Folgenden, teilweise etwas bedenkenswert formulierten Aufruf
("anstaendige und unbescholtene MitbuergerInnen") einer
eigenstaendigen Initiative bekamen wir von Klub Roter Stern und
LabourNet Austria uebermittelt. Wir drucken ihn unveraendert nach:
*
> Aufruf zur Aktionsplattform gegen Polizeiuebergriffe und
> institutionalisierte Gewalt
Liebe MitbuergerInnen, Liebe KollegInnen! Die oesterreichische
Polizei pruegelt immer wieder unschuldige Buerger nieder. In der
letzten Zeit werden diese Verbrechen immer exzessiver. Von
Gericht, Polizeipraesidium, Polizeigewerkschaft und
Innenministerium erhalten die Gewalttaeter immer oefter einen
Freibrief, brutal gegen die Bevoelkerung zu agieren. Die
Bevoelkerung wird hilfloser. Die Opfer werden ohnmaechtiger. Aber
wir wollen aufstehen und aktiv werden. Ein Fall zieht seit
Dezember 1998 durch die Medien -- einer der brutalsten in der
Geschichte der Polizeiuebergriffe.
Als (leider) anders sozialisierte Menschen schluepft die Polizei
in die Uniform und glaubt, sie seien ploetzlich Woelfe geworden.
Dann halten sie sich unter dem Deckmantel des Apparats versteckt.
Anschlieszend ruecken sie aus und glauben die Oeffentlichkeit als
einzige Gegner zu haben und sind daher jederzeit bereit, auch
unschuldige Buerger bis zum Kreppieren zu foltern. Welcher Mensch
hat woher das Recht, einen Mitmenschen zu schaenden?! Warum
glauben die Verantwortungstraeger, diese Menschenschaender
verteidigen zu muessen?!
Das Problem der Polizei ist systeminhaerent. Ein Ex-WEGA-Polizist
und nunmehriger Abgeordneter bestaetigt, dasz das Problem der
Polizei bereits bei der Ausbildung beginnt: "Heute setzt man einen
Polizeischueler ins Auto seines 22-jaehrigen Kollegen, der sich
dort einmal beweisen will". Das fuehrt zu den bekannten
gesetzwidrigen Amtshandlungen.
"Mittlerweile musz man den Leuten abraten, eine Miszhandlung
anzuzeigen. Sie koennen ja auch als Vorbestrafte aus der
Geschichte herauskommen", so Rechtsanwalt Pochieser. Dies ist ein
fataler Indikator fuer die Ohnmacht der Opfer und fuer die
Hoffnungslosigkeit gegenueber der Justiz. "Heute sind wir in der
grotesken Situation, dasz Opfer groeszere Angst haben muessen als
Taeter", so Anwalt Richard Soyer. So nahm auch der Faschismus
seinen Anfang. Waren in den achtziger Jahren "linke Demonstranten"
Opfer der Polizeigewalt, so sind es heute auch Auslaender,
Schwarze und Normalbuerger. Keiner von uns ist ausgenommen. Sie
selbst koennten jederzeit das naechste Opfer sein oder Sie sind es
bereits gewesen. Warum sich die Watschenpepis so sicher fuehlen,
erklaert sich durch die reflexartige Deckung durch ihre
Gewerkschaften und Institutionen. Kommt es ueberhaupt zu einem
Gerichtsverfahren, erhalten die Pruegelmachos von der jeweiligen
RichterIn noch einen Freibrief. Meistens ist ein fairer Prozesz
eine Utopie in Oesterreich. Die negative Spirale dreht sich
weiter.
