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6.10.99, 22:05
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Globalisiserung:

> Vom GATT zur WTO

Ende November beginnt offiziell die naechste Verhandlungsrunde der
Welthandelsorganisation (WTO). Aber was ist das eigentlich?

*

Ein oft gehoertes Argument fuer die Agenda 2000 ist die
Behauptung, damit werde die europaeische Agrarpolitik an die
Regeln der Welthandelsorganisation (WTO = World Trade
Organisation) angepasst. Auch der Streit zwischen der
Europaeischen Union und den USA um die Hormonbehandlung bei
Mastrindern hat ein Schlaglicht auf die WTO geworfen. Wie kommt es
aber, dass eine internationale Organisation einen Politikwechsel
herbeifuehren und Regeln und Gesetze aufheben kann, die in der EU
auf demokratisch legitimiertem und rechtsstaatlichem Wege
verabschiedet wurden?

Seit Januar 1995 existiert in Genf die Welthandelsorganisation.
Sie ist die ausfuehrende Behoerde des Allgemeinen Zoll- und
Handelsabkommens, englisch abgekuerzt GATT. Das GATT wurde 1947
abgeschlossen und regelt seitdem den weltweiten Warenverkehr.
Urspruenglich war das GATT ein Abkommen zum internationalen Abbau
von Einfuhrzoellen, zur internationalen Regelung der nationalen
Handelspolitiken und zur Liberalisierung des Weltmarktes.

Grundregeln dabei sind:

* die Meistbeguenstigung, d.h. beim Import muessen gleichwertige
Produkte aus allen Mitgliedsstaaten der WTO gleich behandelt
werden, und

* die Inlaenderbehandlung, d.h. innerhalb eines Landes muessen
gleichwertige auslaendische und inlaendische Produkte gleich
behandelt werden.

Das GATT ist in bisher acht Verhandlungsrunden immer weiter
ausgedehnt worden. Die letzte Runde begann 1986 in Uruguay
(deshalb Uruguay-Runde) und endete 1993 mit der
Abschlusserklaerung von Marrakesch. Ein Ergebnis der Uruguay-Runde
ist die Gruendung der WTO. Gleichzeitig mit der Gruendung traten
neue Regeln fuer den Welthandel in Kraft, die sich grundlegend von
der bisherigen Situation unterscheiden. Neben dem Warenhandel sind
nun auch der Handel mit Dienstleistungen (etwa Telekommunikation
oder Finanzdienstleistungen), geistigen Eigentumsrechten wie z.B.
Patenten und handelsbezogene Investitionen geregelt. Beim
Warenhandel wurden Agrarprodukte und Textilien neu in das GATT-
Regelwerk aufgenommen; schon die 1992er Agrarreform der EU hing
damit eng zusammen. Bisher eher als Randerscheinung befasst sich
die WTO seither auch mit den Themen "Handel und Umwelt" und
"Handel und Entwicklung". Sie verpflichtet sich in der Praeambel
des WTO-Vertrages auf das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung.

WTO steht neben UN

Im Voelkerrecht sind die Vereinten Nationen (UN) die hoechsteEbene der
internationalen Institutionen. Die fuenf zentralen
Gremien der UN (Vollversammlung, Generalsekretaer, Sicherheitsrat,
Wirtschafts- und Sozialrat, Internationaler Gerichtshof) setzen
die Regeln fuer alle anderen Institutionen, selbst der
Internationale Waehrungsfonds und die Weltbank haben in ihren
Statuten die Unterordnung unter das von den UN definierte
Voelkerrecht festgeschrieben. Die WTO steht bisher noch neben
diesem System. Der Unterschied zwischen Recht haben und Recht
bekommen liegt auch und gerade im internationalen Recht in den
realen Machtverhaeltnissen begruendet. In der WTO geht es um
Wirtschaftsinteressen, bei den Vereinten Nationen um Umweltschutz,
Menschenrechte und Entwicklung, diese Prinzipien haben deutlich
schwaechere Fuersprecher.

Machtvolles Schiedsgericht

Hoechstes Organ der WTO ist die Ministerkonferenz. Sie besteht aus
Regierungsvertretern (in der Regel die Wirtschaftsminister) aller
Mitgliedsstaaten. Die Ministerkonferenz tagt alle zwei Jahre und
entscheidet ueber alle neuen Vertraege und Aenderungen bei
vorhandenen Vertraegen nach dem Konsensprinzip. Nationalstaaten
haben also durchaus noch Einflussmoeglichkeiten.

