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Aussendezeitpunkt: Fr, 21.05.99, 18:57 *
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Balkan-Krieg/Linke:
> Wenn der nationale Wahn einmal ausgebrochen ist,...
...scheint er grosze Teile der Linken anzusprechen.
*
Auch wenn es sich angesichts der Kriegsgreuel, Vertreibungen und
NATO-Bomben wie eine Nebensache anhoert, ist das Verhalten vieler
Gruppierungen der Oesterreichischen Linken doch symptomatisch fuer
ihre unreflektierte Unterstuetzung aller moeglicher Nationalismen,
wenn sie nur dem Kampf gegen den Westen dienen oder aber im
jeweiligen antiimperialistischen Schwarz-weisz-Denken gerade auf
der "richtigen Seite" stehen.
Bereits vor den NATO-Militaerschlaegen fuehlten sich einige
dogmatisch-marxistische Gruppierungen der hiesigen Linken
bemueszigt, fuer eine der nationalistischen Kriegsparteien Partei
zu ergreifen. Fuer die Revolutionaer Kommunistische Liga (RKL)
stand von Anfang an fest, dasz Milosevic Antiimperialist und damit
zu unterstuetzen sei, waehrend der ArbeiterInnenstandpunkt (ASt) -
einst vor Jahren aus einer Abspaltung der damals noch
trotzkistischen RKL hervorgegangen - sich "vorbehaltlos" auf die
Seite der UCK schlug.
*Nationale Mobilmachung von Links*
Obwohl bereits lange vor den NATO-Bombardements der moerderische
Nationalismus beider Kriegsparteien im Kosovo bekannt war, hatten
es diese Gruppierungen eilig, fuer einen der beiden Nationalismen
Partei zu ergreifen.
In der ersten Haelfte 1998 waren zwar noch keine Informationen von
Verbrechen der UCK an der serbischer Zivilbevoelkerung bekannt,
trotzdem klingt die Beurteilung der Politik der UCK als "nur eine
berechtigte Gegenwehr",(1) wie es der ASt in einer Broschuere im
April 1998 formulierte, im besten Fall naiv. Der ASt kritisierte
damals ausfuehrlich die kompromiszbereite Haltung der
Demokratischen Liga des Kosovo unter dem Praesidenten der Republik
Kosovo, Rugova, um stattdessen die Unterstuetzung der UCK zu
fordern.
In der UCK des Fruehjahrs 1998 waren allerdings noch eine Reihe
von albanischen Kommunisten (Enver Hodscha-Anhaenger) aktiv und
die ausschlieszlich prowestlich-nationalistische Fuehrung hatte
noch nicht das Kommando der UCK uebernommen; die Entwicklung zu
einem exzessiven Nationalismus war aber bereits damals absehbar.
Der ASt haelt bis heute - auch nach einer Reihe von
nationalistisch motivierten Morden der UCK an serbischen
ZivilistInnen und der auch von dieser Seite betriebenen
Kriegshetze - trotz Kritik an den NATO-Schlaegen an der
grundsaetzlichen Unterstuetzung der UCK fest.
*Unterstuetzung fuer den "Antiimperialisten" Milosevic*
Andere Gruppen der Oesterreichischen Linken erwaermten sich fuer
den an der Macht befindlichen serbischen Nationalismus.
Neben einigen kleineren maoistischen und antiimperialistischen
Gruppen wie der "Kommunistische Aktion" (KOMAK) unterstuetzte auch
die Unifraktion BING (BasisInitiative Nawi/Gruene) auf der
Naturwissenschaftlichen Fakultaet immer wieder proserbische
Demonstrationen. Vor allem machte sich in den letzten Jahren aber
die extrotzkistische "Revolutionaer-Kommunistische Liga" (RKL)
fuer den angeblichen Antiimperialismus der jugoslawischen Fuehrung
stark.
