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Aussendezeitpunkt: Di, 23.11.99, 22:03 *
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Umwelt/Verkehr:

> Biobauern statt Biosprit

Mit Rapsdiesel fahren wir in eine Oeko-Sackgasse


"Wir pflanzen unseren Treibstoff selbst", "Endlich geht's in
Richtung Biosprit", "Molterer will fuer Steuerfreiheit von
Biosprit kaempfen". Mit solchen Schlagzeilen wird in den letzten
Monaten Stimmung gemacht, damit veielleicht ab demnaechst dem
normalen Sprit 2% Biodiesel beigemischt werden kann.

Ein Grund liegt in der Krise der Landwirtschaft. Hervorgerufen
durch die Politik der WTO und der EU muessen immer mehr Bauern
aufgeben, da mit den traditionellen Produkte wie Milch und Fleisch
kein Leiberl mehr zu reiszen ist. Die Folge: Durch das
Bauernsterben liegen immer groeszere Flaechen liegen brach. Bei
Fortfuehrung der weltmarktorientierten Landwirtschaft rechnet man
innerhalb der EU bis 2005 mit der Stillegung von 80.000 km2
landwirtschaftlicher Nutzflaeche. Gleichzeitig besetzt die EU in
der Dritten Welt 150.000 km2 Landflaeche fuer billige
Futtermittelimporte. Das Problem der ungenutzten Flaechen, eines
der Hauptargumente fuer den Anbau nachwachsender Rohstoffe, wuerde
sich bei einer Selbstversorgung der EU mit Futtermittel weitgehend
von selbst loesen.

Jetzt sucht man nach einem neuen Verwendungszweck fuer diese
Flaechen. Findige Koepfe des Agrobusiness haben schon eine Loesung
gefunden: Nachwachsende Rohstoffe. Denn seit die Gefahr eines
zunehmenden Treibhauseffektes die Energieversorgung mit fossilen
Brennstoffen in Frage stellt, sucht man nach neuen Wegen in der
Energieversorgung. Nachwachsende Rohstoffe gelten dabei als
Alternative zu den fossilen Brennstoffen. Fuer die konventionelle
Landwirtschaft ein Gluecksfall, da sie durch die sinkenden Preise
ihrer Produkte nach neuen "Standbeinen" sucht.

Die unwirtschaftlichen bzw. stillgelegten Flaechen sollen nun
durch den Rapsanbau wieder einen "Ertrag" abwerfen. Vordergruendig
argumentiert man mit den oekologischen Vorteilen von Biosprit; so
versucht man in der Bevoelkerung die Akzeptanz fuer die Foerderung
bzw. Steuerfreiheit zu erreichen. In Wirklichkeit sehen Minister
Wilhelm Molterer und die Spitzen der Agrarverbaende in der
beabsichtigten Beimischung von Biodiesel zum Dieselkraftstoff eine
Rettungsaktion vor allem fuer die maechtigen
niederoesterreichischen Getreidebauern.

*Wie sind aber diese Energiealternativen innerhalb des*
*oekologischen Landbaus zu bewerten?*

Denn wenn Oesterreich wirklich ein Oekomusterland werden will, ist
das nur auf Basis des Biolandbaus moeglich. Schadstoffarme
Lebensmittel ohne Gentechnik, kombiniert mit einer schoenen
Kulturlandschaft und gerecht bezahlten Bauern bekommt der
Konsument nur bei einer flaechendeckenden Umstellung auf
Biolandbau. Wenn das Ziel eine voellige Oekologisierung der
Landwirtschaft ist, stellt sich allerdings die Frage, ob dann
ueberhaupt noch Flaechen zum Anbau nachwachsender Rohstoffe zur
Verfuegung stehen werden.

Welche Veraenderungen auf uns zukommen, sei am Beispiel der
Tierhaltung analysiert: Um ein Rind oekologisch bzw. artgerecht zu
halten, duerfen maximal 2 Rinder auf 3 Hektar gehalten werden.
Drei Hektar benoetigen zwei Rinder um genug Nahrung zu finden,
denn Biobauern duerfen nur im Notfall Futtermittel zukaufen.

Fuer den aktuellen Rinderbestand von 2,2 Millionen Stueck wuerde
man, um die Kriterien des oekologischen Landbaus zu erfuellen,
bereits fast die gesamte oesterreichische landwirtschaftliche
Nutzflaeche von 33.000 km2 benoetigten. Durch unseren
uebermaeszigen Fleischkonsum von jaehrlich 100kg pro Kopf wuerden
in Oesterreich kaum mehr Anbauflaechen fuer Gemuese, Getreide,
etc. uebrigbleiben. Es stellt sich die Frage wo dann noch Flaechen
fuer Biosprit uebrigbleiben? Denn fuer den Rapsanbau, der
genuegend Ertrag fuer eine 2%ige Beimengung zum Diesel erbringen
soll, benoetigt man ein Gebiet so grosz wie die Ackerflaeche von
Tirol, Kaernten und Vorarlberg zusammen.

