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Balkan-Krieg/Deren Heer/Prinzipielles

Debatte zu Fritz Pletzls "Aufloesung der NATO?"
(akin 16/99 und akin-pd 11.5.99)

> Realpolitik und "Realpolitik"

Lieber Fritz, Du hast voellig recht, wenn Griechenland und die
Tuerkei nicht mehr die NATO als gemeinsames Dach haetten, wuerden
sie binnen kuerzester Zeit einen Krieg anzetteln. Du hast auch
damit recht, dasz, wenn alle suedosteuropaeischen Staaten in der
EU waeren, es dort keinen Krieg gaebe. Und Du hast recht, dasz
Dein Standpunkt euroimperialistisch ist.

Was die EU angeht, gilt ganz einfach: Die Kriege finden auszerhalb
ihres Territoriums statt. Das ist dieselbe Methode, wie sie die
USA seit dem Buergerkrieg praktizieren: Man bildet ein
geschlossenes Vaterland, haelt Burgfrieden und sichert seine
Interessen anderswo. Dasz regional mehr als 20 verschiedene
Sprachen in einer EU von der Algarve bis zur russischen Grenze
gesprochen werden wuerden, aendert nichts daran, dasz der Plan ein
geschlossenes Vaterland aller Europaeer ist. Man denke nur an das,
was hinter den Kuerzeln GASP und WEU steht.

Das Problem ist nicht losgeloest von den inneren Bedingungen der
Staaten der 1.Welt. Denn wie sieht sie aus, die Sozialstruktur in
den USA und in der heutigen EU? Einige Superreiche, ein Schippel
Reiche, ein Gros Wohlhabende und einigermaszen Wohlhabende und ein
paar Arbeitslose als Mahnung zum Gehorsam. Was hierzulande als
armutsgefaehrdet angesehen wird, ist immer noch besser gestellt
als ein durchschnittlicher Drittweltbewohner. Und dieser Reichtum
musz gesichert werden. Dazu braucht es hin und wieder einen Krieg,
um ungehorsame Staaten zur Raeson zu bringen. Und die NATO ist das
ausfuehrende Organ.

Zwar geht es so in Jugoslawien nicht unmittelbar um die
Absicherung des Reichtums. Es geht zum einen darum, der uebrigen
Welt zu zeigen, wer auf diesem Globus regiert, zum anderen, ein
komplett NATO-kompatibles Europa ohne Ruszland zu schaffen.

Aber ich weisz schon, realpolitisch brauchen wir heute EU und
NATO. Denn so ein Fan des Trikonts bin ich auch wieder nicht, dasz
mir Kriege in Europa lieber sind als woanders. Aber was bedeutet
es, die Abschaffung der NATO zu fordern? Es bedeutet nicht, dasz
wir uns jetzt damit durchsetzen koennten, dasz sie jetzt und
sofort abgeschafft wuerde. Die militaerischen und politischen
Strukturen sind so auf die NATO abgestellt, dasz eine
augenblickliche Abschaffung das Chaos bedeuten wuerde. Wer ein
Haus abreiszen will, stellt sich auch nicht in die Mitte und
faengt damit an, die tragenden Mauern zu demolieren. Die NATO hat
dafuer gesorgt, dasz die Militarisierung in ihren Laendern weiter
vorangetrieben wird. Denn eine NATO-Armee mit ihrem
Beistandsverpflichtungen und der mittlerweile geuebten out-of-
area-Praxis braucht eine andere Struktur und Ausruestung als eine
Armee zur eigenen Territorialverteidigung.

Kritik an der NATO und die Forderung nach ihrer Abschaffung heiszt
damit vor allem einmal, ihre Selbstverstaendlichkeit zu bezweifeln
-- und damit die Selbstverstaendlichkeit wahnwitziger
Militaeretats, die mit den Anforderungen dieses Buendnisses
begruendet werden.

Es geht naemlich sehr wohl darum, klar zu machen, dasz das System
schlecht ist und nicht darum, zu sagen, wie notwendig ein Teil des
Systems fuer dessen Bestand ist.