Der von Milosevic seit Jahren angeheizte serbische Nationalismus
trug gemeinsam mit seinem kroatischen Pendant und der deutschen
und oesterreichischen Auszenpolitik eine Hauptschuld am blutigen
Zerfall des multiethnischen Jugoslawien. Dasz die Geschichte
dieses Zerfallsprozesses auch mit der Abschaffung der Autonomie
des Kosovo durch Milisevic begonnen hat, will natuerlich keine
dieser Gruppierungen der Linken sehen. Im vereinfachten
"antiimperialistischen" Weltbild dieser Gruppen gibt es nur gut
(=antiimperialistisch) und boese (=NATO, USA). Diktatoren, die
zufaellig mit diesen Boesen dann in Konflikt geraten, werden
allein schon deshalb fuer RKL und Co. zu Antiimperialisten. Nicht
nur Milosevic wurde so von RKL, KOMAK, Infoverteiler oder der
"Kampagne zur Verteidigung politischer und sozialer Rechte" zu
Antiimperialisten geadelt, sondern auch Saddam Hussein, der
immerhin bis Ende der Achtzigerjahre mit US-Waffen den Iran
bekaempfte und die irakische KP und Linke nach seinem Machtantritt
blutig vernichtete. Aber warum sollten Gruppen, die bei der
Unterstuetzung des Bath-Regimes des Iraq keine Probleme haben, bei
Milosevic Bedenken anmelden?
Die RKL macht damit die Unterstuetzung des serbischen
Nationalismus gegen den Imperialismus des Westens zu einem ihrer
Hauptanliegen. Im Sommer 1998 organisierte sie sogar ein
Unterstuetzungscamp in Jugoslawien, an dem die verschiedensten
Fraktionen nationalistischer und "links"nationalistischer Gruppen
aus ganz Restjugoslawien teilnahmen.
Bei der antimilitaristischen Kundgebung zum Nationalfeiertag am
28. Oktober letzten Jahres kam es zur ersten groszen
Auseinandersetzung antinationaler Linker mit VertreterInnen des
"Dachverbandes der Jugoslawischen Sport- und Kulturvereine", der
ein Transparent mit der Aufschrift "Schuetzen sie das Serbische
Volk am Amselfeld" mit sich getragen hatte. In den folgenden
Auseinandersetzungen wurden antinationale Linke von einigen
AntiImps sogar bedroht. Eine Reihe von antinationalen Gruppen
verlieszen - nachdem es nicht moeglich war, die Nationalfahnen zu
entfernen, die Kundgebung.
*Demos mit serbischen FaschistInnen*
Nach dem Beginn des NATO-Luftkrieges gegen Jugoslawien waren fuer
Gruppen wie die RKL erst recht alle Daemme gebrochen. Aber auch
die KPOe und ihre Jugendorganisation KJOe-Junge Linke erlag
sogleich der Faszination der "Masse". Gemeinsam mit dem
"Dachverband der Jugoslawischen Sport- und Kulturvereine", der
sich seit einiger Zeit immer oefter "Serbischer Dachverband"
nennen laeszt, gingen RKL, KPOe, KJOe, KOMAK und die im "Komitee
fuer Antiimperialistische Solidaritaet" (KAS) versammelten
AntiImp-Gruppen auf die Strasze. In einem Meer von serbischen
Fahnen, Cetnik-Fahnen, Transparenten mit Aufschriften wie "Clinton
is the new Hitler" oder anderen den Nationalsozialismus
verharmlosenden Parolen reckten sich auch die Transparente und
Fahnen von KPOe, RKL und KOMAK. Die RKL plazierte sich keine vier
Meter von uniformierten serbischen Faschisten, die mit Cetnik-
Grusz sich ihr "Serbia" zum Hals raus schrien.
Mitglieder des Jugoslawischen Dachverbandes gefielen sich zudem
schon kurz nach den Angriffen darin, mit Cetnik-Grusz fuer das
Magazin FORMAT in ihren von der KPOe zur Verfuegung gestellten
Raeumlichkeiten zu posieren - Raeume, aus denen die KPOe uebrigens
extra fuer den Dachverband im Sommer 1997 die BesetzerInnen der
Rosa Antifa und der Antifaschistischen Front mittels Polizeigewalt
rausraeumen liesz.
*Ethnische Saeuberungen als "untergeordnetes Element"*
Dementsprechend deutlich waren auch die schriftlichen
Stellungnahmen von RKL und Co.
Die RKL schaffte es, in ihrem Aufruf fuer die Demo am 17.April das
Jugoslawien Milosevics mit dem republikanischen Spanien in seinem
Kampf gegen die Franco-Faschisten gleichzusetzen und meint
schlieszlich: "Serbien ist das neue Spanien."(2)
Geruechte, wonach die wackeren Kaempfer(Innen?) der RKL in Kuerze
als "Internationale Brigaden" das Milosevic-Regime gegen NATO und
UCK mit der Waffe in der Hand verteidigen werden, haben bisher
allerdings nicht ihre Bestaetigung gefunden.