1999 steht im Zeichen der EU-Kampagne gegen Gewalt an Frauen und
Kindern. Auch der Innenminister raeumt Gewalt an Familien hohe
Prioritaet ein. Dabei sollen Pruegelmachos keine guten Karten
haben. Aber am 1.11.1998 rueckte die Polizei aus und stuerzte
Familie "Dr. C." samt Frau, Kind und Alleinverdiener in einen
langfristig prekaeren Gesundheitszustand und damit auch in
Existenznot. Alle Familienmitglieder sind noch immer in
medizinischer Behandlung. Die Pruegelmachos nahmen auch eine
Leibesvisitation an "Frau Dr. C." auf offene Strasse vor und
fegten die Frau samt Saeugling heftig hin und her, weil sie
unbedingt den Inhalt des Ruecksacks samt privatesten Gegenstaenden
sehen wollten, obwohl ihnen erklaert wurde, dasz sich lediglich
Babymilch, Babyflasche und aehnliche Gegenstaende drinnen
befanden. Mit Zwang und Gewaltexzessen gelang es ihnen, die Tasche
aufzureiszen und u.a. Mutter-Kind-Pasz und Babymilch
festzustellen. Wir koennen uns nicht vorstellen, dasz diese
gewaltsame Leibesvisitation an Mutter und Kind gesetzlich gedeckt
ist. Der sechswoechige Saeugling heulte dabei und litt unter der
Kaelte. Herr "Dr. C." wurde von der Polizei schwer miszhandelt in
der Zelle eingesperrt und anschlieszend stationaer in eine
unfallchirurgische Ambulanz aufgenommen. Die schwer geschockte und
traumatisierte Frau schleppte sich irgendwie mit ihrem Saeugling
tief in der Nacht allein nach Hause. Um Mitternacht der selben
Nacht drang die Polizei noch in die Wohnung der Frau ein. Die
schwer geschockte Frau wurde von der Polizei weiter traumatisiert
und eingeschuechtert. Die Polizei war offenbar entschlossen, diese
Familie auszurotten. Das Innenministerium, die Polizeigewerkschaft
und die Bundespolizeidirektion Wien spenden Applaus und bejubeln
dieses Verbrechen als eine "voellig korrekte Amtshandlung". Alle
diese Institutionen haben etwas gemeinsam: sie verachten Artikel 1
der AEMR: "Alle Menschen sind frei und gleich an Wuerde und
Rechten geboren". Deswegen verherrlichen sie diesen Uebergriff an
einem farbigen Oesterreicher, seiner Frau und seinem Kind und
sorgen sich lieber um ihre Mehrzweckwinterjacke und um die
Karriere der Gewalttaeter, Artikel 2 der AEMR ueber umfassendes
Diskriminierungsverbot zum Trotz.
Alle und insbesondere Frauenorganisationen sind hiermit
aufgerufen, sich fuer die Rechte von Frauen und Maennern gegen
rassistische Uebergriffe einzusetzen und sich bemerkbar zu machen.
Eine Billigung dieses Amtsverhaltens waere skandaloes. Eine
Vertrauensperson in der Eigenschaft eines Staatsdieners im Rahmen
der oeffentlichen Sicherheit darf nicht diese unhaltbare Gewalt an
unschuldigen MitbuergerInnen verueben und straflos im Einsatz
bleiben. Daher ist die Beibehaltung der betroffenen Beamten in der
Position als Polizisten nicht duldbar. Eine prompte Entlassung der
betroffenen Beamten ist unverzichtbar.
Sowohl der Bundeskanzler als auch der Innenminister haben
angekuendigt, Pruegelopfer zu unterstuetzen. Bisher bleiben diese
Ankuendigungen reine Worthuelsen. Im Rahmen einer geplanten
Demonstration haben wir die reale Chance die Umsetzung der
Ankuendigungen des Ministers einzufordern.
Zeigen auch Sie Mut. Leisten wir gemeinsam Widerstand! Es ist an
der Zeit, diese systematisch institutionalisierten
Gewalthandlungen an unschuldigen Menschen erfolgreich zu
bekaempfen. "Es ist ein groszer Unfug zu sagen, das trifft nur
Verbrecher. Tatsaechlich ist jeder betroffen". Herr und Frau "Dr.
C." sind anstaendige und unbescholtene MitbuergerInnen. Inzwischen
selektiert die Polizei nicht mehr, wer das naechste Opfer werdensoll.
Sie koennten das naechste Opfer sein!
Daher treffen wir uns zur Vorbereitung der gemeinsamen
Demonstration (Vorschlag: 5. Maerz) gegen Polizeiuebergriffe und
institutionalisierte Gewalt am 29.1.1999, UM 18 UHR. ORT:
AMERLINGHAUS, STIFTG. 8, 1070 WIEN
Unsere Forderungen:
1. Grundrechtsicherung fuer alle.
2. Aenderung des Polizeibefugnisgesetzes.
3. Staerkung einer unabhaengigen Opfervereinigung gegen
institutionalisierte Gewalt.
