Pressedienst
akin vom 29-12-1998
akin-Pressedienst.Elektronische Teilwiedergabe
der nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen
aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten
seinn. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich
gezeichnete Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein
Nachdruck von Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts
ueber eine anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
Palaestina/Geschichte:
> Die "Linke" in der PLO und den besetzten Gebieten
Ueber die Unmoeglichkeit, die antiimperialistischen Bewegungen
Palaestinas in wenigen Worten zu erklaeren.
Ein Ueberblick von *Thomas Schmidinger*
In Europa werden unter "rechts" im allgemeinen politische
Gruppierungen verstanden die wirtschaftspolitisch fuer eine
kapitalistische Marktwirtschaft eintreten, nach auszen wie nach
innen national oder nationalistisch agieren, autoritaere
Denkmuster und Staatsideen haben und gesellschaftspolitisch fuer
eine moeglichst restriktive Politik sind. "Linke" hingegen sind
wiederum tendenziell antikapitalistisch, gesellschaftspolitisch
offener, weniger autoritaer und zumindest in den letzten Jahren
eher antinationaler. Die politischen Ausrichtungen der modernen
Europaeischen Linken treten in dieser Weise im Nahen Osten nicht
auf.
In den meisten Staaten des Trikont haben am Ende der Kolonialzeit
insbesondere antikapitalistische Gruppierungen den -- vielfach
auch bewaffneten -- Kampf mit den Kolonialherren aufgenommen. Dem
europaeischen Kolonialismus setzten sie hier oft einen eigenen
"Nationalismus" ihrer neuen Nationalstaaten entgegen.
Da der europaeische und US-amerikanische Imperialismus mit dem
Ende der Kolonialzeit und der Unabhaengigkeit der arabischen
Staaten, der Staaten Afrikas und Asiens jedoch keineswegs zu Ende
war und die Menschen des Trikont heute noch unter Ausbeutung, UN-
Embargos, Militaerinterventionen,... zu leiden haben sind Formen
des Nationalismus in den meisten Staaten des Suedens ein
integraler Bestandteil revolutionaerer und linker Gruppierungen
geblieben, waehrend sich konservative Regierungen immer wieder zu
Handlangern Europaeischer und Nordamerikanischer
Kapitalinteressen
machten und machen.
Im arabischen Kontext -- insbesondere in Palaestina und unter den
ExilpalaestinenserInnen -- sind progressive
gesellschaftspolitische Vorstellungen und Antikapitalismus oft mit
Nationalismus und Panarabismus verbunden. Die einzige groeszere
Ausnahme bilden hier die Kommunistischen Parteien der arabischen
Staaten, die aber trotz Verfolgung durch "progressive Regime" in
Nassers Aegypten oder dem Iraq der Bath-Partei, diese wiederum
gelegentlich unterstuetzten.
Wenn hier von der "Linken Opposition" in der PLO und den besetzten
Gebieten die Rede ist, ist damit genau diese in Palaestina
verwendete Begrifflichkeit gemeint, unabhaengig davon was der
Autor ueber diese Verbindung von Nationalismus mit revolutionaerer
oder linker Politik denkt.
*Zwischen Zersplitterung, Radikalisierung und Marginalisierung*
Die linke Opposition in Palaestina -- insbesondere aber jene im
Exil -- ist von einer sehr starken Zersplitterung und einer
vielfachen Ausrichtung auf einzelne Persoenlichkeiten
gekennzeichnet.
Was Helga Baumgarten ueber die Spaltung der PFLP ("Volksfront zur
Befreiung Palaestinas") schreibt kann durchaus fuer die gesamte
zersplitterte Palaestinensische Linke eine gewisse Geltung
beanspruchen:
"Die ideologischen Unterschiede zwischen den beiden neuen
Repraesentanten einer palaestinensischen Linken sind allerdings
fuer den Nichteingeweihten kaum zu erkennnen. Zur Abspaltung der
Minderheit um Hawatmeh von der von Habash [andere Transkription
Habas, Anm. Red.] angefuehrten Mehrheit war es also nicht so sehr
aus prinzipiellen ideologisch-programmatischen Divergenzen
gekommen, sondern vor allem in der Folge eines persoenlich-
politischen Machtkampfes zwischen dem juengeren Qaumiyun-
Militanten Hawatmeh und George Habash als dem Repraesentanten
der
Gruender-Generation." (BAUMGARTEN, 1991: 223)
Ideologische Etikettierungen -- obwohl sie auch einiges an
Richtigkeit besitzen -- "versperren nur den Blick auf eine
palaestinensische Praxis, die viel komplexer ist", als dasz sie
von europaeischen Ideologiebegriffen sinnvoll umrissen werden
koennte. "So gehen die politischen und ideologischen
Richtungskaempfe quer durch die einzelnen Widerstandsbewegungen
hindurch. Allein in der Al Fatah gibt es eine marxistische Gruppe,
eine nasseristische, eine saudi-arabische, eine baathistische und
eine pro-algerische Gruppe nichtmarxistischer Ausrichtung."
(HOLLSTEIN, 1984: 235)
Insgesamt gibt es eine Reihe von Faktoren die die Zersplitterung
der Palaestinensischen Linken massiv beguenstigen:
+ Die ExilpalaestinenserInnen leben in weit verstreuten Teilen der
arabischen Welt, teilweise auch in Europa und den USA. Durch diese
regionale Zerstreuung entstehen auch regionale Diskurse, welche es
beguenstigen, dasz sich die Exilgemeinde in verschiedenen Staaten
auch verschieden entwickelt.
+ Persoenliche Rivalitaeten einzelner Fuehrungspersoenlichkeiten
fuehren ebenso oft zu Spaltungen.
