akin / aktuelle informationenPressedienst akin vom 23-02-1999
 
 



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Manderl-Weiberl:

> Nicht gleichmachen -- Vielfalt schaffen!

Wider Fritz Pletzls Verwaesserungstheorie
(akin 6/99, akin-pd 18.2.99)

*

Fritz glaubt an ein binaeres Geschlechtssystem. Maennlein und
Weiblein gaebe es nunmal. Das sei eine biologische Tatsache und
daher koenne mensch's nicht leugnen. Zum Geschlecht muesse mensch
sich bekennen. Alles andere sei Verwaesserungstaktik.

Nun sind die biologischen Tatsachen allerdings anders gelagert.
Leider habe ich keine Zeit gefunden, das halbwegs verstaendlich
zusammenzufassen, ich werde es demnaechst nachholen. Aber: In der
Natur gibt es kaum binaere Systeme. Auch die Geschlechter sind
keines. Die Geschlechtszuordnung ist eine statistische
Angelegenheit, wobei halt der groeszte Teil der Menschen
biologisch leicht zuordenbar ist. Tatsaechlich sind aber
Zwischenformen, die die primaeren Geschlechtsorgane ebenfalls
miteinschlieszen koennen, nicht so selten. Von der
Geschlechtsidentitaet (gender) wissen wir das ja schon. Aber beim
biologischen Geschlecht wurde das immer geleugnet, die Leute daher
zur Akzeptanz des biologischen Geschlechts gedraengt, und damit
erst die Probleme einzelner mit ihrer Geschlechtsidentitaet
erzeugt. Leute, die in die natuerliche Bandbreite, deren Endpunkte
den typischen Geschlechterklischees entsprechen, fallen, gelten
als abnorm, muessen sich eine eigene, vom angeblichen natuerlichen
Geschlecht unabhaengige Geschlechtsidentitaet zulegen. Aber nur
dort, wo Abweichungen von den zur Norm erhobenen Extremen allzu
merklich sind, wird es Widerstand gegen den Druck der Norm geben.
Die Vielfalt der Moeglichkeiten wird durch Gleichschaltung auf der
Ebene des "biologischen Geschlechts" unterdrueckt. Zu einem
Instrument der Unterdrueckung kann auch der Feminismus werden, der
sich nach Judith Butler unter Berufung auf Michel Foucault sein
Subjekt erst schafft. Denn was fuer Gemeinsamkeiten haetten die
vom Feminismus Vertretenen, wenn nicht das biologische Geschlecht?
Sogar die Unterdrueckungsmechanismen in verschiedenen Kulturen
sind nicht vergeichbar.

Das heiszt aber weder, dasz Feminismus unnoetig oder schlecht ist,
noch, dasz Diskriminierung von Frauen nicht als solche erfaszt und
benannt werden soll. Nur, dasz das Schubladendenken zugunsten der
Akzeptanz der Vielfalt gebrochen und dasz die
Geschlechtszugehoerigkeiten als das erkannt werden sollen, was sie
sind: Als Extremfaelle, als die Gipfel einer Verteilungskurve und
nicht als zwei klar voneinander abgegrenzte Bloecke.
                                                     *Gregor Dietrich*



Kosovo / Krieg und Frieden / Debatte:

> Zuschauen oder die NATO

Die bevorstehenden NATO-Angriffe gegen serbische Ziele brachten im
Zuge einer hitzigen Diskussion zwei doch aeuszerst kontraere
Standpunkte hervor. Der erste lautet in Kurzform sinngemaesz so:

Die USA und das beteiligte Westeuropa verfolgten eindeutig
imperialistische Zielsetzungen in Rest-Jugoslawien. Schuld an den
Ausschreitungen seien auszer dem IWF und der Weltbank diejenigen
westeuropaeischen Regierungen (und Oesterreich), die zu einer
Zerstueckelung des Landes durch Anerkennungsschritte
austrittswilliger Teilrepubliken noch ermuntert haetten. Es gebe
genug Friedensinitativen und hinreichende Bemuehungen der
einheimischen Bevoelkerung der Krisenregionen, die Konflikte auch
ohne Einschreiten der NATO friedlich zu bewaeltigen. Man solle die
Menschen einfach in Ruhe lassen - alles werde sich schon so zum
Besten wenden.

Gut - soweit der Standpunkt des Nichteinmischens und
Machenlassens. Die andere Sicht ist unschwer zu erraten: die
Intervention der NATO und zumindest massive, glaubwuerdige
Drohungen seien noetig, um die Zivilbevoelkerung vor Angriffen -
von wem auch immer - zu schuetzen. Dieser Meinung wird in der
Diskussion entgegengehalten, wie sich die USA im Nahen Osten und
im Irak verhalte; weiters, dasz die NATO und die USA international
genug Dreck am Stecken haetten und im uebrigen ueberhaupt nichts
unternehmen wuerden, die Massaker an den Kurden zu verhindern. Der
geopolitische Stellenwert der Tuerkei sei fuer die USA von
wesentlich hoeherer Relevanz als die geringsten Standards an
Menschenrechten usw., und so fort.

Alles richtig, sicher! Es trifft auch zu, dasz fuer die USA die
kurdische Guerilla im Irak aus Freiheitskaempfern und die PKK in
der Tuerkei aus Terroristen besteht. Dazu kommt in der Diskussion
der Hinweis auf die voellig voelkerrechtswidrige Intervention der
NATO. Dem ist entgegenzuhalten, dasz die Strukturen des Staendigen
Sicherheitsrates mit Einstimmigkeitscharakter zu einer Blockade
der Entscheidungsfindung ueber ein UNO-Mandat zur militaerischen
Intervention geradezu auffordern. Ruszland waere genauso wie China
von allen guten Geistern verlassen, wuerden sie ihr Veto-Recht
nicht gebrauchen, falls sich irgendwo supranationale
Interventionen  ankuendigen.

Also: Eine ausreichende Analyse der Hintergruende und das
Vertrauen auf die "Selbstreinigungskraefte" der Bevoelkerung der
Krisenregionen und im uebrigen Nichteinmischung -- gegen das
Befuerworten einer Intervention oder zumindest massiven
Interventionsandrohung der NATO mit anschlieszender Stationierung
von Ueberwachungstruppen.

Ich halte den letzteren Standpunkt zum Schutz der Bevoelkerung
fuer sinnvoll und die Theorie des Zuschauens und des Schuldsuchens
in der Vergangenheit fuer eine zynische Variante des Wegschauens.
Es geht - glaube ich - in diesem Fall nicht darum, Argumente fuer
oder gegen die NATO zu finden, sondern um sofortiges Eingreifen,
wenn Doerfer bombardiert werden, die Leute sich gegenseitig
massakrieren und bis an die Zaehne bewaffnen und eine
hochgeruestete Armee sich gegen die Zivilbevoelkerung in Bewegung
setzt. Mir ist der Hinweis auch egal, dasz ueberall anders - z.B.
in der Tuerkei - bei Menschenrechtsverletzungen supranational
nichts passiert. Wer diese Meinung als parteiischen Standpunkt
gegen Serbien und fuer die NATO versteht, moege weiterhin
interessiert zusehen.                         *Fritz Pletzl*



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