4. Polizei darf in eigener Sache nicht mehr untersuchen.
5. Stop fuer unkontrollierten Zugang zur EKIS kriminal-
polizeilichen Aktenindex durch die Polizei.
6. Keine Immunitaet fuer EUROPOL-Beamte
7. Disziplinarverfahren und Entlassung von Pruegelpolizisten
8. Hilfe fuer Pruegelopfer.
9. Einfuehrung der Beweislastumkehr
10. Bund uebernimmt alle Prozeszkosten fuer gerichtliche
Auseinandersetzungen mit der Polizei.
11.Opfer machen paedagogische Konzepte gegen rassistische
Polizeiuebergriffe mit staatlicher Foerderung.
*Das Opferkomitee gegen Polizeiuebergriffe*
> Symptome der Wandlung
Die Wahlen bei den Gruenen fuer die EU-Kandidatur sind so
ausgegangen, wie es schon vorher in der Zeitung gestanden ist. Das
waere zu kritisieren. Aber ist das nicht schon fad? Die
Normalitaet der Gruenen Partei, die ja schon fast an
Regierungsfaehigkeit grenzt, regt uns schon nicht mehr auf. Die
Mitglieder der Partei haben sich gewoehnt an die Verkaufsargumente
der Spitze, mit der sie vorher festlegt, wie die Delegierten
abzustimmen haben und finden diese Argumente eigentlich ganz in
Ordnung, denn schlieszlich leben wir in einer Mediengesellschaft
usw... Und die Spielwiesen der Mandatare auf Kommunalebene -- die
den Groszteil der eigentlichen Basis der Partei ausmachen --
werden dadurch ja auch nicht gefaehrdet. Welche Inhalte mit einer
Politik der Forcierung der Erfolgreichen, Prominenten und Schoenen
transportiert werden, wird immer mehr wurscht. Hauptsache, man
steht in der Zeitung! So geht die Gruene Alternative den Weg aller
politischen Parteien in die ideologische Indifferenz. Wenn Van der
Bellen fuer die Wahl von Mercedes Echerer, deren politische
Ausrichtung ich nicht wirklich beurteilen kann, eintrat mit der
Erklaerung, dies sei als "Signal der Oeffnung" zu verstehen,
spricht das ja Baende. Es geht um die Reinigung der Gruenen vom
verstaubten Image der politischen Inhalte.
Die Wertegemeinschaft der Partei, die von Anfang an eine recht
fragwuerdige zwischen AL- und VGOe-Aktivisten war, loest sich nun
endgueltig auf. War mit den 80ern und Anfang der 90er zumindest
die Praesenz in den damals politisch brisanten Umweltthemen
immerhin noch ein sehr starker Kitt, so bestand in oekonomischen
und sozialen Fragen, wie sie heute relevant sind, nie ein Konsens.
Zwar sind einige der Modelle der Gruenen zur Grundsicherung nicht
uninteressant, aber weder schafft es die Partei, sie einer
breiteren Oeffentlichkeit nahezubringen, noch ist sie bereit,
glaubwuerdige Oekonomiekritik zu ueben. Letzteres ist wohl dem
vitalen Interesse an einer Regierungsbeteiligung geschuldet. Um
aber die so fehlende Kantigkeit -- und damit die durchaus
effektive PR-Strategie des Andersseins -- zu substituieren,
muessen prominente Koepfe her.
So wird aber die schon seit laengerem schwer angeknackste
Idealvorstellung an Egalitaet innerhalb der Parteiaktiven immer
weniger glaubwuerdig. Der affirmative Zusammenhalt dieser Partei
wird geringer, die Gemeinde- und Bezirksraete werden nur mehr
einfach die Chiffre "Die Gruenen" auf dem Wahlzettel fuer die
Sicherheit ihrer Wiederwahl in die Gremien nutzen. Auch wenn das
natuerlich fast alle Gruene bestreiten werden, spricht die
Tatsache ihrer Bravheit bei Parteiwahlen Baende. Der Rest wird
immer weniger von Belang, der sittliche Ernst des Politischen wird
verdraengt.
