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Aussendezeitpunkt: Di, 15.06.99, 14:00 *
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Staatsrassismus:
 
> NGOs als Hilfspolizei?
 
Das Innenministerium schlieszt unangenehme
Nichtregierungsorganisationen von Schubhaft-Betreuungsvertraegen aus.
Betroffen davon ist unter anderem die Grazer Organisation Zebra, deren
Bericht (aus Zebratl 3/99) wir hier nachdrucken:
 
*
 
Die oesterreichische Schubhaft steht seit Jahren am Pranger. Nicht nur
national, sondern laengst auch international. Dabei schien es letztes
Jahr, dasz sich an der Situation von Schubhaeftlingen etwas verbessern
wuerde - das Bundesministerium f. Inneres (BMI) vereinbarte nach
vielen Monaten Verhandlung eine Betreuung in der Schubhaft -
durchgefuehrt von Fluechtlingsorganisationen (NGOs). Doch heuer sollte
es wieder anders kommen.
 
Manfred Matzka ist kein Mann, der, wenn er bei "guter Laune" ist, um
den "heiszen Brei herumredet". Der Vertrag, der den
Schubhaftsbetreuungsorganisationen vom BMI fuer 1999 vorgelegt und das
dazugehoerige "interne Papier", das im Format 15/99, veroeffentlicht
worden ist, laeszt an Deutlichkeit nichts zu wuenschen uebrig. Die
Organisationen, die Schubhaeftlinge betreuen, sollen keine
Rechtsmittel ergreifen duerfen, sollen Informationen, die sie von den
Festgehaltenen im Zuge der Gespraeche erhalten, an die Beamten
weitergeben und die Organisationen sollen selbst vorerheben, wer fuer
ein etwaiges Asylverfahren tauglich ist und wer nicht.
 
Der Rest der Betreuungsarbeit ist wohl als zynisch zu bezeichnen:
Mitwirken an einem ruhigen Ablauf der Schubhaft und einer
reibungslosen Abschiebung. Keine Suizids, keine Aggressivitaeten,
keine Hungerstreiks -"die Schubhaftbetreuer sollen wohl dem Insassen
die Vorzuege seiner Abschiebung schmackhaft machen", so ein
enttaeuschter Mitarbeiter. Ein Verhandlungsteilnehmer aus der Gruppe
der Schubhaftbetreungsorganisationen brachte es auf den Punkt und
meinte an Dr. Matzka gerichtet: "Das was sie von uns fordern, sind
Spitzeldienste".
 
ZEBRA wies seit mehr als 12 Jahre immer wieder auf die Zustaende und
Umstaende der Schubhaft hin. Auch wir erhielten letztes Jahr Geld fuer
eine Halbtagsstelle zur Betreuung der Schubhaft in Graz. Kurz vor den
konkreten Vertragsverhandlungen fuer das Jahr 1999 flatterte dem ZEBRA
ein Matzka Brief ins Haus, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dasz einiges
an der Betreuungsarbeit zu klaeren sei. Was dies konkret sei, wurde im
folgenden rasch klar, wie die Geschaeftsfuehrerin von ZEBRA Edith
Glanzer berichtet. "Das BMI erwartete von ZEBRA, dasz Asylantraege nur
fuer Ausgewaehlte eingebracht werden und die Fluechtlinge von uns
vorselektioniert werden". Eine NGO als verlaengerter Arm der Behoerde?
 
*Aus dem Verhandlungskarussell drauszen*
 
Die Antwort auf dieses Ansinnen war unmiszverstaendlich und klar.
Damit war ZEBRA aus dem Verhandlungskarussell drauszen und erhaelt
somit fuer 1999 keinen Schubhaftvertrag mehr. Fuer das ZEBRA Budget
nicht nur ein schwerer Schlag - natuerlich werden auch andere
Vertragsteile, wie etwa die Arbeit im therapeutischen Bereich - obwohl
inhaltlich nichts miteinander zu tun - vom BMI in Frage gestellt.
"Aber es steht die Identitaet der Organisation auf dem Spiel - mit
diesem Vertrag wuerde man sein Gesicht verlieren. Vorstand, Team und
Geschaeftsfuehrung waren sich darin einig, einen solchen Vertrag
duerfe man nicht unterschreiben.
 
Was dem ZEBRA Team aber verwundert, ist, dasz die anderen
Organisationen diesen Vertrag trotz der Kritik doch unterschrieben
haben. Glanzer spart nicht mit Kritik an ihren NGO Mitstreitern.
"Letztes Jahr haben wir noch gemeinsam um die Errungenschaften der
Betreuung gekaempft, heuer war davon nichts mehr zu spueren. Jetzt
kann das BMI sich die Partner nach Gutduenken aussuchen".
 
So wird die im Jahre 1998 eingefuehrte flaechendeckende
Schubhaftbetreuung fuer ganz Oesterreich nach Matzkas Willen gestaltet
werden und sich weniger um die Gesundheit und die Menschenrechte der
Schubhaeftlinge kuemmern, sondern mehr, ob den Beamten Arbeit
abgenommen wird.
 
