren Einfluss, hoffen."
Aber am Wahlabend des 27. November schien diese Taktik verfehlt.
Labour gewann, verfuegte nach dem vorlaeufigen Endergebnis ueber 52,
die Alliance ueber 11 Sitze. 63 gesamt -- eine absolute Mehrheit der
120 im Parlament. Die Gruenen anscheinend: Null.

Aber heute kam die Ueberraschung. Die verspaetete Auszaehlung der
"Spezialstimmen" der hunderttausenden Neuseelaender, von denen viele
in den Jahren der konservativen Regierung nach Australien abgewandert
waren, aber noch in ihrer Heimat das Wahlrecht behielten, veraenderten
das Endergebnis in einer unerwarteten und entscheidenden Weise:

Die neuseelaendischen Gruenen erhielten proportional viel mehr Stimmen
in Australien als im eigenen Lande, Stimmen genug um 6, vielleicht
sogar 7 Leute ins Parlament zu bringen. Partei Chefin Jeanne
Fitzsimmons gewann schlieszlich ihren Wahlkreis direkt mit 246 Stimmen
Vorsprung, und die Zaehlung der Listenstimmen ergibt schon jetzt einen
Anstieg auf 5,2% -- und steigt, so der gruene Kandidat Keith Locke,
"weiter, auf 5,3%". Der Aucklander Bibliothekar Locke,
Auslandssprecher der Gruenen, ist etwas verlegen, er hat den 7.
Listenplatz. Mit 5.3% kommt auch er ins Parlament.

Der gruene Erfolg geht zum Teil auf Kosten der Labor-Alliance-
Koalition, die heute abend nur 60 oder vielleicht nur 59 Sitze
behaelt, und deren Regierung jetzt auf das Wohlwollen der "radikalen"
Gruenen angewiesen ist.

Locke: "Die Labour-Alliance Koalition hat uns hart bekaempft. Sie
wollten verhindern, dasz wir ins Parlament kamen. Um ein Haar hatten
sie das auch erreicht. Aber jetzt sind wir doch drinnen, und wir
werden eine ehrliche, und linke, Politik ueberwachen. Wir werden die
Regierung nicht stuerzen -- ausser wenn sie wirklich etwas
Unmoegliches macht -- aber diese Regierung wird ihre Versprechen
halten muessen, wenn sie unsere Unterstuetzung erwartet." "Und sicher,
obwohl nicht in der Regierung -- werden wir einen Unterschied in den
kommenden drei Jahren machen!" *Max Watts, Sydney*

> Nachtrag

Mittlerweile sind die Stimmen vollstaendig ausgezaehlt. Die Gruenen
erhalten tatsaechlich 7 Mandate. Helen Clarke hat darauf am Donnerstag
ihre Regierungsmannschaft vorgestellt. Unter den insgesamt 25
MinisterInnen sind elf Frauen. Das Auszen- und Handelsministerium
uebernimmt der Labour-Politiker Phil Goff. Clarkes Stellvertreter wird
Jim Anderton. *akin*


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