Diese Entwicklung kann aber auch von Vorteil sein. In Zukunft wird
sich vielleicht ein nuechterner, nicht mehr von Hoffnung oder
Empoerung gepraegter Zugang der parteilosen Linken zu den Gruenen
ergeben. Man wird zusammenarbeiten, aber man wird sich von ihnen
kaum mehr erwarten als von den Sozialdemokraten, und sich
ansonsten wieder eher auf eigene, auszerparlamentarische
Organisation konzentrieren. Ungebundene Linke und Parteigruene
koennten so in Zukunft -- mit Bruno Kreisky gesagt -- "einen Teil
des Weges gemeinsam gehen". Dazu musz man sich nicht lieben...
*Bernhard Redl*
> Dasselbe in Rot-Gruen
Neue Regierung auf dem Pruefstand der Friedensbewegung
Am 5. und 6. 12. 1998 tagte in Kassel / BRD der 5. Internationale
Friedenspolitische Ratschlag, eine nunmehr jaehrlich stattfindende
Konferenz, bei der fast alle Friedensinitiativen Deutschlands
vertreten sind. Die Konferenz stand unter dem Motto: "Die Politik
entmilitarisieren -- Atomwaffen abschaffen -- bei uns abruesten!".
Zwei aktuelle Themen praegten die Konferenz in Kassel: Die
Militarisierung der Gemeinsamen Auszen- und Sicherheitspolitik
(GASP) der Europaeischen Union und die neue (alte?) Auszen- und
Sicherheitspolitik der neuen Regierung.
Insbesondere fuer die starke oesterreichische Delegation
bemerkenswert war aber auch der Vorschlag, ueber eine
Neutralisierung Deutschlands nachzudenken. Diese Variante wurde
bereits in den 50er Jahren in Deutschland diskutiert. In der
Zwischenzeit scheint aber der Weg deutscher Auszen- und
Sicherheitspolitik voellig festgelegt. Dr. Hans Mausbach, der
diesen Vorschlag in die Diskussion eingebracht hat, rekurrierte in
seinen Thesen auf die friedenspolitischen Kernelemente der
Neutralitaet: Gewaltverzicht bei der Durchsetzung wirtschaftlicher
und politischer Interessen, keine feindselige Haltung gegenueber
Nachbarstaaten und der Staatengemeinschaft insgesamt, ein
erhoehter Souveraenitaetsspielraum und die Wahrnehmung und
Bearbeitung von Konflikten auf zivile Art und Weise. Alleine eine
breite Debatte zu diesem Vorschlag in Deutschland waere fuer die
sicherheitspolitische Debatte in Oesterreich eine grosze
Bereicherung.
Bereits bei der internationalen Podiumsdiskussion zum Auftakt der
Konferenz spielte die praktische neue Auszenpolitik eine
dominierende Rolle. Fuer viele FriedensaktivistInnen wurden manche
Hoffnungen in die neue Regierung durch den Bundestagsbeschlusz zur
Entsendung von 14 Jagdflugzeugen und 500 Bundeswehrsoldaten in den
Kosovo bereits im Vorfeld zerstoert. (198 SPD- und 29 Gruen-
Abgeordnete stimmten dieser Entsendung zu.) Einig war man sich
darin, dasz dieser Beschlusz sowohl voelkerrechts- als auch
grundgesetzwidrig ist. Unterschiede gab es nur in der Gewichtung.
Waehrend z. B. Tobias Pflueger von der Informationsstelle
Militarisierung (Tuebingen) von "rot-gruener Kriegspolitik"
spricht und dazu ausfuehrt: "Als Grundlinien der neuen rot-gruenen
Auszenpolitik lassen sich nun ein verbales Einsetzen fuer
Menschenrechte ... und zugleich der Ausbau der
Interventionsfaehigkeit der Bundeswehr feststellen. Jetzt kann das
Kaempfen und Kriegfuehren also richtig losgehen! Die vielfach
deklarierte Kontinuitaet der Auszenpolitik bedeutet eine
verschaerfte Fortsetzung der Militarisierung und damit auch Krieg,
nur eben auszerhalb Deutschlands.", wandte sich z. B. Wolfgang
Gehrke-Reymann (PDS) gegen eine solche "Schwarzweiszmalerei".
Wesentlich sei seines Erachtens eine groesztmoegliche Offenheit.
Niemand wuerde sich von der neuen Regierung Wunder erwarten. Die
Konflikte auf staatlicher und parlamentarischer Ebene duerfen aber
nicht schoen geredet werden. Dies koenne auch zu einer neuen
Mobilisierung auszerparlamentarischer Bewegung fuehren.
