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Aethiopien / Eritrea / Oesterreich:

> WIR TRAUERN UM SAMSON - 1966 bis 1999

Wir trauern um Samson, der in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni
1999 Befreiung im Tod gesucht hat. Seine Kraft zum Leben war durch
die vielen Jahre des Wartens auf die Erlaubnis, ein Leben in
Wuerde und Ruhe zu leben, erschoepft, Hoffnungslosigkeit und
Selbstzweifel quaelten ihn, Lebensperspektiven waren fuer ihn
nicht mehr sichtbar - weder in seinem Zufluchtsland Oesterreich,
noch in seiner von Buergerkrieg, Vertreibung und Elend
geschuettelten Heimat Aethiopien / Eritrea, die er wenige Monate
vorher noch besucht hatte.

Die meisten Menschen, die Samson mochten, - sie gab es in groszer
Zahl - , lernten vor allem die spruehende und anziehende Seite
seiner Persoenlichkeit kennen, seine Freude an Musik und Tanz,
seine grosze Offenheit anderen Menschen gegenueber und
Kommunikationsfreude, seine auch im Haarstil zum Ausdruck kommende
Hinwendung zur RASTAFARI-Bewegung aus der Karibik, die ihre
Wurzeln in Afrika suchte und ihm spirituelle und
identitaetsstiftende Lebensquelle war. Nur wenige lernten auch
seine tiefsitzende Verzweiflung kennen, die all die Jahre in
Oesterreich ueber zunehmend an seinen Lebensenergien zehrte.

*Zerrissen vom Buergerkrieg in der Heimat*

Geboren in Asmara, Eritrea, zur Zeit des Kaiserreichs, die Mutter
vom Volk der Tigre, der Vater Amhare, wurde Samson seine spaetere
Zerrissenheit sozusagen in die Wiege gelegt. Seit 1959 herrschte
Buergerkrieg, kaempfte die Eritraeische Volksbefreiungsfront
(EPLF) fuer die Unabhaengigkeit von Eritrea. Unter dem Regime von
Mengistu muszte die Familie 1976 von Asmara nach Addis Abeba
fluechten. Samson war 10 Jahre alt. Als er das wehrpflichtige
Alter erreichte, begann sein Leben zwischen den
Buergerkriegsfronten, da er sich auf keine der beiden Seiten
schlagen wollte und konnte. Im Zuge politischer Aktivitaeten im
Jahre 1987 wurde er schwer gepruegelt, was grosze Narben auf Stirn
und Hinterkopf hinterliesz. Er wurde inhaftiert, zu mehreren
Jahren Gefaengnis verurteilt, kam nach vier Monaten im Zuge eines
Angriffs der EPLF frei und wurde von dieser zwangsrekrutiert. Als
die Kaempfe eskalierten, fluechtete er 1990 und erreichte nach
langem Fluchtweg ueber zahlreiche Laender von Ungarn kommend im
November 1990 Oesterreich.

*Stationen der Verzweiflung als Fluechtling in Oesterreich*

Sein Zufluchtsland Oesterreich empfing ihn - wie zahlreiche andere
Fluechtlinge mit schwerem Schicksal - mit neuerlicher
Inhaftierung. Er sasz mehrere Monate in Schubhaft, stellte einen
Asylantrag in englischer Sprache, wurde abgelehnt und verfaszte im
Gefaengnis ohne Unterstuetzung eine Berufung. Ein faires
Asylverfahren blieb ihm verwehrt, sein weiteres Schicksal in
Oesterreich war davon bestimmt. Nach seiner Freilassung war er in
Betreuung des Innenministeriums, bis er im Fruehjahr 1992 seine
zweite Ablehnung erhielt. Damit endete auch seine
Mindestversorgung durch den Staat. Er wurde nach einiger Zeit auf
die Strasze gesetzt. Erst im Jahre 1993 stellte sich heraus, dasz
die Bezirkshauptmannschaft, die ihn nach illegalem Grenzuebertritt
aus Ungarn festgenommen hatte, ueber ihn ein bis Ende 1993
geltendes Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit verhaengt hatte,
was ihm den Zugang zu legaler Beschaeftigung versperrte. Damit war
ihm auch der Weg als Arbeitsmigrant ein Aufenthaltsrecht in
Oesterreich zu bekommen versperrt.

Erst im Sommer 1995, also drei Jahre spaeter, wurde der Beschwerde
an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verfahrensmaengeln
stattgegeben. Dies bedeutete neuerliche, ergaenzende Befragung im
Fruehjahr 1996, erneutes Konfrontiertsein mit Vorwuerfen der
Widerspruechlichkeit von Aussagen, die sich aufgrund des
geschilderten Ablaufs, Ungenauigkeiten bei der Uebersetzung
zwangslaeufig ergaben, obwohl sie aufklaerbar waren, neuerliche
Abweisung seines Asylantrags im August 1996.