Realpolitisch zu denken heiszt naemlich nicht, das existierende
System als notwendig anzuerkennen, sondern nur als eben
existierend. Denn dieses ist Realpolitik, wie sie waches Denken
notwendig macht, und jenes ist "Realpolitik", wie sie in
Politikerreden so gerne erwaehnt wird. Das ist ein Unterschied,
auf den penibel zu achten ist. Denn von der Akzeptanz der
Herrschaftslogik bis zu der Politik der Deutschen Gruenen ist der
Weg nicht mehr sehr weit. *Bernhard Redl*




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> Unreflektierte Uebernahme des Neusprech

Lieber Fritz! Aus deinen Artikeln zum Thema Jugoslawien werde ich
nicht schlau. Dem ersteren konnte man ja noch so halbwegs folgen.
Thema: Nix genaues weisz man nicht, die Amis koennten so wie die
Serben oder die Albaner die Guten oder die Boesen sein, je
nachdem, vielleicht, naja, woswaasi. Der 2. Streich (akin 16) geht
in eine andere Richtung, wo ich nicht mehr ganz mitkann.

1. Was genau heiszt bitte ,Sicherheitskonzept` der NATO? Was hat
das Wort Sicherheit im Zusammenhang mit der groeszten
Vernichtungsmaschinerie der Welt zu suchen? Diese unreflektierte
Uebernahme des Propaganda-Neusprech ist deiner nicht wuerdig. Als
naechstes kommt dann: Friedenspartnerschaft, peacekeeping forces,
friedenserhaltende Masznahmen, Verteidigung der Menschenrechte,
Luftschlag (wir haun die Luft!), bedauerliches Versehen,
oekosoziale Marktwirtschaft, wir sind Europa, ich liebe dich,
daeaed.

2. Die Bombardierung der chinesischen Botschaft war
,Gewaltanwendung zur falschen Zeit am falschen Ort und mit
falschen Mitteln`?!? Welche richtigen Mittel der NATO-
Gewaltanwendungen kennst du? Die Vernichtung z.B. der Trinkwasser-
und Stromversorgung einer Millionenstadt? Den Abwurf von
Sprengfallen in Puppen- und Feuerzeugform? Die sattsam bekannten
Urangranaten? Ein solides Gaffa-Bandl ueber den Mund?

3. Dem Selbstbestimmungsrecht der Voelker wuerde beispielsweise
ein Plebiszit im Kosovo ueber den (Nicht)Verbleib im Staatsverband
entsprechen. Nur soviel zur Bedeutung des Begriffs, vor dem dir so
graut.

4. Der ,patriotische Idiotismus` der Balkanesen ist dem gelernten
Oesterreicher seit 1914 (Gavril Princip! Ein Serbe!) bestens
gelaeufig. Logisch, dasz so bekannt besonnene Voelker wie frueher
die Tuerken, dann ,wir`, dann wir mit den Deutschen und jetzt die
Amis ihnen diesen Denkfehler mittels etwas nachdruecklich
formulierter Aufklaerung austreiben muessen.

5. Einen idiotischeren Patriotismus als den der Amis kann ich
allerdings derzeit beim besten Willen nirgends finden. Immerhin
sehen sie es als heiligen Auftrag an, die ganze restliche Welt
nach ihrem Ebenbild zu formen. Bei uns haben sie's dank
willfaehriger Buettel (Stronach's Handlanger heiszen Vranitzky und
Streicher, Genossen!) und schwachsinniger Konsum-,Jugendkulturen`
ja schon geschafft. Mit der Weltbank im Schlepptau, die ja bereits
jetzt den Nachbarlaendern Jugoslawiens Kredite zur Sicherung des
Wiederaufbaus nachschmeiszt (mit der Auflage der Beibehaltung des
marktwirtschaftlichen Kurses, d.h. militaerischer Schutz der
,Investoren` und Verschleuderung des Volksvermoegens an diese),
wird wohl auch dort bald die kapitalistische Ruhe traeumen, von
der du traeumst. Die aeuszere Ruhe, wohlgemerkt. Die Einheimischen
werden in regelmaeszigen Abstaenden gegen die Sparpakete
aufmucken, aber das kann uns ja wurscht sein.

