**************************************************************************
akin-Pressedienst. *
Elektronische Teilwiedergabe der *
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. *
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch mit den in der *
Papierausgabe veroeffentlichten sein. *
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. *
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der *
Verantwortung der VerfasserInnen. *
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt *
nichts ueber eine anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. *
**************************************************************************
Aussendezeitpunkt: Di, 12.10.99, 23:29 *
**************************************************************************

Metaphorisches:

> Kalt und warm

Ueberhitzte Assoziationen ueber Fragen der politischen
Thermodynamik (ohne Anspruch auf physical correctness)

*

Oesterreichs Politiker: Sie wollen alle Waerme vermitteln!
Tatsaechlich gibt es sie, diese Rudelwaerme bei
Wahlkampfversammlungen, bei Parteitagen und im Parlamentsklub.
Aber laeuft einem da nicht die Birne heisz? Das, was sie
menschliche Waerme nennen, ist das in Wirklichkeit nicht doch nur
die Hitze des Gefechts? Braucht es da nicht Abkuehlung?

Ich weisz nicht, ob die Liberalen wegen ihrer zur Schau gestellten
Kuehlheit verloren haben oder vielleicht deswegen, weil
irgendwelche Wahlkampfmanager versuchten, die immer distanziert,
hart und intelligent argumentierende Heide Schmidt etwas weniger
kuehl darzustellen. Bis dato waren die eisblauen Augen und der
direkte, ernste Blick der liberalen Frontfrau ja immer sehr
bewuszt eingesetzt worden. Auf den Plakaten dieses Wahlkampfs aber
sah man sie mit einem verschmitzten Laecheln und dem Spruch "Mit
Gefuehl und Verstand". Zurueck blieb Lauheit -- ein politisches
Image, dasz den Liberalen sicher nicht geholfen hat.

Die uebrigen Parteispitzen hatten auch diesmal groszartig
ungebrochen ihre ganz persoenliche Art von Waerme vermittelt: Vom
verkrampft-sanguinischen Klima ueber den zuerst klavierspielenden,
spaeter mitleidheischenden Schuessel und dem zuendelnden Haider
bis zum sympathisch-witzigen Van der Bellen.

Und nach der Wahl? Der erste Satz beim ersten Interview -- egal
was sie gefragt werden -- lautet fast immer gleich. Denn Politiker
bedanken sich nach der Wahl penetrant fuer das Vertrauen! Auch
hier wieder: Der warme und auch etwas feuchte Haendedruck: Wir
werden Eure Zuneigung nicht entaeuschen! soll das heiszen. So ein
Schmonzes! Halten Sie die Waehler wirklich fuer so bloed oder tun
sie nur so? Glauben sie wirklich, dasz das Gros der Leute, die sie
gewaehlt haben, ihnen vertrauen? "Gehns, die waehlen doch nicht
zum ersten Mal!" wie Travnicek sagen wuerde. Trotz aller
zaehnebleckender Freundlichkeit ist doch wohl die Anzahl der
Waehler, die beim Kreuzerlmachen ein warmes Empfinden in sich
aufsteigen fuehlen, in der Minderheit. Zusammen mit den
Nichtwaehlern haben in Oesterreich die taktischen, die
Gewohnheits- und die Protestwaehler locker die
Zweidrittelmehrheit. Oder kennt wer irgendjemanden --
eingeschriebene Parteimitglieder einmal ausgenommen --, der aus
voller Ueberzeugung eine Partei waehlt?

Dennoch -- und das ist die Gefahr dabei -- faerbt dieses Gehabe
der Parteien doch auf den Buerger ab. Denn Menschen suchen ja
immer nach menschlicher Waerme und weil sie so wenig davon
bekommen, suchen sie sie sogar in der Politik. Auch wenn sie genau
wissen, dasz sie nicht bekommen, was ihnen versprochen wird, so
geben sie dennoch nicht die Hoffnung auf, dasz da irgendwas sein
koennte, das sie dennoch waermt. Und diese Sehnsucht versucht die
Parteienwerbung auszunutzen: Denn eiskalt sind diese Wahlwerber
sehr wohl in ihrer Berechnung des Verlangens des Waehlers nach
Waerme.

Doch die plakatierte Herzlichkeit verfuehrt eben die Menschen
dazu, sich irgendwelche Uebervaeter zu suchen, die sie warm halten
und an der Hand fuehren. Man bringt damit viele um ihre
Muendigkeit. Dasz sie nach den Wahlen zwar angefuehrt werden, aber
diese Waerme vom Staat nicht bekommen, frustriert die Verfuehrten
wiederum, und die Menschen -- die man im Wahlkampf angeblich so
ernst genommen hat -- landen wieder in ihrem Ohnmachtsgefuehl.
Dieses Empfinden ist zwar aeuszerst gerechtfertigt, der Sache
einer aufgeklaerten Buergerlichkeit aber leider nicht wirklich
dienlich.

Womit wir bei der uebergroszen Waerme waeren: Denn die hitzigen
Angstdebatten einerseits um Auslaender, andererseits aber leider
auch die um die Moeglichkeit einer neuen Naziherrschaft
verhinderten Auseinandersetzungen mit kuehlem Kopf. Das hat jetzt
nicht unbedingt etwas mit der Dominanz der Ablehnung von irgendwas
einerseits gegenueber positivem Denken andererseits zu tun. Es
geht nicht ums Gegen-etwas-sein, die Frage ist vielmehr: Begibt
man sich in kuehle Gegnerschaft oder verteufelt man?

Der Teufel wohnt bekanntlich in der Hoelle, womit wir wieder bei
der Hitze waeren: Man kocht Emotionen hoch, um sich besser
verkaufen zu koennen. Ganz nach dem Motto: Warme Luft steigt auf,
kalte sinkt ab! Nur: Um diese thermische Fluktuation aufrecht
erhalten zu koennen, musz es eben auch kalte Luft geben. Wen
wundert es, dasz denen unten kalt ist, waehrend sich die oben in
der Waerme tummeln.

Und oben reiben sie sich dann wieder heftig aneinander. Da faellt
mir der alte Witz ein, in dem der Physiklehrer sich die Haende
reibt und fragt: Was entsteht bei Reibung? Und die Antwort kommt
prompt: Dreckwuzerln. Richtig sollte es natuerlich heiszen:
Waerme. Aber wer hier daran denkt, dasz es die Waerme dort oben
sein koennte, die Korruption und Dekadenz erst ermoeglicht, liegt
vielleicht auch nicht so falsch.

Was die, die es schoen warm haben, jedoch nicht wirklich
interessiert, ist die so oft geforderte "soziale Waerme". Um die
eisigen Zeiten aber nicht so schlimm werden zu lassen, werden
heftig Vorurteile angeheizt -- untergezuendet wird mit
kleinformatigem Zeitungspapier. Diese Hitze ist brandgefaehrlich.
Und genau darum -- aus politisch-thermodynamischen Gruenden --,
sollte man nicht versuchen, emotional darauf zu reagieren und die
Gemueter weiter zu erhitzen. Wer einen gesellschaftlichen
Steppenbrand verhindern will, sollte versuchen, kuehlend zu
wirken. *Bernhard Redl*


*************************************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1010 wien, wipplingerstrasze 23/20
kontakt: bernhard redl
vox: ++43 (0222) 535-62-00
fax: ++43 (0222) 535-38-56
akin.buero@gmx.at
http://akin.mediaweb.at
pgp-key (2.6.2i) auf anfrage
Konto: 223-102-976/00, Bank Austria
BLZ 12000, Verwendungszweck: akin