Waehrend vor einiger Zeit die Schritte zur Militarisierung der
GASP der EU auch in Kreisen der Friedensbewegung eher als
Schimaere, denn als reale Bedrohung wargenommen wurden, hat sich
dieses Bild in letzter Zeit grundlegend gewandelt. Die
Herausbildung eines gemeinsamen westeuropaeischen
Ruestungskomplexes nahm deshalb einen breiten Raum bei den
Diskussionen in Kassel ein. Am weitesten ist dieser Prozesz auf
dem Gebiet der Raum- und Luftstreitkraefte gediehen. Hier hat in
den letzten Jahren ein gewaltiger Konzentrationsprozesz
stattgefunden, bei dem der Daimler-Konzern eine fuehrende Rolle
einnimmt. Ziel ist es nicht nur wirtschaftlich gegenueber den USA
konkurrenzfaehig zu werden, sondern auch die Herausbildung von von
den USA unabhaengigen Interventionskapazitaeten abzusichern.
Vorgelegen ist auch ein Entwurf fuer ein "Kasseler
Friedensmemorandum 1999". Darin findet sich unter dem Titel "Eine
neue Regierung -- eine neue Politik?" eine breite
Auseinandersetzung mit dem rot-gruenen Koalitionsvertrag.
Einleitend heiszt es dazu: "Der Regierungswechsel in Bonn hat in
Kreisen der Friedensbewegung zwar ungeteilte Zustimmung, aber
keineswegs ueberschaeumende Freudensstuerme ausgeloest. Dazu waren
schon waehrend des Wahlkampfs von SPD und Buendnis 90/ Die Gruenen
auszen- und sicherheitspolitische Positionsbestimmungen
vorgenommen worden, die eine zunehmende Distanz zur
Friedensbewegung erkennen lieszen." Die deutsche Friedensbewegung
hat im Bundestagswahlkampf folgende Forderungen artikuliert:
*Stop des "Eurofighter 2000-Programms
*Aufloesung des "Kommando Spezialkraefte" (1)
*Senkung der Verteidigungsausgaben um mindestens 5% jaehrlich.
*Verbot von Waffenexporten
*Staerkung von UNO und OSZE statt NATO- Osterweiterung
*Den Umbau der Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren
Interventionsarmee zu stoppen und rueckgaengig zu machen und als
ersten Schritt die Krisenreaktionskraefte abzubauen.
*Einen freiwilligen zivilen Friedensdienst aufbauen.
Im Koalitionsvertrag finden sich insbesondere einleitend einige
positive Ansatzpunkte, die Anlasz zur Hoffnung geben. Unter dem
Motto "Deutsche Auszenpolitik ist Friedenspolitik" wird ein
Bekenntnis zur "Entwicklung und Anwendung von wirksamen Strategien
und Instrumenten der Krisenpraevention und der friedlichen
Konfliktregelung" abgegeben. Ebenso wird die "Verpflichtung zur
weiteren Zivilisierung und Verrechtlichung der internationalen
Beziehungen, zur Ruestungsbegrenzung und Abruestung, zu einem
oekonomischen, oekologischen und sozial gerechten
Interessensausgleich der Weltregionen und zur weltweiten
Einhaltung der Menschenrechte..." unterstrichen. Die OSZE soll
"durch bessere personelle und finanzielle Ausstattung" gestaerkt
und "ihre Handlungsfaehigkeit auf dem Feld der Konfliktpraevention
und Konfliktregelung" verbessert werden. Die Friedensforschung und
zivile Friedensdienste sollen finanziell besser dotiert werden.
Diese positiven Ansatzpunkte werden aber durch eine Reihe anderer
Absichten konterkariert und entwertet:
Insbesondere ist dies die Militarisierung der EU durch Integration
und Weiterentwicklung der WEU. Als besonders unappetitlich wird
dabei das Bekenntnis zur Forcierung von Mehrheitsentscheidungen in
dieser Sache empfunden.
*Die mehrfache Betonung besonderer Beziehungen zur Ukraine wird
als erklaerungsbeduerftig gesehen. Erklaerungsbeduerftig speziell
in Bezug auf die deutsch- russischen Beziehungen.
