> Polarisieren statt Analyse -- oder was?
Zur Haider-Debatte in akin 9, 10 & 12/99 (akin-pd zuletzt 18.4.99)
Angesichts der bevorstehenden Nationalrats- und EU-
Parlamentswahlen scheint sich die oesterreichische
parteipolitische Koalitions-Szenerie pragmatisch nuechtern mit
Professionalitaet und der Aussicht auf ihre Wiederwahl zu umgeben.
Zudem focussieren sich die relevanten Medieninteressen sowieso auf
die jugoslawische Tragoedie. So hat auch Haiders abzusehende
Wiederwahl zum LHM nicht die von der FP gewuenschte politische
Sensation ausgeloest, sondern versickerte zum "wie erwartet".
Die Diskussion ueber die demokratiepolitisch gefaehrliche Relevanz
der Ein-Mann-FPOe in akin 12/99 offenbart einen Blick auf eine
beliebte - weil bewaehrte - Vorgangsweise politischer Strategie,
die uebrigens auch von der roem-kath. Kirche perfekt durchgezogen
wird: Man stilisiert den absoluten Boesewicht und schreitet munter
und unbeachtet, business as usual betreibend, mit weiszer Weste
weiterhin sozialabbauend und Sparpaket-schnuerend ideologielos in
die fast schon pragmatisierte politische Zukunft. Die Herbstwahlen
werden der Koalition diesbezueglich nur rechtgeben. Natuerlich
sind die antifaschistischen Einwaende berechtigt, und selbstredend
ist die einzig deklariert rechte parlamentarische Partei auch das
Sammelbecken fuer sumpfige bis rechtsextreme Waehlerstimmen - wer
sonst - aber eben nicht nur.
Die gern angenommene Stilisierung Haiders als absoluten Buhmann
der Nation und seine Waehler als rechtsextreme Volltrotteln
verstellt jeden Ansatz einer halbwegs serioesen Analyse, warum die
Leute ihn sonst noch waehlen. Das Verharren auf diesen
traditionellen Positionierungen verhalf der FP inzwischen zu
unglaublichen Hoehefluegen und den Sozialdemokraten zu
antifaschistischem Gehabe - mit einhergehend war
konsequenterweise, dasz die Freiheitlichen mittlerweile
salonfaehig wurden. Und noch immer beschaeftigte sich oeffentlich
relevant kaum wer mit den zunehmend breiteren Schichten von
Modernisierungsverlierern, wurden reale Aengste und soziale
Notlagen immer noch beschwichtigt bis ueberhaupt nicht
wahrgenommen - in der politischen und oekonomischen Realitaet
jedoch allerdings verschaerft. Wie fuehlt sich mittlerweile fast
schon die Mehrheit der Bevoelkerung, wenn sie staendig von dem
superreichen Industrieland Oesterreich vorgeschwaermt bekommt -
als verarscht?
In einer zu extremen Polarisierungen neigenden Oeffentlichkeit
finden selbst radikale ideologische Strukturveraenderungen der
Sozialdemokratie keine Resonanz - weil: hier ist gut und weise und
modernisierend, da ist ganz boese und rechtsextrem. Dasz der
Briefchen-Verteiler Kardinal Schoenborn sich kirchen-
horizontmaeszig irgendwo kurz vor der Aufklaerung befindet, geht
unter, weil es Krenn gibt. Dasz die SPOe durch Rudas himself
erklaeren laeszt, sie sei sowieso auf die Erschlieszung neuer
Waehlerschichten aus, findet medial auch wenig Beachtung - dasz
sich die nicht mehr betreuten bisherigen Kernwaehlerschichten
Haider zuwenden, wundert mich nicht.
*Fritz Pletzl*
> Wohin geht die Gemeindepolitik?
Unmittelbarer Anlasz fuer eine Veranstaltung unter dem Titel
"OeFFENTLICH ODER PRIVAT?" (siehe Anhang) ist die Ausgliederung
und Umstrukturierung der Wiener Stadtwerke (Wiener Linien,
Wienstrom, Wiengas und Wr. Bestattung) in einzelne
privatrechtliche Unternehmen unter dem Dach einer Holding AG.