+ Verschiedene arabische Staaten mischen sich immer wieder in die
palaestinensische "Innenpolitik" ein und versuchen sich
palaestinensische Organisationen als verlaengerte Arme ihrer
eigenen Politik zu halten bzw. zu foerdern. Insbesondere Syrien
wird von verschiedenen anderen PalaestinenserInnengruppen
vorgeworfen die in der "Rettungsfront" ("Salvation Front")
zusammengeschlossenen kleinen Organisationen fuer ihre eigenen
Zwecke zu benutzen.
*Der Bund der Arabischen Nationalisten (BdAN oder BAN)*
Der Bund der Arabischen Nationalisten loeste sich zwar bereits
Ende der Sechzigerjahre in seine einzelnen nationalstaatlich
organisieten Teile auf, ist aber fuer die Entstehung eines groszen
Teils der palaestinensischen Linken von einer so groszen
Bedeutung, dasz seine Geschichte hier kurz geschildert werden
soll.
Der Kern des spaeteren BdAN bildete sich unter den Studenten der
amerikanischen Universitaet in Beirut heraus. "Constantine
Zurayek, Professor an der amerikanischen Universitaet in Beirut,
lieferte den Aktivisten der BdAN zunaechst das wesentliche
ideologische Fundament. In seiner Arbeit 'Die Bedeutung der
Katastrophe' erlaeuterte er die Gruende fuer die Niederlage der
arabischen Staaten gegen Israel im Jahre 1948." (BAUER, 1993: 24)
Dabei deutete er diese Niederlage als "allgemeine
Rueckstaendigkeit der arabischen Welt gegenueber dem Westen."
(BAUER, 1993: 24)
Bereits im Maerz 1949 einigten sich verschiedene Kleinstgruppen
von nationalistischen Studenten "ihre Gruppen zu einer
Geheimorganisation zu vereinigen, der sie den Namen 'Phalanxen der
Arabischen Aufopferung' (Kata`ib al-fida` al arabi) gaben. Ihr
dreikoepfiges Leitungsgremium bestand aus la-Hindi, Dahi und
Taufiq; spaeter kamen noch Habas und der Aegypter Abd al-Qadir
Amir hinzu". (HOePP, 1986: 3)
Die Phalanxen veruebten bereits in ihrer ersten "Operation" am 6.
August 1949 einen "Bombenanschlag auf die Synagoge von
Damaskus;
dabei kamen 12 Menschen ums Leben." (HOePP, 1986: 4)
Obwohl Habas heute "attacks on Diaspora Jews" (STEINBERG, 1988:
24) ausschlieszt, veruebte auch die PFLP in den siebziger Jahren
noch Anschlaege auf juedische Bevoelkerung auszerhalb Israels. So
wurde etwa "in einem juedischen Altenheim in Muenchen ein Feuer
[gelegt] bei dem sieben Menschen ums Leben kamen". (BAR-ZOHAR,
1991: 67)
Die Phalanxen zerbrachen jedoch schon bald wieder und das
Schwergewicht der Gruppe um Habas verlagerte sich zu einer
Organisation in der StundentInnenschaft der Amerikanischen
Universitaet in Beirut (AUB).
In den vierziger und fuenfziger Jahren studierten dort junge
AraberInnen von Marokko bis zum Iraq, vom Jemen bis Syrien, denen
mit der Gesellschaft "Unaufloesliches Band" (Gam iyat al- urwa al-
wutqa) ein wichtiges gemeinsames Forum fuer politische und
philosophische Diskurse zur Verfuegung stand.
"Diese studentische Vereinigung [...] deren Gruendungsdatum in der
Mitte der dreisziger Jahre liegt, war als politisch nicht
festgelegte, gemaeszigt-nationalistische Bildungsgemeinschaft ins
Leben getreten." (HOePP, 1986: 7)
Die arabische Niederlage von 1948 schlug sich jedoch bereits im
Studienjahr 1948/49 in einer geaenderten Verfassung des
"Unaufloeslichen Bandes" nieder "dem nunmehr die Aufgabe gestellt
wurde, den nationalen Geist unter den arabischen Studenten zu
entwickeln und zu pflegen" (HOePP, 1986: 8) "Im Studienjahr
1949/50 kandidierte Habas gegen eine Liste der Kommunisten und der
Syrischen sozialen Nationalen Partei bei den Wahlen zum Vorstand
des Unaufloeslichen Bandes und wurde mit groszer Mehrheit zum
Vorsitzenden des Exekutivkomitees gewaehlt". (HOePP, 1986: 9)
Zu Beginn der fuenfziger Jahre gelang es dem Kreis um Habas und
al-Hindi das "Unauflosliche Band" endgueltig unter ihre Kontrolle
zu bekommen und zu einem Herzstueck der neuen "Bewegung der
Arabischen Nationalisten" (BdAN) zu machen.
Die Gam iyat al- urwa al-wutqa blieb "bis zu ihrer Aufloesung 1955
der libanesische Zweig der BAN, der als "Jugend der Vergeltung"
(sabab al-ta`r) aktiv wurde und dessen Organisationsform sich am
Vorbild der fruehen nationalistischen Geheimgesellschaften
orientierte." (HOePP, 1978: 319)
"Die Gruendung der BdAN fand etwa 1952 statt, als die Studenten
aus dem Kreise von al-Urwa [des "Unaufloeslichen Bandes", Anm.]
ihr Studium abgeschlossen hatten. [...] Das Hauptquartier wurde
nach Amman gelegt, wo Habash und Haddad nach dem Abschlusz
ihres
Medizinstudiums als Aerzte arbeiteten." (BAUMGARTEN, 1991: 97)
Zunaechst war die BdAN auch "besonders in Jordanien sehr
erfolgreich" und gruendete im Sommer 1954 auch "in Amman eine
arabisch-nationalistische Zeitung ar-Rai (die Meinung). Diese
sollte dazu beitragen, die arabische Einheit voranzutreiben. Schon
nach wenigen Monaten wurde die Zeitung allerdings von der
jordanischen Regierung verboten. George Habash muszte Amman
verlassen und ging nach Damaskus." (BAUER, 1993: 26)
Aber auch auszerhalb Jordaniens konnte der BdAN im Laufe der
fuenfziger Jahre Organisationen aufbauen und somit seinem Anspruch
eine panarabische Organisation zu sein weitgehend gerecht werden.