*Die Bekraeftigung der Aufgaben der NATO "jenseits der
Buendnisverteidigung" ist ein Bekenntnis zu den "out of area"
Einsaetzen der NATO und wirft alle programmatischen Aussagen von
SPD und Gruenen dazu ueber Bord.
*Eigenartig ist auch die Formulierung zur Frage der UNO-Reform.
Der Reformvorschlag bleibt ausschlieszlich auf die Frage des
Sicherheitsrates beschraenkt und spielt dort mit der Ueberlegung
entweder einen "europaeischen Sitz" zu ergattern oder der
Moeglichkeit, dasz "Deutschland staendiges Mitglied des
Sicherheitsrates ..." wird. Die Forderung nach Aufwertung der
Generalversammlung und Bindung des Sicherheitsrates an die
Generalversammlung bleibt voellig unerwaehnt.
*Festgehalten wird auch an den von der alten Regierung
eingeleiteten Aufruestungsschritten (Krisenreaktionskraefte,
Kampfhubschrauber "Tiger", Eurofighter 2000, Zusammenschlusz der
europaeischen Luft- und Raumfahrtindustrie, etc.)
*Boris Lechthaler*
Anmerkung: (1) Das Kommando Spezialkraefte (KSK) wurde 1996 als
neue Elitekampftruppe der Bundeswehr gegruendet. Das KSK soll "mit
ihren Spezialwaffen hinter den feindlichen Linien abspringen,
gegnerische Kommunikationsnetze zerstoeren oder militaerische
Hauptquartiere im Hinterland lahmlegen". Derzeit wird "das Agieren
aus dem Hinterhalt sowie das Vorgehen nach Handstreichmanier"
geuebt, ebenso der "Umgang mit Sprengmitteln, Nah- und
Haeuserkampf".
Freitag, 18.15 Uhr, Stock im Eisen Platz. Ich bin eigentlich auf
dem Weg zur Demo am Fleischmarkt. Doch ein Gitarrenspieler spielt
eines meiner Lieblingsstuecke und da Demos sowieso nie puenktlich
beginnen bleibe ich stehen. Nach wenigen Minuten wirds laut ums
Eck in der Kaerntnerstrasze. Eine Straszentheatergruppe beginnt zu
Spielen. Das Leben des Herrn K. Kafka? Nein, aber es wird artig
auf Kirche und Pfaffen geschimpft. Viele Leute stehen ob der
Darbietung rings im Kreis. Und siehe da, K. stirbt. Aber er lebt,
sieht Gott und seine zwei Schackeln, kann aber nicht hin, weil er
nicht auf ihn gehoert hat im Leben. Und dann ein bisserl hiphop-
Musik mit Herumgehopse wie grosz Gottes Erloesungskraft ist.
"Kephas -- Die moderne Kirche ungewoehnlicher Art" heiszt die
himmlische Truppe. Ein paar Raver vor mir wuzeln sich vor Lachen.
Mir reichts. Ich breche Richtung Fleischmarkt auf.
Szenenwechsel. Fleischmarkt, 18.45, mehr Leute als erwartet. Rote
Fahnen wehen. Wenige Bekannte vorerst, aber das aendert sich bald.
Das Gelaende vor der Klinik ist abgesperrt. Wir stehen Richtung
Rotenturmstrasze, die fundamentalistischen Christen sollen auf der
anderen Seite der Absperrung von der Postgasse kommen. Aber das
dauert aeuszerst lange. Polizisten betreiben Gesichtskontrolle:
Jugendliche mit bunten Haaren, die nicht zu uns gehoeren, duerfen
nicht durch die Absperrung, ein paar link-Frauen, denen es auf die
Dauer zu kalt wird, duerfen durch und waermen sich in der Pizzeria
auf. Aber derartige Fixierung auf Aeuszerlichkeiten sind wir ja
gewoehnt. Endlich kommen die Christen. Etwa 150m trennen uns. Von
ihrem Beten ist bei uns nichts zu hoeren, unsere Sprueche werden
lauter. Irgendwann wird auch mir zu kalt. Mit einem Freund
beschliesse ich noch Christen-schauen zu gehen. Wir wandern also
um das Hauptpostamt herum, die Postgasse hinauf. Laute christliche
Musik toent uns entgegen. Ich nehme an, dasz bei der Lautstaerke
angesichts der Tatsache, dasz bei uns davon nichts zu hoeren war,
auch von unseren Parolen nichts zu den Christen vordringt.