An den Zustaenden in der Schubhaft aendert sich hingegen wenig -
"jetzt nach diesem Vertrag", wie die Betreuer von ZEBRA befuerchten
"umso weniger". Nach wie vor sind die Umstaende haarstraeubend, nach
wie vor sitzen Fluechtlinge bis zu sechs Monate in Schubhaft, sind der
Willkuer ausgesetzt, nach wie vor werden Menschen in ihr Heimatland
abgeschoben, obwohl ihnen dort Verfolgung und Gewalt droht. Und trotz
der internationalen Kritik - die Asylkoordination Oesterreich hat mit
Unterstuetzung durch die unicef eine Studie ueber Minderjaehrige
Fluechtlinge in Oesterreich erstellt, worin die Inschubhaftnahme von
Minderjaehrigen - im letzten Jahr waren es ueber 700 - heftig
kritisiert wird. Oder die Kommission zur Verhuetung von unmenschlicher
Behandlung und Folter des Europarates, die schon zweimal die
Schubhaftpraxis in Oesterreich heftig kritisiert hat.
 
"Fuer einen demokratischen Staat unwuerdig" und als "Incommunicado
Haft" - als Haft ohne geregelte Besuchsrechte - wurde sie schon
bezeichnet. Eine Menschenrechtsexpertin, die Oesterreichs
Schubhaftzellen kennengelernt hat, meinte nur schockiert: Das wird nur
noch afrikanischen und lateinamerikanischen Militaer- und
Foltergefaengnissen uebertroffen.
 
*Appell:*
 
Wir werden uns sicher nicht davon abhalten lassen, die Miszstaende und
die Behandlung in der Schubhaft weiter oeffentlich zu machen und wir
werden uns weiter um eine Verbesserung, um Menschenrechte und
Rechtsstaatlichkeit in der Schubhaft einsetzen. Wir brauchen jedoch
Ihre/Eure Unterstuetzung. Schreiben Sie an BM Karl Schloegl,
Herrengasse 7, 1010 Wien oder faxen sie ihm unter der Nr.: 01- 53126-
2554 und fordern Sie den Minister auf, den Schubhaftvertrag
rueckgaengig zu machen und neue Richtlinien ausarbeiten zu lassen und
dann gemeinsam mit den NGOs an einer Verbesserung der Schubhaft und
einer Betreuung, die den Namen verdient, zu arbeiten. Die Situation in
der Schubhaft ist ein Skandal fuer jeden demokratischen Staat.
 
Um unsere Betreuung - die aus einem hauptamtlichen und einem Team von
ehrenamtlichen SchubhaftbetreuerInnen besteht, weiterfuehren zu
koennen, brauchen wir auch Ihre/Eure finanzielle Unterstuetzung.
Spenden Sie auf das Konto: Steiermaerkische Sparkasse, Kto.Nr.: 00000-
066373, Blz.: 20815, Kennwort: Schubhaftbetreuung. *EuerZEBRA Team*
 
Kontakt: ZEBRA -- Zentrum zur sozialmedizinischen, rechtlichen und
kulturellen Betreuung von Auslaendern und Auslaenderinnen in
Oesterreich; zebra@zebra.or.at; http://www.zebra.or.at/schubhaft/;
Tel. 0316/83 56 30, Fax 0316/83 56 30-33; Pestalozzistr 59/II, 8010
Graz
 
 
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Von Arbeitserlaubnis bis Unabhaengiger Bundesasylsenat (UBAS):
 
> Zebra-Lexikon zu heiklen Rechtsfragen
 
Im Bereich der Auslaender-, Fluechtlings-, und Migrationspolitik
gibt es eine Vielzahl von Begriffen, rechtlichen Ausdruecken und
Abkuerzungen, die fuer die meisten unverstaendlich bzw. wenig
bekannt sind. Zumal auch eine Vielzahl von Begriffen tatsaechlich
einen komplizierten Hintergrund aufweisen. Gesetzliche
Bestimmungen, Ausnahmeregeln, Handhabung in der Praxis,
Interpretation des Gesetzgebers oder der Bundesregierung, Kritik
der JuristInnen und Beratungseinrichtungen u.v.m. Noch dazu kommt,
dasz in den letzten Jahren staendig neue gesetzliche Regelungen,
Verordnungen, Weisungen usw. hinzugefuegt wurden, sodasz selbst
ExpertInnen, BehoerdenvertreterInnen und SpezialistInnen
mittlerweile Muehe haben, immer auf dem neuesten Stand zu sein und
zu gelangen.
 
Ein Online-Lexikon zu all diesen Fragen -- das staendig
ueberarbeitet wird -- findet sich unter:
http://www.zebra.or.at/lexikon/
 
Wer weiterfuehrende Fragen hat oder keinen Internet-Anschlusz,
wende sich an nebenstehende Adresse.
 
 
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