Ahmad al-Khatib baute 1953 einen Zweig in Kuwait auf. "Im Libanon
spielte Hani al-Hindi Anfang der fuenfziger Jahre die fuehrende
Rolle, zusammen mit den Suedlibanesen Mushin Ibrahim und
Muhammad
az-Zayat sowie einigen palaestinensischen Lehrern aus den
Fluechtlingslagern in Saida und Beirut." (BAUMGARTEN, 1991: 98)
1954 wurden in Aegypten und Syrien Sektionen des BdAN aufgebaut,
1955 folgte der Iraq, 1958 Bahrain, 1959 der Jemen, 1960 Libyen,
Qatar und Oman und 1962 schlieszlich Saudi-Arabien.
"Ideologisch standen sie im Bann des buergerlichen Nationalismus
[...] was sich besonders in der von ihnen vertretenen "Zwei-
Stadien-Theorie" aeuszerte, die eine starre Trennung zwischen
nationalem und sozialem Befreiungskampf vornahm und dem ersteren
absoluten Vorrang einraeumt." (HOEPP, 1978: 321)
"Erst gegen Ende dieser Phase traten die antiimperialistischen
Potenzen der Organisation staerker hervor. Sie reihte sich in den
Strom der Massenproteste gegen den proimperialistischen Bagdad-
Pakt (1955) ein, unterstuetzte die fortschrittliche jordanische
Regierung Nablusi (1956-57), verteidigte die Nationalisierung des
Suez-Kanals und mobilisierte ihre Mitglieder gegen die
imperialistische Dreieragression (1956). [gemeint ist die
Intervention Israels, Frankreichs und Groszbritanniens in der
Suezkrise, Anm. Red.]" (HOEPP, 1978: 321)
Mit diesen Protesten bahnte sich bereits eine Veraenderung des
Verhaeltnisses der BdAN zu Aegypten und dem Nasserismus an. Ab
dem
Ende der fuenfziger Jahre wendete sich die BdAN immer mehr vom
buergerlichen Nationalismus ab und nasseristischen Ideen zu.
Schlieszlich folgte sie "die naechsten zehn Jahre kritiklos dem
aegyptischen Praesidenten Gamal Abdel Nasser, der die Einigung der
Arabischen Nation, den Pan-Arabismus, propagierte" (BAUER, 1993:
28) und diesen mit sozialistischem Gedankengut eng verknuepfte.
Ab 1963 schlieszlich "ist durch die Annaeherung der Mehrheit der
BAN-Kader an Positionen des wissenschaftlichen Sozialismus" -- wie
es Gerhard Hoepp ganz in DDR-Diktion schreibt -- eine "zunehmende
ideologische Differenzierung" und eine "politisch-organisatorische
Diversifizierung" (HOEPP, 1978: 324) zu beobachten.
"Insbesondere studentische Mitglieder sahen in Anlehnung an Maos
Schriften Bauern, Arbeiter, revolutionaere Intellektuelle und
Soldaten als die wirklichen Traeger der arabischen Revolution an.
Sprecher dieser neuen Stroemungen waren vor allem Nayef
Hawathme
und Muhsin Ibrahim." (BAUER, 1993: 28)
Muhsin Ibrahim war bereits seit 1959 Herausgeber der neuen BdAN-
Zeitung "Die Freiheit", die schnell zum wichtigsten Organ der
neuen Stroemung wurde. Unter dem Einflusz des linken Fluegels
trennten sich die BdAN-Regionalkommandos Aegyptens, Iraqs und
Syriens wieder von der nasseristischen "Arabischen Sozialistischen
Union" (ASU). Der Richtungskampf zwischen den "Historikern" um
Habas und dem linken Fluegel fuehrte 1963 in Jordanien zur
Abspaltung der "Historiker", in Kuwait zur Abspaltung der
"Volksrevolutionaeren Bewegung", sowie 1966 zu einer Spaltung des
Regionalkommandos Libyen.
Habas gruendete 1964 "als Reaktion auf die Gruendung der PLO das
Regionalkommando Palaestina und dessen militaerischer Arm Jugend
der Vergeltung". (HOEPP, 1978: 327)
Nach der groszen Niederlage der arabischen Staaten im Krieg von
1967 schlosz sich dieses Regionalkommando mit der Jugend der
Vergeltung und einigen kleineren Gruppen zur PFLP zusammen. Zuvor
hatten sich die Palaestinenser immer in den Regionalkommandos der
jeweiligen Gastlaender organisiert.
"Die 1968 beginnende vierte Phase der BAN ist durch die umfassende
politisch-organisatorische Diversivizierung infolge sich
vertiefender ideologischer Meinungsverschiedenheiten und
abweichender strategisch-taktischer Konzeptionen charakterisiert.
Vor allem die sozialistische Orientierung der VDR Jemen (1969),
der Tod Nasserns (1970), die Profilierung der PLO sowie der
arabisch-israelische Krieg 1973 geeinfluszten diesen Prozesz, der
zur faktischen Aufloesung der BAN fuehrte." (HOEPP, 1978: 329)
*Die Volksfront zur Befreiung Palaestinas (PFLP)*
Nach der Niederlage der Arabischen Staaten im Sechstagekrieg der
"11.500 Aegyptern, etwa 6.000 Jordaniern und 1.000 Syrern das
Leben gekostet" (GLASNECK/TIMM, 1994: 150) hatte und Israel in der
Folge eine Flaeche von 66.278 Quadratkilometern mit ueber einer
Million Einwohnern besetzen konnte, stand die gesamte Arabische
Welt unter Schock.