Die vielfaeltigen Tagesaufgaben der WTO erfuellt der Allgemeine
Rat der WTO. In diesem sind neben den Mitarbeitern der WTO
Vertreter aus allen Mitgliedslaendern beteiligt. Eine nahezu
revolutionaere Neuerung ist bei Streitfaellen durchgesetzt worden.
Nach der alten Regelung vor der Gruendung der WTO hatten die
betroffenen Laender ein faktisches Vetorecht gegen Entscheidungen
des WTO-Schiedsgerichts. Heute koennen Schiedssprueche von der
Staatengemeinschaft nur noch einstimmig abgelehnt werden. Damit
verfuegt die WTO ueber eine Durchsetzungskraft, die keiner UN-
Organisation auch nur annaehernd zugestanden wird.

Chancen erarbeiten

Nachhaltige Landwirtschaft, vorbeugender Verbraucherschutz,
Hungerbekaempfung: das sind Politikfelder, die ihre ueberragende
Bedeutung gegen eine ungezuegelte Liberalisierung des Welthandels
behaupten muessen. Die WTO hat andere Ziele. Wenn wir eine
Landwirtschaft ohne Rindermasthormone, ohne Fuetterungsantibiotika
und ohne gentechnisch veraenderte Sorten erhalten wollen, muessen
wir bei der WTO ansetzen, mit ebensoviel Energie wie in Bruessel.
Breite Buendnisse zwischen Verbrauchern, Bauern, Gewerkschaften,
Umwelt- und Entwicklungsverbaenden sind noetig, dann gibt es eine
Chance. *Gekuerzter Artikel von Rainer Engels, geklaut aus*
*"Die Bergbauern" 8-9/99, die ihn selber aus der*
*"Bauernstimme" 3/99 abgeschrieben haben.*


****

Glosse:

> Das Uebliche vom Minister

Anfang Sommer hatte das Wirtschaftsministerium zu einer
Informationsveranstaltung fuer NGO-Vertreter ueber die
Vorbereitungen zur 3.WTO-Ministerkonferenz geladen. Kurz gefaszt:
In rund 2 Stunden waren die Anwesenden kaum informierter als
vorher. Saemtliche Vorhaltungen, dasz in den WTO-Bestimmungen
keinerlei Vorbehalte wegen sozialer oder oekologischer
Mindeststandards vorhanden sind, wurden damit quittiert, dasz sich
das nicht durchsetzen liesze. In einzelnen Fragen waren nach
Ansicht der Ministeriumsvertreter meistens die Entwicklungslaender
schuld, dasz diesbezuegliche keine Fortschritte zu erzielen
waeren. Konnten ausnahmsweise nicht die Entwicklungslaender
herhalten, waren die USA die Schuldigen. Und wenn alle Stricke
rissen, durfte man notfalls wenigstens noch die EU fuer mangelnde
Ergebnisse verantwortlich machen. Nur Oesterreich mache sich immer
und ueberall fuer das Gute und Wahre stark. Nur leider hoere
niemand auf die Vertreter der armen kleinen Alpenrepublik.

Das hindert aber im Ministerium niemanden daran, sich ueber den
Ausbau aller anderen Bestimmungen der WTO zu freuen... *br*

*****

Aufruf

Bildung einer WTO-Informationsgruppe

Die akin wird versuchen, im Laufe der naechsten Wochen aus dem
Informationswust zum Thema Weiterentwicklung der WTO Sinnvolles zu
destillieren. Das soll aber über den Bereich der akin hinausgehen.
Zum Thema MAI gab es u.a. mit der Gruppe VIRUS eine Recherchegruppe,
die versuchte, detailierte, aber verwendbare Faktensammlungen zu dieser
Problematik zu publizieren.

Vielleicht koennte man jetzt Aehnliches zur WTO bilden. Ein erstes
Arbeitstreffen findet am 14.10. um 20 Uhr in der akin-Redaktion
(A-1010 Wien, Wipplingerstrasze 23, Rollbalken im Abgang zum Tiefen
Graben) statt. Wer keine Zeit oder Gelegenheit hat zu kommen, trotzdem
aber einer Mitarbeit interessiert ist, moege sich bitte in der Redaktion
telefonisch, (Anrufbeantworter, Wien 5356200), emailisch
(akin.buero@gmx.at) oder postalisch melden. *Die Redaktion*





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