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Aussendungszeitpunkt: 11.12.1999; 19:30
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Balkan:

>Unterstuetzt KFOR albanische Banden?

Folgendes Interview haben wir von der RKL uebermittelt bekommen und geben es -- stark
gekuerzt -- wieder, da es trotz der Einseitigkeit der Darstellung nicht uninteressant ist.
Der Interviewte ist CEDDA PRLINCEVIC, der Direktor des Archivs von Kosovo und
Metohija, (d.i. eine Dokumentationsstelle ueber die Geschichte der Serben, Tuerken,
Albaner und Juden, die im Kosovo gelebt haben und ueber das gesellschaftliche System
des Kosovo). Er war auch Vorsitzender der Juedischen Gemeinde von Pristina, und nahm
am "Wiener Tribunal" gegen oesterreichische Politiker am 4. Dezember 1999 teil. Das
Interview wurde in zwei Teilen gefuehrt. Der Interviewer des 1.Teils ist Jared Israel, im
2.Teil kommt Nancy Gust hinzu.

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#Frage: Sie sind der Vorsitzende der Juedischen Gemeinde in Pristina?

Cedda: Es war eine kleine Gemeinde. Wir sind alle weggegangen.

#: Wieso sind Sie weggegangen?

Cedda: Weil eine politische Konfliktloesung zu einer rein militaerischen Entscheidung
geworden ist. Auf die Buerger wurde Druck ausgeuebt. Man wurde nicht danach gefragt,
welcher Nationalitaet man angehoert, man wurde mit Gewalt dazu gebracht, die Wohnung
und die Stadt zu verlassen. Obwohl ich ein Dokument hatte, in dem in englischer Sprache
vermerkt war, dasz ich der Vorsitzende der Juedischen Gemeinde in Pristina bin und das
vom Vorsitzenden der Juedischen Gemeinde in Belgrad, Herrn Singer, unterzeichnet ist,
haben die Militaers der KFOR sich geweigert, dieses Dokument anzuerkennen, und ich war
eine Woche lang in meiner Wohnung gefangen. Spaeter habe ich es noch einem weiteren
Vertreter der KFOR vorgelegt, der darauf antwortete: "Ich hab was anderes zu tun!"

@ANTWORT NOT = Es waren Kraefte, die aus Albanien ins Land kamen. Ihr Hauptziel
war, alle, die keine Albaner waren, aus dem Land rauszukriegen. Mit der Hilfe von Eliz
Viza
aus Israel und des Vorsitzenden der Juedischen Gemeinde von Skopje bin ich rausgeholt
worden, im Taxi wurde ich zusammen mit meiner Frau und meiner Tochter nach
Mazedonien gebracht, und von dort kam ich nach Belgrad. Die ganze Rettungsoperation
wurde vom israelischen Fernsehen dokumentiert. Insgesamt gab es 40 Leute juedischer
Herkunft im Kosovo, alle in gemischten Ehen, jeweils mit albanischen, tuerkischen und
serbischen Partnern/Partnerinnen verheiratet. Sie haben alle beschlossen, nach Israel zu
gehen. Es ist zu spaet fuer uns, wieder in den Kosovo zurueckzugehen. Obwohl wir eine
Garantie von Thaçi, dem Fuehrer der UÇK, hatten, dasz unsere Wohnungen verschont
bleiben wuerden, haben wir erfahren muessen, dasz alle unsere Wohnungen und Haeuser
vollstaendig ausgepluendert und zerstoert worden sind. Das bedeutet, dasz die UÇK und
Thaçi keine Kontrolle mehr ueber die Lage haben.

#: Haben sich jemals Ihnen gegenueber Serben antisemitisch verhalten?

Cedda: Das war nie der Fall. Auch die Albaner nicht. Ich war Manager und hatte mit
Albanern und Serben zu tun. Wir wurden aus dem Kosovo nicht von Albanern aus Pristina
verjagt, sondern von Albanern aus Albanien.

#: Mit anderen Worten: all die Leute, die auf der Strasze den einziehenden deutschen
Truppen zujubelten, gehoerten nicht zur lokalen Bevoelkerung?

Cedda: Das waren dieselben Leute, die in Albanien vor einigen Jahren demonstriert und
das ganze Land verwuestet haben, die sind jetzt im Kosovo.