Entgegen allen anderslautenden Beteuerungen ist diese
Ausgliederung der Wiener Stadtwerke nur der erste Schritt in
Richtung Privatisierung saemtlicher oeffentlicher Dienstleistungen
und deren Unterwerfung unter das marktwirtschaftliche Diktat.
Privatisierung gemeinwirtschaftlicher Versorgungsbetriebe fuehrt
zu Rationalisierungen im Personalbereich, zur Tarifgestaltung ohne
soziale Verantwortung und Einschraenkung des Leistungsangebotes.
Der gegenwaertige Privatisierungskurs, den die Wiener
Stadtregierung unter Fuehrung der sozialdemokratischen
Finanzstadtraetin faehrt, ist unserer (BRW-) Analyse nach ein
neoliberaler Crashkurs mit dem Ziel der Zerschlagung des
oeffentlichen/gemeinwirtschaftlichen Sektors, was zu extrem
negativen Auswirkungen auf den Wiener Arbeitsmarkt fuehren wird.
So wird allein die Strommarkt-Liberalisierung/Privatisierung laut
Berechnungen der Gewerkschaften EU-weit 250.000 Arbeitsplaetze
kosten.
Die Wiener Stadtregierung will sich durch ihre
Privatisierungsstrategie ihrer sozialen Verantwortung entziehen
und die dadurch freiwerdenden Milliarden an die Privatwirtschaft
transferieren. Ein Beispiel mag veranschaulichen: Kaum ist
Wienstrom in ein privatrechtlich gefuehrtes Unternehmen
umstrukturiert, wird den Wiener Linien der bisherige Sonderrabbat
in Hoehe von rund 400 Millionen Schilling aufgekuendigt. Ungefaehr
400 Millionen sind auch die Summe, die die Wiener Linien auf Grund
der Fahrpreiserhoehungen ab 1.1.1999 als Mehreinnahmen verbuchen.
Die auf Druck des EU-Groszkapitals durchgesetzte
Strommarktliberalisierung verschaerft den Konkurrenzdruck auch
fuer die jetzt als Einzelunternehmen fungierende Wienstrom. In
Wien gibt es jedoch nur ein Unternehmen, naemlich General Motors,
auf das derzeit die Moeglichkeit zutrifft, Strom auf dem
liberalisierten Markt frei zu beziehen. Wienstrom gewaehrt diesem
Kunden grosze Preisnachlaesse, um ihn nicht zu verlieren. Somit
schlieszt sich der Kreis: Nicht mehr die Fahrpreise werden nach
sozial vertraeglichen Kriterien subventioniert, sondern die Be-
nutzerInnen der Oeffis subventionieren ueber die
Fahrpreiserhoehung die Strompreisreduktion von General Motors.
*Beschaeftigungspolitik oder Gewinnmaximierung?*
Heute geht es der besitzenden Klasse nicht mehr nur um die Nutzung
saemtlicher gesetzlich zugestandener Gestaltungsmoeglichkeiten zur
Steuervermeidung, sondern zusaetzlich um den ungehinderten Zugriff
auf die Steuerleistungen der kleinen und mittleren Einkommen. Dazu
braucht es willfaehriger PolitikerInnen, die quasi im
vorauseilenden Gehorsam die entsprechenden gesetzlichen und
strukturpolitischen Weichen stellen. Die ideologischen Codewoerter
sind derzeit Globalisierung und Standortwettbewerb. Im Dienste
angeblicher Beschaeftigungspolitik soll die Staerkung des
Dienstleistungssektors, insbesondere was hochwertige,
industrienahe Dienstleistungen betrifft, vorangetrieben werden,
und die (kostenlose) Bereitsstellung hochwertiger Infrastruktur
(Flaechen, Energie, Telekommunikation, Verkehrsanbindung,
Steuernachlaesse etc.) gilt als Voraussetzung fuer eventuelle Be-
triebsansiedlungen. Die dafuer erforderlichen oeffentlichen Mittel
muessen notgedrungen aus den sozialen Budgets abgezweigt werden.