Unter dem Eindruck dieser verheerenden Niederlage schlossen sich
am 10. Dezember 1967 das BdAN-Regionalkommando Palaestina, die
mit
der BdAN "liierten Organisationen Jugend der Vergeltung und Helden
der Rueckkehr, sowie die von Ahmad Gibril geleitete
Palaestinensische Befreiungsfront [...] zusammen." (HOePP, 1986:
217)
Die neue, von Habas bis heute geleitete Organisation hiesz
"Volksfront zur Befreiung Palaestinas" (al-Gabha as-sa biya li-
tahrir Filastin), PFLP.
Bereits kurz nach der Gruendung der neuen Organisation gingen
jedoch die Fluegelkaempfe, die die alte BdAN beschaeftigt hatten,
in der PFLP weiter. Bereits im September 1968 spaltete sich Ahmad
Gibril mit der "Volksfront zur Befreiung Palaestinas-
Generalkommando" PFLP-GC wieder von der PFLP ab.
Die Fluegelkaempfe zwischen den "Historikern" um Habas und den
"Linken" um Nayef Hawatmeh waren damit jedoch nicht beendet. Als
Habas im April 1968 wegen eines Anschlags von den syrischen
Behoerden verhaftet wurde und bis zum 4. November 1968 in
Damaskus
inhaftiert war, nutzten die "Linken" "die Gunst der Stunde und
beriefen im August den 1. Kongresz der PFLP in das jordanische
Garas ein, um das Kraefteverhaeltnis in der Front fuer sich zu
entscheiden.
In dem vorgelegten politischen Grundsatzbericht rechneten die
Progressiven in scharfen Formulierungen mit den arabischen Regimes
und den Fuehrungen der arabischen nationalen Befreiungsbewegung
ab." (HOePP, 1986: 218)
Sie forderten die mit dem kapitalistischen Weltmarkt verbundene
feudal-bourgeoise Wirtschaft niederzureiszen und durch Agrarreform
und Industrialisierung eine nationale Wirtschaft zu errichten, die
auf eigenen Fueszen stehe und nicht vom Weltmarkt abhaengig sei.
Der Bericht uebte auch Kritik an der PLO und forderte statt einer
Beteiligung der PFLP an der PLO eine "Einheit der revolutionaer
kaempfenden Kraefte unter einer Fuehrung, die die politischen und
Klassenkaempfe in einer breiten nationalen Befreiungsfront
organisiert" (HOePP, 1986: 219)
Nachdem Habas im November 1968 aus der Haft zurueckkehrte,
brachen
die Fluegelkaempfe zwischen den "Historikern" und den
"Progressiven" erneut los. Dabei ging es weder um wirklich
ideologische Differenzen, noch um die Strategie der Front die von
beiden getragen wurde und auch nach dem Austritt der Gruppe um
Hawatmeh beibehalten wurde. De facto ging es nur um taktische
Detailfragen und "-- das war letztendlich entscheidend -- um die
auch von persoenlichen, zum Teil schwer objektivierbaren
Bestrebungen belastete Hegemoniefrage". (HOePP, 1986: 220)
Wenn die Differenzen zwischen den "Historikern" und den
"Progressiven" an einer inhaltlichen Frage festzumachen sind, dann
handelte es sich vor allem um die Frage des Verhaeltnisses
zwischen revolutionaerem Kampf und seiner Fuehrung durch eine
avantgardistische Organisation. An der kubanischen, chinesischen
und vietnamesischen Revolution orientiert, votierten Habas und die
"Historiker" fuer das "Primat des bewaffneten Kampfes", durch das
die Massen mobilisiert werden sollten, waehrend Hawatmeh zuerst
den Aufbau einer "organisierten Avantgarde" und in umgekehrter
Reihenfolge fuer den bewaffneten Kampf votierte.
"Die Auseinandersetzungen, in denen es den "Historikern" vor allem
um die Wiederherstellung des Kraefteverhaeltnisses zu ihren
Gunsten ging, nahmen Anfang des Jahres 1969 in Jordanien
gewaltsame Formen an; dabei stellten sich die "Progressiven" unter
den Schutz der Widerstandsorganisation Fatah.
Kurz vor dem von den "Historikern" angestrebten 2. Kongresz der
PFLP, in der auch eine Korrektur in der Fuehrung der Front
erfolgen sollte, trennten sich die "Progressiven" von der PFLP und
proklamierten am 22. Februar 1969 die Gruendung der
Volksdemokratischen Front zur Befreiung Palaestinas (al Gabha as-
sa biya ad-dimuqratiya li-tahrir Filastin, engl. Abk. PDFLP), die
sich seit Mitte 1974 "Demokratische Front zur Befreiung
Palaestinas (engl. Abk. DFLP) nennt." (HOePP, 1986: 221)
Die PFLP bedauerte das Ausscheiden der "Progressiven", das der
Organisation wichtige und erfahrene Mitglieder kostete, warf den
Abtruennigen aber "linke Kinderei" vor.
Der 2. Kongresz der PFLP praezisierte die Festlegungen des 1.
Kongresses, verwarf die damals von den "Progressiven" dominierten
Beschluesse nicht.
"Die Volksfront fuer die Befreiung Palaestinas, heiszt es in den
Beschluessen ihres 2. Kongresses, uebernimmt den Marxismus-
Leninismus als grundlegende strategische Linie fuer den Aufbau der
revolutionaeren Partei" (HOePP, 1986: 226)
Der Kongresz warnte aber auch vor einer "idealistischen und
mechanischen" Auffassung des Marxismus-Leninismus, da er dann
seine Faehigkeit verloere, eine lebendige Wirklichkeit zu deuten.
Genau diesen Umgang mit dem Marxismus-Leninismus warf die PFLP
den
Kommunistischen Parteien der arabischen Staaten von.