*Recht auf Leben verwehrt*

Seine zahllosen Bemuehungen, sich waehrend dieser langen Jahre,
als die buerokratischen Muehlen mahlten, ein Recht auf ein
menschenwuerdiges Leben in Oesterreich zu erkaempfen, blieben
viele Jahre - trotz Unterstuetzung zahlreicher engagierter
Einzelpersonen und Organisationen - vergeblich. Als er im Oktober
1996 - ein Jahr nach der Eheschlieszung mit Eleonore -
schlieszlich seine Papiere erhielt, war es wohl bereits zu spaet.
Die Verzweiflung sasz schon zu tief, neue Huerden kamen auf ihn
zu. Einen Arbeitsplatz in einem Umfeld zu bekommen, der ihm nicht
jegliche Wuerde raubte, erwies sich als aeuszerst schwierig, der
alltaegliche Rassismus zehrte an seinen Kraeften. Jede neue
buerokratische Huerde liesz ihn in die Depression stuerzen.
Gleichzeitig begann er sich von allen, die ihm gewogen waren,
zurueckzuziehen, verlor das Vertrauen und fuehlte sich verfolgt.

*Rueckkehr in die Heimat versperrt*

Auch lastete schwer auf ihm, dasz er seiner Verantwortung als
aeltester Sohn fuer seine Mutter nicht nachkommen konnte. Seine
Familie konnte seine Lage und sein Schicksal in Wien nicht
nachvollziehen. Waehrend seines letzten Aufenthalts in Aethiopien
traf er seine Mutter nicht an, da sie im Gefolge der im Mai
letzten Jahres ausgebrochenen Grenzstreitigkeiten zwischen
Aethiopien und Eritrea, das vor einigen Jahren seine
Unabhaengigkeit erreichte, aus Addis Abeba vertrieben worden war.
Sie verlor dadurch ihre gesamte Existenz und lebt derzeit in einem
Zelt in einem Fluechtlingslager. Die naechsten Verwandten der
Mutter haben aus diesem Grund gebeten, Samson in Wien zu begraben,
und vorhandene finanzielle Mittel, die ueber die Kosten des
Begraebnisses hinausgehen, seiner Mutter zum Aufbau einer Existenz
zukommen zu lassen. Wir sind ueberzeugt, dasz dies ganz im Sinne
Samsons waere und bitten Euch / Sie daher um Groszzuegigkeit, um
diesen Wunsch erfuellen zu koennen.

Wien, am 23. Juni 1999

*Eleonore Petzel, Gattin; Alle seine Freunde und Freundinnen;*
*Asyl in Not- Unterstuetzungskomitee fuer politisch Verfolgte;*
*Verein Integrationshaus; WUK - Interkultureller Bereich*

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Folgende Gelegenheiten wird es geben, sich von SAMSON zu
verabschieden

Zur Unterstuetzung seiner Familie in Aethiopien und Eritrea

Aethiopisch-Orthodoxe Gedenkmesse fuer Samson

Wann: Samstag, 26. Juni 1999, 10.00 Uhr

Wo: Lainzer Str. 154, 1130 Wien

Erreichbarkeit: U4 Station Hietzing (Kennedybruecke), dann
Straszenbahn Nr. 60 bis Jagdschloszgasse Eingang neben BIPA.


Bestattung von Samson am Wiener Zentralfriedhof, 11. Bezirk
Wann: Montag, 28. Juni 1999, 14.20 - 14.40 Uhr

(Zeremonie in der Begraebnishalle 3)

Eintreffen der Trauergaeste ab 13.30 Uhr

Wo: Zentralfriedhof, Tor 3, Halle 3

Erreichbarkeit: Straszenbahn Nr. 71 ab Schwarzenbergplatz, bis
Station Wiener Zentralfriedhof, Tor 3

Fuszweg von ca. 15 bis 20 Minuten bis Halle 3

Ein- und Hinfahrt mit Kraftfahrzeug gegen geringe Gebuehr (ca. S
25,00) moeglich.


Wer zu allen Terminen verhindert ist, hat die Moeglichkeit auf das
Konto seiner Frau Spenden zu ueberweisen: Bank Austria Konto Nr.
744 381 906 lautend auf Eleonore Petzel.

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Benefizkonzert mit "Eleonore" zur Unterstuetzung von Samsons
Familie

Special Guest: Dr. Kurt Ostbahn


Wann: Mittwoch, 30. Juni 1999, 20.00 Uhr, Einlasz ab 19.30 Uhr

Wo: REIGEN, Hadikgasse 62

Erreichbarkeit: U4 - Station Hietzing (Kennedybruecke)

(Lokal befindet sich rechter Hand gegenueber der Station).

Zum Programm:

"ELEONORE" ist eine weiche und groovige, bockige und soulige,
percussionfreudige Formation, die ihren Spasz an Pop,
Eigenkompositionen bis hin zu World-Music spueren laeszt.

Es singen und grooven fuer Euch:

Eleonore: die Saengerin aus der Mozartstadt, die sogar aus
Kuhhoernern Melodien flieszen lassen kann

Thomas Bayer: der einfuehlsame Gitarrist mit Glockerlstimme

Stefan Wessel: der percussion-hungrige fein-groove Bassist

Pablu Zwetsch: der nach Indien und noch weiter gereiste
Percussionist.

Special act mit Georg Berner bass-man

Magic act mit Fancy Camera (Pop'n rock)

Und very special guest: DR. KURT OSTBAHN



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