Der konventionelle Anbau von nachwachsenden Rohstoffen verursacht
durch den Einsatz von Duenger und Pestiziden zusaetzliche CO2-
Emissionen - und ist daher nicht CO2-neutral. Der Rapsanbau
benoetigt die doppelte Menge Duenger wie der Weizenanbau. Bei
guenstigen Standortverhaeltnissen muessen bis zu 200 kg
Nitratduenger pro Hektar aufgetragen werden. Auch der hohe Einsatz
von Pestiziden wird von allen Experten bestaetigt.

Selbst die Bioenergie-Cluster Oesterreich Studie, die im Auftrag
von Landwirtschafts-, Umwelt-, Wirtschafts-, und
Verkehrsminsterium in Auftrag gegeben wurde, stellte 1998 fest,
dasz der Anbau von Raps zur Dieselbeimischung nur marginale
Umweltwirkung hat.

Dagegen hat der oekologische Landbau gegenueber der
konventionellen Landwirtschaft durch das Verbot von synthetischen
Duengemittel und durch ausschlieszliche Verwendung hofeigener
Futtermittel 66% weniger CO2-Emissionen zu verzeichnen.

Zur Loesung des Energieproblems stehen nur begrenzte finanzielle
Mittel zur Verfuegung, daher sollte mit geringstem Geldeinsatz die
groesztmoegliche CO2-Reduktion angestrebt werden. Deshalb muessen
die nachwachsenden Rohstoffe mit konkurrierenden
Energiealternativen wie Solarenergie, Wind- und Wasserkraft
verglichen werden.

Die Kosten zur Einsparung einer Tonne CO2 durch den oekologischen
Landbau liegen bei nur 25% der Kosten fuer die Einsparung durch
die Verwendung von Biodiesel. Jeder Schilling der in den Einbau
von Solaranlagen gesteckt wird, produziert zwei- bis zehnmal
soviel Energie, wie dies ueber Raps oder Ethanol moeglich ist.
Eine 18 m2 grosze Solaranlage als "Energieacker" auf dem Dach
ersetzt 10.000 m2 Ackerflaeche fuer Energieraps!

Durch die Befreiung von Rapsdiesel von der Mineraloelsteuer
ergaebe sich ein Steuerausfall von 300 Millionen Schilling. Anders
gesagt: Eine geplante Rapsdieselbeimengung von 2% spart bei einer
Foerderung von 300 Millionen Schilling netto 36.000 Tonnen Diesel.
Wuerde man diese Foerderung in Waermedaemmung investieren, koennte
dreimal soviel Diesel eingespart werden. Und im Fernwaermebereich
koennte so neunmal soviel Energie gespart werden.

Der Beitrag der Biobauern zur kuenftigen Energieversorgung wird
hauptsaechlich von Durchforstungsholz, Industrierestholz, Altholz,
etc. erbracht werden. Mit flaechendeckendem oekologischen Landbau
wuerde mehr CO2 eingespart werden als durch den Ersatz von
fossilen durch nachwachsende Rohstoffe.

*Der richtige Biosprit*

Wuerde Biodiesel aus Raps gezielt fuer Traktoren, Pistenraupen und
in der Binnenschiffahrt angewandt, koennte die Umwelt effektiver
geschuetzt werden - und auch die Bauern haetten ihren Vorteil.
Doch die Realitaet sieht anders aus: Den Oeko-Diesel sollen alle
verwenden nur die Bauern nicht. Die sollen zur Entlastung ihrer
Geldboersen und nicht der Umwelt ihre Traktoren mit Heizoel extra
leicht betreiben duerfen. Oekologie ist also der Heizoeltraktor
auf dem Biodiesel-Rapsfeld!

Nur Biosprit hergestellt aus Altspeiseoel wird dem Namen "Bio"
wirklich gerecht. In Mureck, einer kleinen Stadt nahe der
slowenischen Grenze, steht die europaweit einzige Anlage, in der
Altspeiseoel in Biodiesel umgewandelt werden kann. Der Preis fuer
den Biosprit ist gleich hoch wie jener fuer fossilen Diesel. Nach
geringen Adaptionen kann jedes Fahrzeug mit dem Recyclingdiesel
betankt werden, die modernen Oelbrenner mit Direkteinspritzung
muessen ueberhaupt nicht umgeruestet werden. In Graz fahren
bereits 25% der Stadtbusse mit Oekodiesel.

Gut 2000 Tonnen Biotreibstoff produzieren die Betreiber der
Anlage, die Suedsteirische Energie- und Eiweiszgenossenschaft
(SEEG), pro Jahr. Von den 2000 Tonnen Biosprit werden zwei Drittel
aus Altspeiseoel gewonnen, der Rest aus Rapsoel. "Es koennten aber
weit mehr sein", erklaert Karl Totter, der Obmann der
Genossenschaft, "es mangle jedoch an Gebrauchtfett."

Zwar werden in Oesterreich 100 Prozent des industriellen Fettes
und beinahe 80 Prozent des Altoeles aus dem Gastrobereich
gesammelt, doch viele Unternehmen verkaufen ihr Oel in die
Niederlande. Dort wird daraus billiges Futtermittel hergestellt.
"Und das Zeug", beklagt Obmann Totter, "kommt in Schnitzelform
wieder zu uns zurueck."

