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Aussendezeitpunkt: Di, 29.06.99, 16:54 *
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Sudan:
 
> Unter Putschisten
 
Rechtzeitig zum zehnten Jahrestag des islamistischen Militaerputschs
in Khartum kehrte nun auch der ehemalige Militaerdiktator Gafar al-
Nimeiri in den Sudan zurueck.
 
*
 
Eigentlich haette am 30. Juni 1989 mit der Abschaffung der Scharia -
dem islamischen Recht - die Grundlage fuer einen Frieden der
Mehrparteienregierung mit den Rebellenorganisationen im Suedsudan
geschaffen werden sollen. Stattdessen putschten sich an eben diesem
Tag islamistische Militaers unter der Fuehrung von Umar Hasan al-
Bashir an die Macht.
 
Im Hintergrund der Militaers zogen jedoch zivile Politiker die Faeden.
Der politische Arm der sudanesischen Sektion der Muslim-Bruderschaft,
die Nationale Islamische Front (NIF) gilt heute als der Wegbereiter
der neuen Regimes, das schlieszlich auch den Groszteil seiner
politischen Elite aus den Reihen der NIF rekrutierte. Insbesondere
Hasan al-Turabi - der schon vor dem Putsch und der darauffolgenden
Aufloesung aller Parteien als Parteichef der NIF eine wichtige Rolle
in der sudanesischen Politik spielte - gilt seit dem Putsch als neuer
Chefideologe des Regimes.
 
 
*Von der "Parteilosen Demokratie" zur neuen Verfassung*
 
Nach der Machtuebernahme des "Revolutionary Command Council for
National Salvation" (RCCNS) unter Umar al-Bashir versuchten sich die
neuen Machthaber erst mit dem Aufbau einer "Parteilosen Demokratie"
die das groszflaechigste Land Afrikas mit Volks- und
Sektoralkonferenzen ueberzog und dem neuen Regime den Anflug einer
demokratischen Legitimation brachte, aber de facto nichts wesentliches
entscheiden durfte. Die Macht blieb in den Haenden der Militaers und
der islamistischen Zivilpolitiker. Insbesondere der "Rat der Vierzig"
den sich Hasan al-Turabi um sich geschart hatte gilt bis heute als das
einfluszreichste Zentrum der politischen Macht im Sudan.
 
Die starke Opposition gegen das neue Regime liesz sich jedoch nicht so
leicht brechen. Bereits wenige Tage nach dem Putsch hatten sich die
wichtigsten Parteien und Gewerkschaften in der "National Democratic
Alliance" (NDA) zusammengeschlossen. Trotz Verbotes kam es die letzten
zehn Jahre immer wieder zu Demonstrationen und wilden Streiks.
Waehrend die beiden groeszten Oppositionsparteien, die Democratic
Union Party und die Umma-Party immer noch vor allem in den religioesen
Bruderschaften ihre Basis finden, organisiert die Kommunistische
Partei immer noch viele ArbeiterInnen aus den groszen Staedten.
Insbesondere die EisenbahnerInnen gelten als ein Hort der jungen
ArbeiterInnenbewegung des Sudan.
 
Von besonderer Bedeutung ist auch der Widerstand der StudentInnen.
Jedes Jahr finden Demonstrationen und Unruhen statt, die vom Campus
der "Khartum University" ihren Ausgang nehmen. Nirgendwo im Sudan
finden so offene politische Debatten statt wie hier, nirgendwo
verweigern sich so viele Frauen den strengen Kleidungsvorschriften der
Regierung. Als Antwort des Regimes werden jedes Jahr hunderte
StudentInnen zwangsexmatrikuliert. 1997 wurde der Widerstand der
StudentInnen sogar so gefaehrlich, dasz die Regierung die Khartum
University gleich fuer ein ganzes Semester schlieszen liesz.
 
Darueberhinaus fand auch der Buergerkrieg mit den Rebellengruppen im
Sueden kein Ende. Erst Verhandlungen der Regierung im Laufe des Jahres
1998 brachten einen Friedensvertrag mit einem Teil der Rebellen um
Reik Machar, waehrend John Garangs SPLA weiterhin im Busch des
Suedwestens kaempft. Und zwar mit aehnlicher Brutalitaet wie die
Regierung.
 
Um sich trotz dieser vielfaeltigen und starken Opposition an der Macht
halten zu koennen, versucht die Regierung seit 1997 verstaerkt ihre
Basis zu verbreitern. Zum neunten Jahrestag der Machtuebernahme der
Militaers wurde so am 30. Juni 1998 eine neue Verfassung
verabschiedet, die auch die Verabschiedung eines "Parteiengesetzes"
und damit die Wiederzulassung politischer Parteien vorsah. Dieses
Gesetz trat nun im Januar 1999 in Kraft. Es erlaubt zwar nicht die
Gruendung von Parteien sondern nur von "Politischen Vereinigungen",
diese "Politischen Vereinigungen" werden aber in offiziellen
englischen Uebersetzungen als Parteien bezeichnet.
 