#: Sind diese Leute von der KFOR in voller Absicht ins Land gebracht worden?

Cedda: Das kann ich Ihnen nicht sagen.

#: Fragen wir's einmal anders: sie sind nicht aufgehalten worden?

Cedda: Niemand haelt sie auf. Und wenn sie jetzt noch die Unterstuetzung haben ... Die
KFOR war am Ort, hat alles gesehen und hat alles, was sie getan haben, zugelassen.

#: Wie ist das passiert? Hat es Drohungen gegeben, nachdem Sie sich an die KFOR
gewandt hatten?

Cedda: Sie kamen zu unserer Wohnung und drohten uns, sie wuerden uns toeten. Meine
Frau verteidigte mich. Sie stand vor der Tuere und verteidigte mich. Dann kam ein
Vertreter der Juedischen Gemeinde zu uns und verfrachtete mich in ein Taxi.

#: Ihre Frau ist sehr mutig.

Cedda: Sie ist sehr mutig und ich bin stolz auf sie.

#: Gehen wir noch einmal zu den Leuten zurueck, die zu ihrer Wohnung gekommen waren.
Waren sie bewaffnet?

Cedda: Mit Maschinengewehren. Sie haben das Gebaeude und das ganze Wohnviertel
komplett gesaeubert. Im Wohnviertel lebten 30.000 Leute, sie haben es vollkommen
gesaeubert. Sie gingen von Wohnung zu Wohnung und von Gebaeude zu Gebaeude.

#: Haben sie jemanden getoetet?

Cedda: Am Anfang wurde eine Person, eine Familie namens Kompiç ermordet, das war
natuerlich Grund genug fuer uns, keinen Widerstand mehr zu leisten. Die ganze Nacht
hindurch haben sie an die Tueren gehaemmert und geschlagen und sind in die
Wohnungen eingedrungen, eine nach der anderen.

#: Waren das Privatwohnungen?

Cedda: Das war ein Haus mit Appartments. Viele Leute, die hier wohnten, hatten eine
gesellschaftliche Position in der Stadt. Auch Albaner, die in diesem Gebaeude wohnten,
sind geflohen. Es waren nicht nur Serben, sondern es war ethnisch gemischt. Das war
etwas, was in der Geschichte des Kosovo bisher vollkommen unbekannt war. Im Kosovo
lebten in einer multiethnischen und multireligioesen Gesellschaft die Menschen 500 Jahre
zusammen, ein solches Ausmasz an Hasz wie jetzt hat es nie gegeben.

#: Sie sagen also, dasz Albaner in groszer Anzahl aus Albanien hierher geschickt wurden?

Cedda: Das ist ein Pogrom an der nicht-albanischen Bevoelkerung im ganzen Kosovo, in
Djakovica, Pec, Kosovska, Mitrovica, in ganz Metohija.

#: Aber die Verursacher sind nicht die ortsansaessigen Albaner?

Cedda: Es sind die auslaendischen Albaner. Sie sprechen eine andere Sprache, einen
anderen Dialekt. Das ist die gleiche Situation im ganzen Kosovo. Ich kann nicht mit
hundertprozentiger Sicherheit sagen, dasz es sich ausschlieszlich um Albaner aus
Albanien handelt. Aber ich habe es nie erlebt, dasz ein Albaner von nebenan an seinem
Nachbarn Rache genommen hat.

#: Haben Sie versucht, zur KFOR zu gehen?

Cedda: Die KFOR war im Gebaeude, als sie ankamen. Als die Albaner damit begannen,
Wohnungen zu zerstoeren, kam eine Person, die mit KFOR bezeichnet wurde, ein
Kommandant der KFOR, ins Gebaeude, er war mit seiner Gruppe schon da. Ein ganzer
Haufen Albaner ging da ununterbrochen die Stiegen auf und ab, 24 Stunden lang gingen
sie die Stiegen auf und ab und uebten auf die Leute Druck aus, schlugen an die Tueren,
drangen in die Wohnungen ein, verwuesteten die Wohnungen. Einige Male setzten sie
Traenengas ein und pluenderten.

#: Haben die KFOR-Leute das eigentlich beobachtet?

