Dokumentnummer
JWT/1991010206/19921104X00


JWR/1991010206/19921104X*


Typ
VwGH Erkenntnis


Datum
19921104


Geschäftszahl
91/01/0206


Sammlungsnummer
VwSlg 13733 A/1992


Index
10/11 Vereins- und Versammlungsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren


Norm
VersammlungsG §2 Abs1;
AVG §13 Abs2


Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden
Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner und
Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers
Mag. Lammer, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch
Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der
Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom
3. September 1991, Zl. St-12/91, betreffend Übertretung des
Versammlungsgesetzes, zu Recht erkannt:


Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines
Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe
von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu
ersetzen.


Begründung
Mit Bescheid vom 4. Jänner 1991 erkannte die
Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha (BH) den
Beschwerdeführer für schuldig, als Verantwortlicher einer
(näher bestimmten) Demonstrationsversammlung am 24. Juni 1990
diese nicht zeitgerecht bei der Behörde, in deren
Wirkungsbereich die Versammlung abgehalten wurde, angezeigt und
dadurch eine Übertretung des § 2 Abs. 1 Versammlungsgesetz 1953
(VersG) begangen zu haben. Gemäß § 19 leg. cit. verhängte die
BH über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe im Ausmaß von
S 3.000,-- (Ersatzarreststrafe 72 Stunden).

Mit Bescheid vom 3. September 1991 gab die belangte Behörde
der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte
das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Abänderung, daß
die verhängte Strafe auf S 1.500,-- (Ersatzarreststrafe
36 Stunden) herabgesetzt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die "wegen
Rechtswidrigkeit" erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer
erachtet sich seinem gesamten Vorbringen zufolge in seinem
Recht, im Fall der zwar innerhalb der Frist des § 2
Abs. 1 VersG, nicht aber während der behördlichen Amtsstunden
erfolgenden Einbringung einer Versammlungsanzeige nicht wegen
Übertretung der angeführten Gesetzesstelle bestraft zu werden,
verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 VersG muß, wer eine Volksversammlung oder
überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne
Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, dies
wenigstens 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter
Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der
Behörde (§ 16) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muß spätestens
24 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei
der Behörde einlangen.

Gemäß § 13 Abs. 2 AVG, in der im Tatzeitpunkt maßgeblichen
Fassung vor der Novelle BGBl. 357/1990, ist die Behörde zur
Entgegennahme schriftlicher Eingaben nur während der
Amtsstunden verpflichtet. Die Amtsstunden und die für den
Parteienverkehr bestimmte Zeit sind bei der Behörde durch
Anschlag kundzumachen.

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die
Auffassung, der Beschwerdeführer sei der in § 2 Abs. 1 VersG
normierten Anzeigeverpflichtung deshalb nicht rechtzeitig
nachgekommen, weil die fernschriftliche Anzeige über die für
Sonntag, den 24. Juni 1990, 15.30 Uhr, geplante
Demonstrationsversammlung erst am Samstag, dem 23. Juni 1990,
vormittags und somit außerhalb der Amtsstunden der BH
übermittelt worden sei. Außerhalb der Amtsstunden sei die
Behörde nicht zur Entgegennahme von Eingaben verpflichtet,
Dauer- und Journaldienst zähle nicht zu den Amtsstunden.

Nach Ausweis der Verwaltungsakten hat der Beschwerdeführer
die Anzeige betreffend die von ihm für Sonntag, den
24. Juni 1991, 15.30 Uhr, geplante Demonstrationsveranstaltung
am Samstag, dem 23. Juni 1991, um 10.44 Uhr, fernschriftlich
der BH als gemäß § 16 lit. a VersG zuständiger Behörde
übermittelt. Gemäß einem Amtsvermerk dieser Behörde vom
24. Juni 1990 wurde ein nicht im Amtsgebäude anwesender
Organwalter der BH durch den journaldiensthabenden Juristen im
Wege der Gendarmerie noch am Vormittag des 23. Juni 1990 über
die Demonstrationsanzeige informiert und wurde in der Folge am
gleichen Tag eine Besprechung über die auf Grund der
angezeigten Demonstration erforderlichen
sicherheitspolizeilichen Maßnahmen durchgeführt.

Aus diesem Sachverhalt ist ersichtlich, daß die BH dadurch,
daß sie ihr Fernschreibgerät auch außerhalb der Amtsstunden in
Betriebsbereitschaft gehalten hat, in der Lage war,
fernschriftliche Anbringen entgegenzunehmen, und die auf diesem
Wege bei ihr eingelangte Anzeige über die vom Beschwerdeführer
geplante Demonstration auch tatsächlich entgegengenommen hat.
Da die Anzeige sohin unbestrittenermaßen früher als 24 Stunden
vor der geplanten Versammlung bei der BH eingelangt und damit
von dieser Behörde entgegengenommen worden ist, kann davon, daß
der Beschwerdeführer die in § 2 Abs. 1 VersG festgelegte Frist
nicht eingehalten hätte, nicht die Rede sein (vgl. das in einem
ähnlich gelagerten, das Vereinsrecht betreffenden
Beschwerdefall ergangene hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1982,
Zl. 81/01/0291).

Dadurch, daß die belangte Behörde bei Erlassung des
angefochtenen Bescheides somit von einer unrichtigen
Rechtsanschauung ausgegangen ist, hat sie diesen mit
Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß
§ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Da sich die vom Beschwerdeführer unter dem Blickwinkel der
Einschränkung des Rechtes auf Versammlungsfreiheit gegen § 2
Abs. 1 VersG geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken
als unbegründet erweisen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof
nicht veranlaßt, eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser
Gesetzesstelle beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die
§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl.
Nr. 104/1991.