 
*Neue und alte Parteien*
 
Seit Januar haben sich nun auch eine Vielzahl neuer Parteien
gegruendet bzw. auch alte Parteien wiedergegruendet. Neben der
Regierungspartei, dem "National Congresz" und ihren diversen
Blockparteien befinden sich darunter auch echte Oppositionsparteien
wie die "United Democratic Salvation Front" des ehemaligen
Rebellenfuehrers Reik Machar. Auch Abspaltungen der beiden groszen im
Untergrund weiterhin existierenden Oppositionsparteien DUP und Umma-
Party haben sich unter dem Namen ihrer Mutterparteien registrieren
lassen und fordern das beschlagnahmte Vermoegen ihrer Mutterparteien
zurueck.
 
Unter den neuen Parteien befindet sich seit einigen Wochen auch die
"Working People's Forces Alliance" die von niemandem geringeren als
dem ehemaligen Praesidenten und Militaerdiktator Gafar al-Nimeiri
geleitet wird. Nach 14 Jahren im Exil in Kairo kehrte der greise
Politiker am 22. Mai nach Khartum zurueck und wurde dort von
Vizepraesident Ali Othman Mohamed Taha und Hasan al-Turabi empfangen.
Der Presse teilte er mit, die Treffen waeren in freundschaftlicher
Athmosphaere verlaufen und er, Nimeiri gedenke in Zukunft einen
Beitrag zur Demokratisierung und Versoehnung im Sudan zu leisten.
Andere Oppositionsparteien wollen dem Ex-Diktator seine Laeuterung
nicht so ganz glauben. Besonders die groszen in der NDA organisierten
Parteien nahmen Stellung gegen den Mann, der den Sudan von 1969 bis
1985 mit eiserner Faust regiert hatte und in dieser Zeit immer mehr
vom "Arabischen Sozialismus" zu einem gemaeszigten Islamismus
umgeschwenkt ist. Eine Reihe heutiger Oppositionspolitiker hatte
bereits unter seiner Herrschaft zu leiden und so ist es kaum
verwunderlich, dasz es nach seinen Rueckkehr bereits zu Protesten
gegen den heimgekehrten Ex-Praesidenten gekommen ist.
 
Gleichzeitig versucht das Regime jedoch weiterhin mit jenen
Oppositionsgruppen ins Gespraech zu kommen, die bisher nicht auf die
Angebote der Regierung eingegangen sind.
 
Insbesondere der libysche Revolutionsfuehrer Muammar al-Qaddafi hat
sich hier die letzten Monate bereits mehrfach als Vermittler
angeboten. Erst am 27. Mai traf Qaddafi in der libyschen Hafenstadt
Sirte mit dem Parteichef der verbotenen DUP Mohammad Othman al-
Mirghani zusammen, zwei Tage spaeter ebenfalls in Sirte mit dem
Vizepraesidenten des Sudan. Wenn so auch etwas Bewegung in die
erstarrten Fronten geraten sein mag, so haben diese
Vermittlungsbemuehungen bisher aber noch keine konkreten Erfolge
gezeigt.
 
 
*Erdoel flieszt fuer die Reichen*
 
Mehr Erfolg scheint die Regierung zur Zeit beim Ausbau ihrer noch
jungen Erdoelindustrie beschieden zu sein. Gemeinsam mit chinesischen,
britischen und argentinischen Firmen wurde im Laufe der letzten Jahre
eine 1610 km lange Pipeline von den Hegleig-Oelfeldern in Kordofan im
Westen des Landes an den Hafen von Bishair am Roten Meer errichtet,
die am ersten Juni vom Staatspraesidenten Umar al-Bashir eroeffnet
werden konnte und taeglich 150.000 Barrel Rohoel zu den Raffinarien an
der Kueste transportieren soll.
 
Al-Bashir dankte in seiner Eroeffnungsrede ausdruecklich der
sudanesischen Armee und den Volksmilizen, die den Bau der Pipeline vor
den Rebellen der SPLA bewacht haetten. Dabei verschwieg der Praesident
jedoch, dasz sogar extra eine suedafrikanische Soeldnerfirma zur
Bewachung angeheuert werden muszte.
 
Ob das Erdoel der einfachen Bevoelkerung, die die letzten Jahre weiter
verarmt ist, wirklich etwas bringt, ist dabei sowieso fraglich.
Verarbeitet wird das Erdoel in einer Region mit vergleichsweise guter
Infrastruktur, waehrend in Kordofan selbst sich noch im Februar Bauern
und Nomaden gegenseitig um die letzten Wasserstellen schlugen. Bei den
Unruhen um das nackte Ueberleben kamen hunderte Menschen ums Leben.
 
Die wirtschaftliche und soziale Situation der einfachen SudanesInnen
ist fatal. Selbst in der Hauptstadt sitzen ueberall BettlerInnen mit
von Lepra verstuemmelten Haenden herum. Selbst Krankheiten die leicht
zu heilen waeren, sind mangels leistbarer Medikamente im Sudan
toedlich. In einigen Gegenden des Sudan hungern und verhungern immer
wieder tausende Menschen.
 
Im Zeitalter neoliberaler Wirtschaftskonzepte hat auch der Sudan wie
andere Subsahara-Staaten weiter an Lebensqualitaet verloren. Aber
darunter leiden wieder einmal nur jene die sowieso schon arm sind -
das sind im Sudan jedoch fast alle. *Thomas Schmidinger*
 
 
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