6. Die EU als Superstaat wurde schon von H.P. Martin in seiner
,Globalisierungsfalle`als einziges Mittel gegen den
Turbokapitalismus herbeigejubelt. Man hat ja gesehen, wie sehr das
stimmt, Stichwort: ,Abbau von Handelshemmnissen`. Kein
ernstzunehmender linker Mensch hat fuer die EU argumentiert, unter
anderem auch, weil ein Zentralstaat so ziemlich das Gegenteil vom
Selbstbestimmungsrecht der Voelker, auch ,Autonomie` genannt,
bedeutet. Aber davor graut dir ja eh. Gruesz Gott, Ex-Autonomer.

7. Nur nebenbei: wie sehr der Friedensstifter EU an der Ausloesung
des Balkankrieges beteiligt war, mit Geld, Geheimdienst und
Waffen, mit Genscher und - in damals noch ,eigenstaendiger
Nachvollziehung` des europaeischen Standpunkts - Mock, wird wohl
erst eine unabhaengige Geschichtswissenschaft in fernen Jahren
hervorbringen. Soferne nicht die Argumentationsbasis dafuer durch
Bomben zur richtigen Zeit am richtigen Ort (serbisches Fernsehen)
verloren geht.

8. Die EU hat nachhaltig bewiesen, dasz sie nach dem Motto ,Spreu
vom Weizen trennen` nur an (relativ) reichen Jasagern als Mitglied
interessiert ist, deswegen forciert sie die Aufteilung der Staaten
in Miniethnien. Nebenbei kann sie dadurch auch ihre
Militaerpraesenz rechtfertigen.

So, jetzt Schlusz mit dem Verrisz. Immerhin hab ich in der ganzen
Scheisze doch eine spaete Genugtuung erfahren: Rot-Gruen ist nicht
das kleinere Uebel. Sondern garnichts anderes als z.B. Schwarz-
Blau, wenn's drauf ankommt. Und Madeleine Albright den Krieg
befiehlt. *Wolfgang Bergen*


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> Patrioten sind -- nach wie vor -- Idioten!

Antwort Fritz Pletzls

Entgegen kolportierten Meldungen, wie es auch bei Wolfgang
durchklingt, bin ich keinesfalls auf Seiten der NATO, ebenfalls aber
auch nicht auf Seiten der serbischen Regierung. Ich musz
interessanterweise auch keinesfalls fuer die EU sein, wenn ich meine,
eine Mitgliedschaft wuerde trotz Uebernahme zentralgelenkter
kapitalistischer Strukturen zur Befriedung von destabilisierten
Krisenregionen fuehren. Und mittlerweile bin ich zynischerweise
wirklich der Meinung, dasz mir Streiks, Demonstrationen und
Aufmaersche wegen Sparpaketen etc. lieber sind als kriegerische
Auseinandersetzungen und graeszliche Massaker - tut leid!

Dies umso mehr, als die frueheren COMECON-Staaten zwar beinharten
Neoliberalismus eingefuehrt hatten, die sozialen
Absicherungsmasznahmen aber mit der Aufloesung der kommunistischen
Strukturen fast voellig ueber Bord gingen. Wer schon mal in Bukarest
oder Sofia alle moeglichen Bettler und jede Menge auch gut gekleideter
Leute in Mistkuebeln herumstochern sah, wird nicht wirklich auf die
Idee kommen, in ihnen die ruhmreiche ideologische Vorhut gegen die
schrecklich boese soziale Marktwirtschaft zu sehen.

Was den ,patriotischen Idiotismus der Balkanesen' betrifft, habe ich
nicht ausschlieszlich die Bevoelkerungen vom Balkan und angrenzender
Regionen gemeint, sondern jeden Patriotismus, in dem die Wurzeln des
Uebersteigerns - eben des Nationalismus und damit eine gute und
bewaehrte Chance kriegerischer Auseinandersetzungen - staendig
aeuszerst fruchtbar gedeihen. Es macht fuer mich wenig Unterschied, ob
dies dann die serbischen Cetnik-Abteilungen, von Groszalbanien
traeumende Nationalisten oder vertrottelte Heimat- und
Kameradschaftsbuendeleien in Oesterreich sind. *Fritz Pletzl*


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