Fuer die PFLP war immer nur eine Maximalloesung der "Befreiung
ganz Palaestinas" Ziel der Politik gegenueber Israel. Fuer Habas
gibt es nur ein "Zionist empire" oder die "Arabische Einheit": "In
this region either a Zionist empire will be created, or a united
Arab society" (zit. nach STEINBERG, 1988: 4). Die Rueckgabe der
Besetzten Gebiete konnte fuer die PFLP immer nur ein erster
Schritt fuer die "Befreiung Palaestinas" sein.
Die PFLP hielt zwar "practical cooperations against Zionism and
Imperialism with certain trends in Israel, such as the Israeli
Communist Party (Rakah)"(STEINBERG, 1988: 25) fuer moeglich,
unterschied aber im Gegensatz zur Fatah nie zwischen verschiedenen
Richtungen des Zionismus.
Im Gegensatz zur Fatah, die sich nicht in die Innenpolitik ihrer
Gastlaender einmischte, kaempfte die PFLP immer dezidiert auch
gegen die reaktionaeren, feudalistischen, arabischen Regime in
Jordanien, Saudi-Arabien oder am Golf.
International bekannt wurde die PFLP vor allem durch spektakulaere
Aktionen in den spaeten sechziger und siebziger Jahren,
insbesondere die Flugzeugentfuehrungen der Organisation. Am 23.
Juli 1968 gelang es einem Kommando der PFLP erstmals eine
Maschine
der israelischen Fluglinie El Al auf dem Flug von Rom nach Tel
Aviv unter seine Kontrolle zu bekommen.
Die PFLP loeste damit in Israel einen Schock aus und konnte Israel
erfolgreich zu Verhandlungen zwingen. "Widerstrebend erklaerte
sich Israel zu Verhandlungen bereit und tauschte nach langen
Gespraechen, bei denen Vermittler eingeschaltet wurden, eine
Gruppe von Terroristen, die in Israel im Gefaengnis saszen, gegen
die entfuehrten Israelis aus." (BAR-ZOHAR, 1991: 66f)
Die ganzen siebziger Jahre hindurch sollten weitere
Flugzeugentfuehrungen folgen.
Trotz massiver Kritik an Arafat und der Fatah hat sich die PFLP
immer wieder als Teil der PLO verstanden und auch an den meisten
Sitzungen des Palaestinensischen Nationalrates teilgenommen. 1971
hatte die PFLP im Palaestinensischen Nationalrat 12 Sitze. Die
Fatah Arafats stellte 33, die Saiqa und die PLA je 12, die DFLP 8
und die PFLP-GC 4 Sitze.
"An diesem Kraefteverhaeltnis aenderte sich auch in den folgenden
Jahren nichts grundsaetzlich. Im Entscheidungszentrum der PLO, dem
Exekutivkomitee, sind seit dem IX Nationalkongresz von 1971 Al
Fatah mit 4, die Saiqa mit 2 Sitzen" (HOLLSTEIN, 1984: 235) und
die PFLP, DFLP und PLA mit einem Sitz vertreten.
Die PFLP betrieb bis heute immer eine Art "loyale Opposition"
gegenueber Arafat. Einerseits uebte die PFLP immer wieder harte
Kritik an der "konservativen" und "reaktionaeren" Fatah und deren
Kompromiszbereitschaft gegenueber Israel, andererseits bestand sie
aber auch immer auf der Existenz einer unabhaengigen und
moeglichst einheitlichen PLO.
So ist es, seit sich in Damaskus Mitte der achziger Jahre als
Opposition zur PLO die Rettungsfront etabliert hat, ueber die
Frage des Beitritts der PFLP zu dieser Konkurrenz-PLO zu heftigen
internen Richtungskaempfen gekommen.
Waehrend der Intifada arbeitete die PFLP noch gemeinsam mit der
Fatah in der Vereinigten Nationalen Fuehrung des Aufstandes
(United National Leadership of the Uprising, UNLU).
"The UNLU was made up of representatives from Fateh, the Popular
Front for the Liberation of Palestine (PFLP), the Democratic Front
for the Liberation of Palestine (DFLP) and the Palestine Communist
Party (PCP). In Gaza they coordinated with the Islamic Jihad from
time to time." (HEACOCK/NASSAR, 1990: 191)
Mit dem Beginn des sogenannten "Friedensprozesses" nahm die Kritik
der PFLP an Arafat wieder zu. Wie viele Gruppierungen der PLO --
sogar innerhalb Arafats Fatah -- sieht die PFLP darin eine
Kapitulation und keinen Friedensprozesz. Die PFLP beteiligte sich
deshalb auch nicht an den Wahlen zur Palaestinensischen
Autonomiebehoerde.
Obwohl immer mehr PalaestinenserInnen mit dem "Friedensprozesz"
nicht mehr einverstanden sind, konnte die PFLP davon nicht
wirklich profitieren. Die unzufriedenen Massen laufen
zwischenzeitlich eher zur Hamas und anderen islamistischen
Gruppierungen ueber. Nach Umfragen in Nablus verlor die
PFLP sogar an Unterstuetzung (BAUMGARTEN, 1995: 9) und hat heute
nicht einmal mehr 10% der Bevoelkerung hinter sich.
*Sonstige Gruppen*
DIE DEMOKRATISCHE FRONT ZUR BEFREIUNG PALAESTINAS (DFLP):
Die
Abspaltung der "Progressiven" von den "Historikern" der PFLP
fuehrte am 22. Februar 1969 zur Gruendung der "Volksdemokratischen
Front zur Befreiung Palaestinas" (PDFLP), welche sich seit 1974
"Demokratische Front zur Befreiung Palaestinas" (DFLP) nennt.
Ihr, der neben dem Generalsekretaer der neuen Organisation Nayef
Hawatmeh "u.a. auch Yasir Abd Rabbih, Abd al Karim Hamad und Bilal
al-Hasan angehoerten [...] schlossen sich im Juni desselben Jahres
Mitglieder einiger kleiner linksradikalen Gruppen an, darunter die
der Volksorganisation fuer die Befreiung Palaestinas [...] POLP
und der Liga der Palaestinensischen Revolutionaeren Linken."