Durch diesen Altspeiseoelexport hat Biodiesel in Oesterreich noch
immer einen verschwindend geringen Marktanteil. Auf nicht einmal
ein Prozent kommt der Alternativsprit auf dem oesterreichischen
Dieselmarkt. 2% Prozent Oekosprit in jedem Liter Diesel
beizumischen ist unrealistisch, meint auch SEEG-Obmann Totter :
"Das waere erstens nutzlose Verschwendung unseres wertvollen
Treibstoffes und auszerdem koennten wir niemals die noetige Menge
herstellen."

In den Privathaushalten waere fuer die Oelverwerter indes noch
einiges zu holen: Nur vier Prozent des Altspeisefetts werden dort
gesammelt und wiederverwertet. Laut einer 1997 erstellten Studie
der Grazer Universitaet landen vor allem aus diesem Bereich
oesterreichweit 24.000 Tonnen Altoel umweltschaedlich und
ungenutzt in der Kanalisation.

*Biosprit in Brasilien - Treibstoff statt Nahrungsmittel*

In den Medien - von Oekoenergie bis Kronen Zeitung - wurde auch
wiederholt auf das positive Beispiel Brasilien hingewiesen. Die
brasilianische Regierung begann - angetrieben von auslaendischen
Investoren - 1977 das sogenannte "Pro-Alcool"-Programm. Rund 2,5
Millionen Brasilianer fahren heute mit Alkoholautos und auf Kosten
hungernder Landsleute: Fuer die Teibstoffproduktion werden rund
38000 km2 des landwirtschaftlich genutzten Bodens genutzt. Mit der
Monokultur Zuckerrohr wird unter Einsatz von Duengemittel und
Pestiziden Raubbau am Boden betrieben. Bei der Herstellung von
Biosprit entsteht nicht nur ein groszer Energieverbauch sondern
auch ein immenses Abwasserproblem.. Der Biosprit verschmutzt
soviel Wasser wie 61 Millionen EinwohnerInnen.

Durch das Pro-Alcool-Programm kommt es zur Verdraengung
kleinbaeuerlicher Produzenten durch die groszen Plantagen und zur
Landflucht. Die Menschen dort leiden unter "weiszem Hunger", so
nennt man dauerhafte Mangelernaehrung. Im NO-Brasiliens, wo 30
Mio. Menschen leben, sind bereits 33% der Jugendlichen zwischen 15
und 18 Jahren kleiner als 145 cm! Man nennt sie "Zwergenmenschen".
Die dauerhafte Unterernaehrung fuehrt zu Schaeden, wie Zwergwuchs
bzw. geistige und koerperliche Behinderung. Wenn sie erwachsen
sind nennt man sie homem gabir£ - die "Rattenmenschen". Das kann
doch kein positives Beispiel sein!

Nachwachsende Rohstoffe koennten den groeszten gesellschaftlichen
Nutzen bringen, wenn sie innerhalb der biologischen Landwirtschaft
sinnvoll integriert werden. Angebaut werden sollten
Rohstoffpflanzen, die das gesamte System bereichern und sich im
Zuge der Fruchtfolge positiv auf die Nahrungsmittelproduktion
auswirken.

Michael Zoklits (ERNTE-Bundesvorstand): "2% Rapsoeldiesel zum
Diesel beizumischen ist kein Sieg fuer die Kreislaufwirtschaft und
kein Beitrag zur Erreichung des Torontoziels. Den Bio-Landwirten
brauch ich ja nicht zu erklaeren wie "oekologisch einwandfrei" und
"umweltschonend" Industrieraps erzeugt wird. Vor allem der in
groszen Mengen gebrauchte Stickstoffduenger, meist mit Unmengen
ach so sauberen Erdgases erzeugt, das dann als CO2 in der
Atmosphaere deponiert wird. Und Pestizide wurden auf den
Industrieraps noch nie gesprueht - oder? Und dasz Raps eine
Kulturart ist, die im Zusammenhang mit der Nitratproblematik im
Grundwasser genannt wird - wahrscheinlich noch nie gehoert .
Auszerdem ist es geradezu laecherlich, die 2% Beimengung zu
fordern, ohne die vorgelagerten viel grundsaetzlicheren Fragen
einer oekologisch vertraeglichen und der Kreislaufwirtschaft
unterliegenden Form der Mobilitaet zu diskutieren. Offensichtlich
musz man schon ziemlich viel Ausblenden koennen, wenn man als
Lobbyist die Kreislaufwirtschaft einfordert." (ERNTE, Nr4/99,S.16)

*Klimabuendnis Kaernten*


Kontakt:
Klimabuendnis Koordinationsstelle Kaernten, Mag. Christian
Salmhofer, Mag. Andreas Strasser, Rathausgasse 2 / A-9500 VILLACH,
(Tel: 04242 / 24617-2, Fax: 04242 / 24617-4, e-mail: kaernten@
klimabuendnis.at)


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