Cedda: Ja. Sie haben ueberhaupt nicht reagiert.. Sie haben niemanden beschuetzt. Sie
haben gesagt, dieses Problem geht die zivilen Behoerden an. Sie seien nur fuer Morde
zustaendig.

#: Wer waren denn diese zivilen Behoerden?

Cedda: Sie waren noch gar nicht entstanden, es gab keine. Die Bevoelkerung hat sich von
der KFOR konkrete Sicherheit erwartet und deswegen sind die Leute gar nicht
wegegangen und in ihren Haeusern geblieben. Und das hat uns am allermeisten
ueberrascht. Statt dasz sie die Bevoelkerung verteidigen, warten sie blosz ab und schauen
zu, als ob es sich da nicht um etwas Gravierendes handeln wuerde. Im Juni und Juli haben
300.000 Nicht-Albaner den Kosovo verlassen: Serben, Tuerken, Gorani [Anm. slawische
Muslime], Zigeuner, das heiszt Roma, also Leute aus Montenegro. Dreihuntertausend.

#: Und Sie haben gesagt, es wurden auch Albaner aus dem Kosovo bedraengt?

Cedda: Ja, die projugoslawisch waren. Wir waren loyale Buerger dieses Staates.

#: Und die Leute, die dort wohnten...

Sie wurden ihrer beruflichen Taetigkeit entsprechend eingeschaetzt.

#: Wurden also die Leute, mit denen Sie dort zusammenwohnten, von diesen Banden als
Kollaborateure angesehen, weil sie in einem ethnisch gemischten Bereich lebten?

Cedda: Nein, es war nur die gesellschaftliche und politische Position.

#: Was meinen Sie damit genauer?

Cedda: Es wurden diejenigen angegriffen, die gegen ihre separatistische Bewegung
waren, die die Separatisten nicht unterstuetzten.

#: Hatten die Leute eine Uebersicht ueber die Bewohner?

Cedda: Ja, die kannten sie. Ein jeder loyaler Buerger Serbiens wurde bestraft. Es spielte
gar keine Rolle, welcher Partei er angehoerte, der Opposition oder der Regierungspartei.
Es gibt unterschiedliche Parteien, Ideen, Religionen und Nationalitaeten, aber ...

#: Aber das hat sie nicht interessiert?

Cedda: Nein. Ihre Aufgabe war es, das Konzept Groszalbanien im Kosovo durchsetzen.
Ein Konzept aus dem 2. Weltkrieg, aus dem Faschismus.

#: In der US-Presse wurde berichtet, dasz waehrend der Bombardierungen die Albaner von
Serben angegriffen worden seien. Haben Sie das selbst beobachtet?

Cedda: Das war ein sehr schmutziger Krieg, ein Krieg zwischen dem Heer und den
Separatisten. Ich hatte ueberhaupt nichts mit dem Kampf zwischen der Armee und der KLA
(=UÇK ) zu tun.

#: Aber Sie waren in Pristina. Sie waren der Oberarchivar des Kosovo. Und Sie haben
Informationen! Ich bin sicher, dasz Sie was wissen. Sie wissen, ob es Leute gab, die die
anderen massakriert haben, sie haben von albanischen Freunden erfahren, wie die
Situation war, Sie wissen, ob das jugoslawische Heer daran beteiligt war, ob der CNN die
Wahrheit gesagt hat oder gelogen hat, Sie wissen tausend Mal mehr als ich, und wenn Sie
einfach nur die Wahrheit sagen.

Cedda: Es sind schlimme Sachen passiert. Aber die Serben als Volk und als Nation ...
sind eine Nation, die vom Beginn ihrer Geschichte bis zum heutigen Tag keinen Genozid
begangen haben. Allerdings haben Individuen gewisse Dinge veruebt, die nicht haetten
geschehen duerfen. Aber es gibt Leute, die das verwenden, es uebertreiben und die
Schwarzen Schafe sind dann wir. Schauen Sie, die Serben hatten keine Probleme mit den
Kosovoalbanern, und so wie sie auch Albaner gerettet haben, so haben Albaner,
besonders in der letzten Phase, Serben gerettet, sobald aber die KFOR ins Land kam und
die Grenzen nach Mazedonien und Albanien geoeffnet wurden, kam eine Menge von
Albanern ins Land und das Resultat war Chaos und Mord. Also was ich sagen will:
Waehrend der Bombardierungen hat es an den Orten, wo die Leute lebten, keine
Massaker seitens der lokalen Bevoelkerung gegeben. Die Serben verteidigten die Albaner
vor den paramilitaerischen Einheiten.