(HOePP, 1986: 221f)
Auch die DFLP bekannte sich ideologisch zum Marxismus-Leninismus
und war der Meinung, "dasz das historische Schicksal Palaestinas
mit dem Schicksal der Palaestina umgebenden Gebiete entschieden
wird. Dieses Palaestina, seinem Charakter nach "volksdemokratisch"
-- Habas hielt sich hier noch zurueck --, sei nur denkbar als
Ergebnis und Teil einer groszen arabischen sozialistischen
Foederation, in der die Macht, die ganze Macht, von den Raeten der
Arbeiter, armen Bauern und Soldaten ausgeuebt wird; der Weg dahin
bestuende in bewaffnetem Kampf und dem Volksbefreiungskrieg
gegen
Zionismus, Imperialismus und Reaktion." (HOePP, 1986: 261f)
Wenn sich PFLP und DFLP auch in ihren ideologischen Grundlagen
stark glichen, so gab es doch unterschiedliche Positionen in der
Frage der Methoden des bewaffneten Kampfes.
"Die PDFLP uebte von Anfang an harte Kritik an den
Flugzeugentfuehrungen, die sie aus humanitaeren Gruenden ablehnte,
da sie sich gegen Personen, die nicht mit dem Konflikt zwischen
Palaestinensern und Zionisten zu tun haben, richte." (BAUMGARTEN,
1991: 225)
Im Gegensatz zu "individuellem Terror" wurden bewaffnete
Operationen in Israel "als Antwort auf israelische Aktionen gegen
arabische Zivilisten gerechtfertigt, allerdings mit der
einschraenkenden Bedingung, dasz sie mit dem Massenwiderstand in
den besetzten Gebieten verknuepft sein
mueszten."(BAUMGARTEN,1991:225)
Auch die DFLP versuchte aehnlich der PFLP eine "loyale Opposition"
zu Arafats Fatah zu bilden und blieb fast immer in den PLO-Gremien
vertreten.
Seit 1974 baute die DFLP aber auch ihre "besonderen Beziehungen"
zur UdSSR aus, was ihren Einflusz in der PLO verstaerkte.
Erst der "Friedensprozesz" brachte die DFLP in staerkere
Opposition zu Arafat, was auch zur Abspaltung einer Arafattreuen
Gruppe, der "Fida" fuehrte. Die DFLP selbst beteiligte sich wie
die PFLP nicht an den Wahlen zur Palaestinensischen
Autonomiebehoerde.
In den Besetzten Gebieten versuchte die DFLP ihr elitaeres Image
zu bekaempfen indem sie einge Reihe von Frontorganisationen
gruendete. Diese Frontorganisationen -- wie Gewerkschaften,
Jugend- und Frauenorganisationen,... -- "are open to all and have
done away with the strict membership terms generally applied to
candidates for DFLP membership." (STEINBERG, 1989: 32)
Die Debatte um die Methoden des Kampfes wurde von PFLP und
PDFLP
vor allem nach dem "Schwarzen September" 1970 intensiviert als der
Jordanische Koenig Hussein nach der Entfuehrung von 3
internationalen Flugzeugen durch die PFLP in Amman ein Blutbad
unter den PalaestinenserInnen Jordaniens anrichtete und im Juni
1971 die letzten Fidaiyun-Verbaende palaestinensischer Militanter
im Norden des Landes massakrierte.
Auch der DFLP gelang es nicht, aus der Unzufriedenheit der
palaestinensischen Bevoelkerung mit dem "Friedensprozesz" Kapital
zu schlagen. Sie verlor in den Besetzten Gebieten deutlich an
Anhaengerschaft und hatte im Dezember 1994 Umfragen zufolge nur
mehr 1,4% der Bevoelkerung hinter sich (BAUMGARTEN, 1995: 9). Der
DFLP machte auch der Wegfall ihres wichtigen Verbuendeten -- der
Sowjetunion -- deutlich zu schaffen.
DIE PALAESTINENSISCHE KOMMUNISTISCHE PARTEI (PCP): Die
Palaestinensische Kommunistische Partei (PCP) entwickelte sich aus
den Teilen der Jordanischen KP, die im Westjordanland nach dem
Sechstagekrieg unter israelische Besatzung kamen. So wurde sie
"die aelteste politische Organisation in den besetzten Gebieten."
(FLORES, 1988: 88)
Auch die Palaestinensische KP hat in ihrem Programm die "nationale
Befreiung" der PalaestinenserInnen zu einem ihrer Hauptanliegen
gemacht und forderte "schon sehr frueh klar einen
palaestinensischen Staat in der Westbank und im Gazastreifen".
(FLORES, 1988: 88)
Im Gegensatz zu PFLP, DFLP und PFLP-GC war die PCP immer mehr
auf
die Bevoelkerung in den besetzten Gebieten ausgerichtet und
weniger in der palaestinensischen Diaspora vertreten. In der PLO
ist sie erst seit den achziger Jahren vertreten. Die uebertriebene
Betonung des bewaffneten Kampfes hat die PCP nie mitgemacht.
Grosze Teile der PCP-Kader haben in der Sowjetunion ein Studium
absolviert und sind dadurch mit dem Kommunismus in Beruehrung
gekommen. Unter diesen in der Sowjetunion ausgebildeten
AkademikerInnen befinden sich besonders viele AerztInnen aus den
Besetzten Gebieten. Die wichtigste Organisation zur medizinischen
Versorgung der Bevoelkerung der Westbank und des Gazastreifens --
die "Union of Palestinian Medical Relief Comitees" -- die als
Vorfeldorganisation der PCP gegruendet wurde, ist deshalb heute
noch von (ehemaligen) KommunistInnen dominiert.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Beginn des
"Friedensprozesses" benannte sich die Palaestinensische
Kommunistische Partei wie viele ihrer Schwesterparteien in Europa
um. Sie heiszt nun Palaestinensische Volkspartei (PPP) und
beteiligte sich teilweise sehr erfolgreich an den Wahlen zur
Palaestinensischen Autonomiebehoerde.