Zu den ethnischen Saeuberungen - von der RKL natuerlich in
Anfuehrungszeichen gesetzt - meinen die potentiellen
SpanienkaempfeInnen am Balkan in selbigem Aufruf: "Die
nationalistischen Untaten, die oft von der selbst akut bedrohten
lokalen serbischen Bevoelkerung ausgehen, sind ein untergeordnetes
Element in einem umfassenden Konflikt zwischen der NATO und
Jugoslawien."(3)
Der jugoslawischen Dachverband hatte trotz aller Solidaritaet
keine Freude an der Mehrzahl der AufruferInnen zur Anti-NATO-Demo
am 17. April. Die KPOe, die auf den Vorbereitungsplenas jede
Distanzierung von Milosevic auf Flugis und Plakaten verhindert
hatte, ueberliesz die Demo daraufhin dem Dachverband welcher nun
zum Allein-veranstalter mutierte. Dies hinderte die RKL aber immer
noch nicht daran, weiterhin zur Demo aufzurufen und anlaeszlich
eines neuerlichen Aufrufs fuer eine Anti-NATO-Plattform
festzustellen, dasz sich der Dachverband "aus verstaendlichen
Gruenden geweigert" habe "mit Gruppen gemeinsam zu demonstrieren,
die in schizophrener Weise zwar die NATO-Agression verurteilen,
aber dennoch das territorial-nationale Selbstbestimmungsrecht der
Kosovo-Albaner vertreten"(4).
*Linke SchreibtischtaeterInnen*
Fuer den ersten Mai rief die RKL bereits am 18. April zur Bildung
eines Pro-Jugoslawien Blockes auf, mit dem sie u.a. "fuer den
vollstaendigen Sieg Jugoslawiens"(5) demonstrieren wollte. In ihrer
scharfsinnigen Analyse kommt die RKL dabei zu dem Schlusz, dasz
"der NATO-Krieg gegen Jugoslawien [...] der Krieg des
imperialistischen Kapitalismus gegen die unterdrueckten und
ausgebeuteten Voelker"(6) sei.
In der Mai-Ausgabe des "Klassenkampf" - der Zeitung der RKL -
schaffen es die scheinbar so Revolutionaeren KommunistInnen sogar
noch, die plumpesten und menschenverachtendsten Vorurteile
serbischer NationalistInnen zu verbreiten, denn laut RKL "waere
die Behauptung mancher Serben, die Kosovo-Albaner wuerden sich wie
die Karnikel vermehren, durchaus realistisch"!7
Die RKL in ihrem antiimperialistischen Weltbild schafft es, den
Spiesz umzudrehen: jene Kriegspartei, die Krone, Standard oder
Profil als "boese" betrachten, wird durch die RKL ploetzlich "gut"
und umgekehrt. Die voelkischen und kriegstreiberischen
Denkkategorien bleiben dabei die gleichen. Letztlich handelt es
sich damit bei RKL, KOMAK und KAS um die gleichen
SchreibtischtaeterInnen, wie sie in den Redaktionen
oesterreichischer und deutscher Zeitungen zu finden sind. Waehrend
die einen den NATO-Bomben den Boden bereiten, foerdern RKL, KOMAK
und KAS den serbischen Nationalismus und seine ethnischen
Saeuberungen. Sie liefern damit ein eindrucksvolles Beispiel, zu
welch moerderischer Konsequenz auch linker Nationalismus faehig
ist. *Thomas Schmidinger / gek.*
Fusznoten:
1 Gruppe ArbeiterINNENstandpunkt: Freiheit fuer Kosova, April
1998: S 6
2 Aufruf der RKL zur Demo am 17.April 1999
3 ebenda
4 Aufruf zur Gruendung eines oesterreichischen Jugoslawien-
Solidaritaets- Komitee vom 19.4.1999
5 Aufruf der Revolutionaeren Kommunisten zum 1. Mai vom 18.4.1999
6 ebenda
7 Mediensplitter... in: Klassenkampf Nr. 68, Mai 1999
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Anm. d. Red.: Titel und Zwischentitel stammen auch vom Autor.
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