Eigentlich rechne ich auch nicht damit, dasz uns die Polizei bis
zu den Christen hinauflaeszt. Aber niemand haelt uns auf. Hinter
den Christen angelangt ein erhebendes Gefuehl: Die Anzahl der
Betenden betraegt ca. ein Drittel der unsrigen (und der
Frauenanteil ist sonderbarer Weise viel geringer), die Parolen
sind gut zu hoeren und verstaendlich.
Ich bin mir sicher, die Christen haben wir in ihrer Meinung
bestaerkt. Es gibt vom Teufel Besessene, gegen die es anzutreten
gilt. Angesichts der Tatsache, dasz dieses kleine Grueppchen aber
eine derartige Publizitaet erlangt hat, ist es aber wohl
gerechtfertigt zu zeigen, dasz die anderen zahlenmaeszig
ueberlegen sind. Ziemlich dumm fand ich nur die Knaller gegen die
Polizei, wohl wissend, dasz ich jetzt wieder frustrierter
Altlinker gescholten werde. Aber was bringt das? Gerade hier, wo
die Polizei ja wirklich nur zwei Demos getrennt hat, ohne
staatliche Repressionsinteressen, und - trotz Gesichtskontrolle -
auch nicht boesartig war. Was solls, es war trotzdem ein
angenehmes Erlebnis.
*Gregor Dietrich*
> Desinteressierte Richter
Zwei Jahre nach dem ungeklaerten Tod des Pressefotografen José
Luis Cabezas
Fuer gestern, Montag, waren wieder zahlreiche Protestkundgebungen
in Argentinien geplant. Denn seit genau 2 Jahren herrscht ein
gewisser Unwillen der Justiz zur Aufklaerung eines politischen
Mordes: Am 25. Januar 1997 wurde die Leiche von José Luis Cabezas,
Fotoreporter der Zeitschrift Noticias, in der Naehe des
Prominenten-Badeorts Pinamar in einem ausgebrannten Auto gefunden.
Die Moerder hatten seine Haende mit Handschellen auf dem Ruecken
gefesselt und ihn dann erschossen. Die Bluttat loeste landesweite
Proteste aus. Cabezas Name steht als Symbol fuer den Kampf gegen
die Straffreiheit von Verbrechen, deren Drahtzieher einfluszreiche
Groessen aus Politik oder organisierter Kriminalitaet sind. Die
Taeter und ihre Hintermaenner im Mordfall Cabezas sind nicht
ermittelt worden. Eine vor dem Gerichtshof der Stadt Dolorès
eingeleitete Untersuchung wurde vom zustaendigen Richter Macchi im
Dezember letzten Jahres abgebrochen.
Die Einstellung der Ermittlungen rief landesweit Proteste hervor.
Der Prozesztermin war fuer den Mai 1999 geplant, zeitgleich mit
dem bevorstehenden Praesidentschaftswahlkampf -- ein Grund mehr,
weshalb Beobachter politische Manipulationen vermuten: Als
moeglicher Drahtzieher des Mordes gilt der Unternehmer Alfredo
Yabran, ueber dessen -- von Angehoerigen der lokalen Polizei
gedeckte -- Verwicklung in Drogengeschaefte Cabezas recherchiert
hatte. Yabran unterhielt Verbindungen zu zahlreichen Politikern.
Er starb unter ungeklaerten Umstaenden am 15. Mai 1998. Daraufhin
waren alle Untersuchungen ueber seine moegliche Mittaeterschaft
eingestellt worden.
Bereits am 1. April hatten drei Richter der Strafkammer in Dolorès
gegen die Amtsfuehrung ihres Kollegen Macchi protestiert, ihm
schwere Versaeumnisse vorgehalten und die bisherigen Ermittlungen
gegen die wahren Hintermaenner des Mordes als unzureichend
bezeichnet. Zwar werden insgesamt 15 Personen der Verwicklung in
den Mord beschuldigt, die aber -- wenn ueberhaupt -- nur als
Befehlsempfaenger gelten koennen. *Reporter
ohne Grenzen / bearb.*
eMail: redaktion.akin@signale.comlink.apc.org
pgp-key auf Anfrage
last update: 26-01-1999 by: Horst.JENS@bigfoot.com
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