Eine Abspaltung der PCP arbeitet weiter unter diesem Namen vor
allem im Exil in Damaskus und ist Teil der Rettungsfront.
AL-FATAH-PROVISIONAL COMMAND: Auch von der groeszten PLO-
Partei --
der unter Fuehrung Arafats stehenden -- Al-Fatah spalteten sich
immer wieder Gruppierungen ab, von denen aber nur zwei eine
gewisse Bedeutung erhielten.
Teile der Al-Fatah revoltierten 1983 im Libanesische Bekaa-Tal
gegen die Fatah-Fuehrung Yassir Arafats. Die DissidentInnen um Abu
Musa treten seither unter dem Namen "Al-Fatah-Provisorisches
Kommando" auf und sind Teil der Salvation Front "in der auch die
[...] As-Saqa [Anm. eine bathistische
PalaestinenserInnenorganisation], die PFLP-GC und die PPSF-
Volksfront vereinigt waren." (PRADER, 1988: 217)
Auch die Al-Fatah-Provisional Command lehnt den "Friedensprozesz"
Arafats ab.
AL-FATAH-REVOLUTIONSRAT: Auch beim Al-Fatah-Revolutionsrat
handelt
es sich um eine Abspaltung von der Al-Fatah Yassir Arafats. Obwohl
sich der Al-Fatah-Revolutionsrat unter der Fuehrung des weltweit
beruechtigten Terroristen Abu Nidal als besonders revolutionaer
betrachtet, wird diese Auffassung von keiner anderen
PalaestinenserInnengruppierung geteilt.
Die besonders blutigen Exzesse gegen Zivilbevoelkerung -- u. a.
auch die Schieszerei vor dem El Al-Schalter am Flughafen Schwechat
-- und der offene Antisemitismus Abu Nidals brachten der "Al-
Fatah-Revolutionsrat" die Feindschaft aller anderen Gruppierungen
und Abu Nidal selbst ein Todesurteil der PLO ein.
"Die Abu Nidal Gruppe war eine Terroristenorganisation, die
Anschlaege auf gemaeszigte PLO Mitglieder sowie Synagogen und
juedische Einrichtungen in Europa durchfuehrte. Es wurde sogar
unterstellt, dasz die Abu Nidal Gruppe fuer den israelischen
Geheimdienst arbeitete." (OBRIEN, 1988: 390)
Diese Verbindungen konnten zwar nie bewiesen werden, zeigen aber
wie tief der Hasz der anderen Organisationen gegenueber der
menschenverachtenden Politik Abu Nidals war.
Da die Organisation als solche seit Jahren nicht mehr auftritt und
mit Abu Nidals Verhaftung in Aegypten wohl endgueltig zerschlagen
wurde, sind die UnterstuetzerInnen fuer AktivistInnen des Al-
Fatah-Revolutionsrates in Oesterreich zwischenzeitlich vermutlich
haeufiger als in Palaestina.
FRAUENORGANISATIONEN UND GEWERKSCHAFTEN: Neben diesen
quasi als
politische Parteien fungierenden Organisationen des
palaestinensischen Widerstandes gibt es natuerlich eine Reihe
verschiedener Organisationen bestimmter Gesellschaftssegmente die
insbesondere in den besetzten Gebieten aktiv sind.
Besonders die linken Organisationen haben immer wieder versucht
Gewerkschaften, Jugend- und Frauenorganisationen im Gazastreifen
und der Westbank aufzubauen. Im Gewerkschaftsbereich waren dabei
insbesondere die DFLP und die PCP erfolgreich.
Auch die Frauenorganisationen leisten einen wichtigen Beitrag im
Widerstand der PalaestinenserInnen, sowie im sozialen und
caritativen Bereich.
"Die neue Frauenbewegung wurde am internationalen Frauentag 1978
bei einem Treffen in Ramallah gegruendet. Eine Gruppe von
ungefaehr fuenfzig Studentinnen und jungen berufstaetigen Frauen
etablierte das Arbeiterinnenkomitee". (RAWI, 1994: 40)
In den darauffolgenden Jahren entstanden in den Staedten und
Doerfern eine Vielzahl von Frauenorganisationen die meist mit
einer der linken Parteien verbunden waren, teilweise aber auch
unabhaengig von ihnen existierten.
Den Frauenorganisationen ging es dabei sowohl um den Kampf gegen
die israelische Besatzung, als auch darum die Rolle der Frauen in
der palaestinensischen Gesellschaft zu thematisieren. So ist im
Laufe der Jahre auch in Palaestina eine starke feministische
Bewegung entstanden, die sich aber angesichts der Unterdrueckung
von Maennern und Frauen nicht nur der Befreiung der Frauen widmet.
*Links-Islamistische Achse*
In Gaza fand Anfang Dezember parallel zur PLO-Charta-Abaenderung
der Palaestinensischen Autonomiebehoerde (PNA) ein
Oppositionskongresz statt bei dem sich sowohl linke PLO-Gruppen
wie die PFLP, PFLP-GC und die DFLP als auch islamistische Gruppen
wie die Hamas, die Hisbollah und die palaestinensische Sektion des
Jihad auf eine dauerhafte Zusammenarbeit gegen die PNA-Fuehrung
um
Arafat und die Aenderung der PLO-Charta vereinbarten.
Fuer die TeilnehmerInnen des Kongreszes ist die Politik Arafats
nur Verrat: "Die Palaestinensische Nationalcharta wird leben,
solange es ein Messer in der Hand einer palaestinensischen Frau
gibt, mit dem sie einen israelischen Soldaten oder Siedler
niedersticht, solange es Selbstmord-Attentaeter in Jerusalem und
Tel-Aviv gibt, solange da ein Kind ist, das einen Stein in das
Gesicht eines israelischen Soldaten wirft."
