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22.9.1999,
1:33
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Wahlkraempfe
(II):
Abreise 3.Oktober?
> Bleibt da -- es wird
spannend!
Je naeher der 3.Oktober rueckt, desto mehr grassiert
angesichts des sicher
anzunehmenden FP-Triumphes eine
Ankuendigungswelle von ploetzlich
ausbrechenden
Auswanderungssehnsuechten. "Dann bin ich weg" heiszt es,
oder
auch "dann hat es keinen Sinn mehr, in diesem Land
irgendwas zu tun" und
aehnliches. Das diesen Aussagen
zugrunde liegende und von allen Instituten
und Medien
prognostizierte Szenario weist der FP nach dem 3. Oktober
eindeutig
die bisher hoechste Mandatsstaerke und damit bundesweit den
zweiten
Platz vor der VP zu.
Die Folgen zeichnen sich fuer manche klar
ab: Haider wird in zwei Jahren
Fuehrerkanzler, die Schulkinder
muessen "Heil Haider" sagen, die
Arbeitslosen schuften
in Bergwerken, und alle Nicht- OesterreicherInnen
fluechten
panisch vor der entsetzlich marodierenden und
extrem
auslaenderhassenden Bevoelkerung. Oesterreich wird weltweit
zum politischen
Pfui-Gack-Land und mit UNO-Boykotten
ueberschuettet. Klestil darf nicht mehr
in die USA, und die
Deutschen kommen im Winter nicht mehr nach Tirol, um
sich gegen DM
von Lawinen verschuetten zu lassen.
Derselbe Wahlausgang --
also FP 2.Platz und so... - koennte allerdings auch
durch eine
andere Brille beobachtet werden, mit der sich am Horizont bei
einiger
Geduld sogar eine politische Chance fuer Oesterreich abzeichnet.
Die
bisher unter dem weitgehend entideologisierten und politisch
nivellierten
Korsett der Koalition zugedeckten sozialen
Divergenzen zeigen Konturen und
brechen auf. Die Machtver- und
-gewoehnten muessen neue Grundlagen fuer die
Erlangung der
Waehlerakzeptanz finden, sich ideologisch neuformieren oder
einfach
abtreten. Wohlakzentuierte Designer-Ideologien zeichnen sich vor
dem
Hintergrund der politischen Professionalitaet des genialen
Opportunismus
eines allgemein salonfaehig werdenden Joerg Haider
sonst sicher nicht mehr
ab.
Kurzsichtig wie gewohnt, kann
der befuerchtete Abstieg in die
Oppositionsetagen vorerst zur
nochmaligen Uebererfuellung der FP-
Angstparolen fuehren --
langfristig duerfte sich diese Strategie bereits
schon bisher als
der Gang ins sichere Out erwiesen haben. Im Gegensatz zur
VP
koennte so mancher in der SP-Zentrale und recht viele in der Basis
den
Zwang zu ideologischer Rueckbesinnung begreifen und fordern --
im besten
machiavellistischen Sinn: Macht benoetigt politische
Relevanz. Und um
gewaehlt zu werden, musz vielleicht endlich
einmal wieder die Erforschung
der sozio- oekonomischen Interessen
des urspruenglichen Waehlerpotentials
betrieben werden.
Das
Argument der Auslaenderfeindlichkeit als politisches Mittel ist Teil
der
alten Debatte, wo in Demokratien die Grenzen des Disponiblen
sein sollten:
Worueber darf verhandelt und bestimmt werden -- und
worueber nicht? Aufgrund
der gesetzlichen Rahmenbestimmungen sind
die affichierten Plakate der FP
zulaessig, und es scheint daher
auch politisch mueszig und an die falschen
Adressaten gerichtet,
sich laenger als noetig nur damit zu beschaefigen.
Dasz es
grauslich ist, wissen wir alle. Andererseits kann die
These
allerdings sehr wohl in den Raum gestellt werden, dasz
der
Anti-Auslaender-Block die Wahlen nicht mehr in alleZukunft
dominieren musz,
wenn sich die Menschen in ihrer Lebenswelt von
der Tagespolitik thematisch
ploetzlich angesprochen fuehlen.
Was
passiert, wenn ganze Schichten jedoch staendig Angst vor Konkurrenz
und
Lohnunterbietung am Arbeitsplatz empfinden und sich daher in
prekaerste
Situationen gedraengt fuehlen muessen, ist nicht
zuletzt an eben diesen
Wahlergebnissen abzulesen. Die gewaltigen
strukturellen Umwaelzungen und die
technologische Revolution
lassen allzu viele in diesem System einfach keine
Perspektive mehr
vorfinden. Noch dazu besitzen sie im Repraesentativsystem
keine
Repraesentanten, die sich ihrer unmittelbaren Aengste
annehmen.
Konsequenterweise sucht sich ihre Unsicherheit ein
Ventil: Haider! Unter
Beibehaltung der bisherigen Praxis heiszt
das fuer die SP der
kontinuierliche Macht- und Gestaltungsverlust.
Ihre Rolle waere die einer
politisch bedeutungslosen, langfristig
zum Aussterben verurteilten faden und
perspektivenlosen
sozialdemokratischen Musterpartei der EU. Politisches
Handeln
wuerde sie bis zu ihrem blamablen Untergang ausschlieszlich
im
Moderieren der umfassenden Veraenderungen und im ohnmaechtigen
Nachhaspeln
der Haider-Forderungen kennzeichnen. Oder sie besinnt
sich ihrer
kaempferischen Tradition und vollzieht den Bruch mit
der VP und den heiligen
Traditionen der Sozialpartnerschaft. Es
wird auf jeden Fall spannend in
Oesterreich. Bleibt da!
*Fritz
Pletzl*
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