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Aussendezeitpunkt: Do, 06.05.99, 17:04 *
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Debatte:
> Recht auf Arbeit! Was verstehen die InitiatorInnen des
> Volksbegehrenseigentlich darunter?
Eine spaet gestellte Frage zu einer ueberfaelligen Antwort. Zur
Auseinandersetzung ueber das Volksbegehren"Recht auf Arbeit"
(zuletzt in akin 13/99 und akin-pd 20.4.99)
*
Tatsache ist, dasz das Volksbegehren Recht auf Arbeit vorerst
gescheitert ist. Ohne nennenswerte politische Unterstuetzung, die
gegenwaertig, soweit ich die Situation einschaetzen kann, nicht in
Sicht ist, wird es den InitiatorInnen nicht gelingen, genuegend
Personen zu mobilisieren, um ihr Anliegen auf die Tagesordnung des
Nationairates zu setzen, geschweige denn, um das Recht auf Arbeit
Wirklichkeit werden zu lassen. Daher koennen wir festhalten, dasz es
auch in den naechsten Dekaden kein Recht auf Arbeit, was immer man
darunter verstehen moechte, in Oesterreich geben wird, sondern nur
eine weitere kleine, linke Splittergruppe, die ihren ganzen
Arbeitseifer in die Bekaempfung anderer linker Personen bzw. Gruppen
investiert, wie es der offene Brief von Neugebauer an Oellinger in der
akin 13/99 eindrucksvoll illustriert. Das ist nicht die faire
Auseinandersetzung, die darauf abzielt, den besten Ideen zum
Durchbruch zu verhelfen; das ist vielmehr der Versuch, trotz permanent
eingeforderter Streitkultur, alles durch den Kaukau zu ziehen, das
nicht der eigenen Vorstellung auf Punkt und Beistrich entspricht.
Dabei, und jetzt komm ich auf den Punkt, haben die RepraesentantInnen
des Volksbegehrens es tunlichst vermieden, unmiszverstaendlich zu
sagen, was sie ueberhaupt unter dem Recht auf Arbeit verstehen.
Vielleicht tu ich ihnen mit dieser Aussage jetzt unrecht, jedoch ich
habe mit Sicherheit an die zehn Artikeln von Neugebauer in den
verschiedensten Zeitschriften gelesen, in denen er das Volksbegehren
vorgestellt hat, ohne fuer mich nachvollziehbar herausgearbeitet zu
haben, was er unter dem Recht auf Arbeit versteht. Die Berufung auf
Artikel 23 der Allgemeinen Erklaerung der Menschenrechte, so denke
ich, ist unzureichend, da die herrschende Interpretation dahin geht,
dasz das Recht auf Arbeit einzig als Aufforderung an die
Wirtschaftspolitik zu verstehen ist, ein so hohes
Beschaeftigungsniveau wie moeglich zu schaffen. Wenn aber das
vorhandene Arbeitskraeftepotential aufgrund der Konjunktur oder des
Wirtschaftswachstums nicht ausgelastet ist, sprich Unterbeschaeftigung
vorliegt, dann besteht fuer die Arbeitslosen kein subjektiver
Rechtsanspruch auf einen Arbeitsplatz. Kurzum: der Staat gibt keine
Vollbeschaeftigungsgarantie. Gemaesz dieser Interpretation koennte man
mit Bauchweh die sozialdemokratische Forderung, dasz kuenftig bei
allen politischen Entscheidungen die Auswirkung auf die
Beschaeftigungssituation beruecksichtigt werden musz, bereits als
ersten Schritt in Richtung Realisierung des Rechts auf Arbeit
betrachten. Man musz nur davon absehen, dasz diese Aussagen seitens
der Sozialdemokratie nicht mehr als Floskeln sind, die keine
Entsprechung in politischen Handlungen haben - wir wissen ja alle, wie
sich die Sozialdemokratie positioniert, wenn es darum geht, im
wirtschaftspolitischen Zielkonflikt zwischen Beschaeftigungspolitik
und neoliberaler Standortpolitik Partei zu ergreifen. Ein Blick nach