#: Nicht vor der jugoslawischen Armee? Haetten Sie sie sie nicht auch vor der Armee
verteidigen muessen?

Cedda: Nein, vor der Armee nicht, auch vor der Polizei nicht, noch vor den regulaeren
serbischen Truppen. Das nicht. Aber als sich die Armee zurueckzog, gab's auf beiden
Seiten paramilitaerische Gruppierungen und das war dann eine schmutzige Sache.

#: Aber waehrend der Bombardierungen?

Cedda: Da hat es ueberhaupt keine Massaker gegeben. In Pristina zum Beispiel saszen
wir zusammen mit den Albanern im Keller: die "Zigeuner", das heiszt die Roma, Serben,
Tuerken, Albaner, Juden, alle Mieter ein und desselben Wohnblocks.

#: Sie sagten, viele Albaner seien vor der KLA (=UÇK), vor den Banden geflohen. Wissen
Sie, wieviele es waren?

Cedda: 15.000 gingen in die Vojvodina, 30.000 nach Belgrad, und noch viele andere.

#: Woher wuszten die Banden, die die Gebaeude angriffen, wen sie zuvertreiben hatten?

Cedda: Sie hatten genaue Unterlagen ueber jeden Einzelnen. Sie kamen auch in die
Bueros. Alle Regierungsinstitutionen wurden besetzt. Die Gangster kamen an alle
Arbeitsplaetzen: in die Gemeindeverwaltung, in die Gerichte und Universitaeten, an alle
Orte, die oeffentlich waren, in die Post, in den oeffentlichen Dienst, sie drangen in die
Gebaeude ein und verschleppten die Leute. Sie hatten eine Aufstellung ueber alle
Personen und deren Funktionen an den einzelnen Arbeitsorten.

#: Hat es weitere Morde in Ihrem Wohnblock gegeben?

Cedda: Es gab mehrere Morde. Ich hab keinen Ueberblick darueber, denn die allermeisten
Leute sind weg. Die, die Widerstand geleistet haben, sind getoetet worden.

#: Wurde dieses Gebaeude besonders ausgewaehlt?

Cedda: Es war das ganze Wohngebiet betroffen, das aus Gebaeuden bestand, deren Bau
1990 begonnen und 1995 fertiggestellt wurde. Es waren Luxusappartments, zumindest
nach unserem Standard, moderne Gebaeude und Eingangshallen. Eine Reihe von
weiteren Anlagen gehoerte dazu.

#: Waren alle Leute, die dort wohnten, Regierungsangestellte?

Cedda: In diesem Bereich lebte die Elite der Stadt. Die Mehrheit bestand aus
Universitaetsprofessoren, Managern verschiedener staatlicher und oeffentlicher
Organisationen, Doktoren, Aerzte und Rechtsanwaelte.

#: Zu welchem Zeitpunkt sind die Banden aufgetreten? War das sofort oder erst nach ein
paar Wochen?

Cedda: Sie kamen mit ihnen zusammen, mit anderen Worten: es erschien die KFOR, und
es erschienen die Banden.

#: Wann griffen sie den Wohnblock an?

Cedda: Sie haben sofort damit begonnen. Als die Russen vor den Briten am Flughafen
eintrafen, war allgemein erwartet worden, dasz die Russen die Bevoelkerung schuetzen
wuerde. Das war nicht der Fall.

#: Wie lange dauerte es, bis ihr Wohnkomplex angegriffen wurde? Wann geschah das?

Cedda: An dem selben Tag, an dem die Briten meinen Stadtteil betraten, begannen die
Banden in diesem groszen Areal einzelne Gebaeude anzugreifen. Sie kamen in
unterschiedlichen Gruppen, nicht zusammen Arm in Arm, sie kommen, sie gehen wieder
weg, sie sind bald hier und bald dort, sehr oft sieht man, wie sie zusammen auftreten,
aber
beide haben eine unterschiedliche Organisation.





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