Und da in einer global vernetzten Welt saemtliche Staaten,
Laender, Regionen und Staedte an derselben Spirale drehen, steht
die Phrase: "Standortwettbewerb" als Synonym fuer einen weltweiten
Sozialdumping-Wettlauf. Und die Wiener Stadtregierung hat es sich
offenbar zur Aufgabe gemacht, sich dieser historischen
Herausforderung an vorderster Front zu stellen.
Frau EDERER ist sehr stolz darauf, dasz Wien seit Jahren rund 40
Milliarden OeS ueber Auftragsvergabe, Subventionen und
Steuererleichterungen jaehrlich an die Wiener Wirtschaft verteilt.
Die Bauwirtschaft behauptet, dasz mit rund 1 Milliarde OeS an
Auftraegen rund 1.500 Dauerarbeitsplaetze geschaffen werden
koennten. Wenn diese Rechnung stimmt, dann duerfte Wien mit seinen
jaehrlichen 40 Milliarden an oeffentlichen Auftraegen fast keine
Arbeitslosen haben.
Erst kuerzlich haben in koalitionaerer und
sozialpartnerschaftlicher Eintracht Haeupl, Goerg, Ederer, Nettig
und Tumpel den "territorialen Beschaeftigungspakt Wien" vor- und
dafuer 730 Millionen OeS bereitgestellt, von denen ueberdies Wien
nur 200 Millionen OeS traegt. Dieses Geld kommt statt den
Arbeitslosen den Unternehmen zugute. Laut Rathauskorrespondenz
gehen die Wiener Sozialpartner davon aus, dasz die draengendsten
wirtschaftlichen Probleme Wiens die mangelnde
Innovationsfaehigkeit und die noch ungenuegende technologische
Orientierung der Wiener Wirtschaft ist.
*Josef Iraschko, Bewegung Rotes Wien (gek.)*
Unter dem Titel "OeFFENTLICH ODER PRIVAT?" laedt die BRW zu einer
Diskussionsveranstaltung mit der Wiener Finanzstadtraetin,
Brigitte EDERER ein. Die Moderation wird Erwin Weissel
fuehren:
7stern, Montag, 26.4.1999, 19 Uhr
> User-Vertretung gegruendet
Etwa 8000 User pinnen regelmaeszig ihre Meinungen an die
oesterreichischen "schwarzen Bretter" des weltweiten
Diskussionsnetzes Usenet (d.i. ein Teil des "Internets"), die
"at."-Newsgroups. Und Schaetzungen gehen davon aus, dasz etwa
zehnmal soviele diese Postings lesen. "Zeit fuer eine
Interessensvertretung", dachten sich einige Usenet-User -- und
gruendeten Anfang April VIBE.AT, den Verband der Internet-Benutzer
Oesterreichs.
VIBE.AT sieht sich nicht unbedingt als Gegenpol zur ISPA, dem
Verband der oesterreichischen Internet-Anbieter, sondern
ergaenzend: "Wir moechten neben den geschaeftlichen und
staatlichen Interessen auch die der einzelnen Buerger einbringen",
erklaerte Gerald Pfeifer von VIBE.AT.
Ein wichtiges Ziel der neuen Interessensvertretung ist die
Mitarbeit an Gesetzesvorschlaegen, die die Eingriffe des Staates
ins Internet -- Usenet, WWW und E-Mail -- regeln: "Wir sind fuer
Meinungsfreiheit und das Recht auf Privatsphaere -- die
Menschenrechte sollen schlieszlich auch im Internet gelten." Das
Recht auf freie Meinungsaeuszerung sollte geschuetzt werden,
zumindest im gleichen Ausmasz, wie dies bei Zeitung oder Rundfunk
praktiziert wird.
*Standard/quintessenz.at/bearb.*
KONTAKT: http://www.vibe.at
eMail: redaktion.akin@signale.comlink.apc.org
pgp-key auf Anfrage
last update: 26-04-1999 by: Horst.JENS@bigfoot.com
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