Deutschland bestaetigt die behauptete Dominanz dieser soeben
vorgestellten Auslegung des Rechts auf Arbeit. Nur zur Erinnerung: in
Deutschland ist das Recht auf Arbeit in mehreren Laenderverfassungen
verankert, ferner gibt es im Unterschied zur oesterreichischen
Verfassung im Bonner Grundgesetz eine Sozialstaatklausel, aber von
einem subjektiven Rechtsanspruch ist nicht die Rede. Weiters melde ich
Zweifel an, ob es ueberhaupt wuenschenswert ist, dasz der Staat
verpflichtet sein soll, ein Nachfragedefizit nach Arbeitsleistungen
oder strukturelle Ungleichgewichte am Arbeitsmarkt unter allen
Umstaenden zu beseitigen. Soll man etwa ja zu einer
ressourcenzerstoerenden Produktion oder zu einer Produktion von
gesellschaftspolitisch nicht erwuenschten Guetern sagen, nur weil man
will, dasz ausnahmslos alle ArbeiterInnen unter dem Joch des
Kapitalismus schuften. Ein kleiner Einschub: Das Recht auf Faulheit
soll nicht als Satire, sondern als eine Aufforderung nach einer
radikalen Arbeitszeitverkuerzung gelesen werden. Nicht unbedingt mehr,
sondern gerechter verteilt produzieren. Soweit hat auch Neugebauer
eindeutig Stellung bezogen: Arbeit unter jeden Bedingungen wird von
ihm nicht akzeptiert. Unbeantwortet bleibt dennoch die Frage, was die
Initiatorinnen unter dem Recht auf Arbeit verstehen. Vielleicht die
staatliche Verpflichtung, nicht nur quantitativ, sondern auch
qualitativ, das Arbeitsplatzdefizit zu reduzieren, sprich der Staat
waere angehalten, individuell adaequate Arbeitsplaetze zur Verfuegung
zu stellen. Ich habe aber in Publikationen von Neugebauer nie konkrete
Masznahmen zur Erreichung dieses Zieles gelesen. Hervor geht aus
seinen Veroeffentlichungen einzig, dasz er die Kopplung von Recht auf
Arbeit mit der Pflicht zur Arbeit, wie es frueher in den
sozialistischen Laendern der Fall war, ablehnt. Abschlieszend moechte
ich noch auf eine ebenfalls haeufig vorkommende Auslegung des Rechts
auf Arbeit hinweisen. So behaupten viele, dasz bereits mit dem freien
Zugang zum Arbeitsmarkt das Recht auf Arbeit verwirklicht sei, und
blenden somit die Haerten und Ungerechtigkeiten des kapitalistischen
Arbeitsmarktes zur Gaenze aus. Ich hoffe, mit diesen Ausfuehrungen
aufgezeigt zu haben, dasz das Recht auf Arbeit eine Forderung ist, die
man mit konkreten Inhalten fuellen musz, anderenfalls begibt man sich
in die unglueckliche Situation, dasz jedeR etwas anderes darunter
verstehen kann.
Ich habe vor Monaten mit einigen Aktivistinnen von
Arbeitsloseninitiativen gesprochen, sie alle sagten sinngemaesz, der
Ansatz vom Volksbegehren scheint vielversprechend, aber man muesse
abwarten, was die Initiatorinnen wirklich erreichen wollen. Meine
These ist, dasz die Initiatorinnen diese Antwort schuldig blieben, und
daher wenig Unterstuetzung fanden. Und eines kann man nun wirklich
nicht erwarten, dasz die von Arbeitslosigkeit Betroffenen
uebermaeszigen Aufwand betreiben, um zu erfahren, was nun eigentlich
die konkreten Forderungen des Volksbegehrens sind.
Daher meine ich, dasz es fuer die Repraesentantinnen des Volksbegehren
ratsam waere, ihre politische Forderung klarer als bisher oeffentlich
zu kommunizieren, anstatt dazu ueberzugehen, in erster Linie innerhalb
der Linken nach Schuldigen fuer das Scheitern des Volksbegehrens zu
suchen. *Kurti Ahorn*
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