*Intellektuelle Kritik an Yassir Arafat*
Die fortschrittliche Opposition gegen die Fuehrung der PLO und der
palaestinensischen Autonomiebehoerde beschraenkt sich jedoch
keineswegs auf organisierte Parteien und Organisationen. Besonders
"das undemokratische Zustandekommen der Declaration of Principles
und der ihr nachfolgenden israelisch-palaestinensischen
Vereinbarungen haben vielfaeltige Kritik hervorgerufen". (SCHERB,
1995: 470)
Auch die immer autoritaerere "Staatsfuehrung" Yassir Arafats sorgt
immer mehr fuer Kritik in den eigenen Reihen der Fatah und unter
den Intellektuellen Palaestinas.
"Der durch die Abkommen erzielte diplomatische Erfolg Israels ist
nur etwas geringer zu bewerten als jener der Staatsgruendung von
1948. Die Niederlage der Palaestinenser dagegen ist
total." (WATZAL, 1996: 28)
Die konkreten Lebensumstaende der Bevoelkerung haben sich seit
den
Abkommen nicht nur nicht verbessert, sondern vielfach noch
verschlechtert. Die Kleinstgebiete unter palaestinensischer
Verwaltung erinnern immer mehr BeobachterInnen an die Bantustans
Suedafrikas. Die Palaestinensischen Verwaltungsbehoerden duerfen
primaer Sicherheitsaufgaben fuer Israel uebernehmen und je nach
Bedarf koennen die Gebiete einfach abgeriegelt werden.
Der Autor Hilal Khashan, Professor an der Amerikanischen
Universitaet in Beirut, meint dazu: "Viele Araber sehen im
Friedensprozesz nicht den Weg zum Ende des Konflikts mit Israel,
sondern nur dessen Transformation. Sie halten den Frieden (wie ihn
die Israelis mit amerikanischer Unterstuetzung erstreben) fuer
Kapitulation."(CERHA, 1997: IV)
Wie Khashan sehen es viele palaestinensische Intellektuelle. Einer
der prominentesten fortschrittlichen Intellektuellen, der in den
USA lebende E. W. Said, hat zwischenzeitlich wieder die Diskussion
um einen binationalen Staat in Palaestina eingebracht. "Es gibt
keine andere Loesung. Eine solche Forderung bedeutet logisch das
Ende der Staatsideologie Israels, des Zionismus." (STEINBERGER,
1997)
Said kritisiert sowohl Arafats Kapitulationspolitik als auch
dessen autoritaere Staatsfuehrung. Aber Said denkt wie viele
Palaestinensische Intellektuelle nicht nur ueber Israel und den
Westen, sondern auch ueber die eigene, arabische Gesellschaft
nach. Said will beide veraendern und denkt dabei an die Zukunft:
"The challenge of Israel is the challenge of our own societies. We
are now unequal to task because we are still chained to methods
and attitudes that belong to an earlier time. The struggle of the
twentyfirst century is the struggle to achieve self-liberation and
self-decolonisation. And then Israel can be properly adressed."
(SAID, 1989: 5) *gekuerzt*
BIBLIOGRAPHIE:
BAGENDA, Prince M.: Comparative Study of Liberation Struggles:
Prelude to the uprisings in Palestine and South Africa (Soweto
1976 and Intifadah 1988), Sebha (Libyen) 1989
BAR-ZOHAR, Michael: Wenn David zu Goliath wird, Geschichte und
Entwicklung des israelisch-palaestinensischen Konfliktes,
Muenchen, 1991
BAUER, Kirsten: Palaestinenser und PLO, Muenchen, 1993
BAUMGARTEN, Helga: "Discontented People" and "Outside Agitators,
The PLO in the Palestinian Uprising, IN: HEACOCK, Roger / NASSAR,
Jamal R.: Intifada, Palestine at the Crossroads, Birzeit
University, 1990; New York, 1991
BAUMGARTEN, Helga: Palaestina: Befreiung in den Staat, Frankfurt
am Main, 1991
BAUMGARTEN, Helga: Das "Gaza-Jericho-Abkommen", Eine
Zwischenbilanz des Friedensprozesses im Nahen Osten, in: Aus
Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das
Parlament, B11/95, 10. Maerz 1995, S 3-11
CERHA, Birgit: "Frieden der Koenige und Pharaonen", in: Salzburger
Nachrichten 31. 12. 1997
FLORES, Alexander: Intifada, Aufstand der Palaestinenser, Berlin
1988, 2. Auflage 1989
GLASNEK, Johannes/ TIMM, Angelika: ISRAEL, Die Geschichte des
Staates seit seiner Gruendung, Bonn, 1994
HEACOCK, Roger / NASSAR, Jamal R.: The Revolutionary
Transformation of the Palestinians Under Ocupation, in: HEACOCK,
Roger / NASSAR, Jamal R.: INTIFADA, Palestine at the Crossroads
Birzeit University, 1990; New York, 1991
HOLLSTEIN, Walter: Kein Frieden um Israel, Zur Sozialgeschichte
des Palaestina- Konflikts, Berlin, 1984
HOePP, Gerhard: Vom Nationalismus zum Sozialismus -- Zur
Geschichte und Ideologie der "Bewegung der Arabischen
Nationalisten" (1949-1975), in: Die Grosze Sozialistische
Oktoberrevolution und der revolutionaere Weltprozesz Bd.3; S 315-
117; Berlin, 1978
HOePP, Gerhard: Vom Nationalismus zum Sozialismus. Zur Geschichte
und Ideologie der "Bewegung der Arabischen Nationalisten" (BAN)
und ihrer Nachfolgeorganisationen, 1948-1975., Dissertation zur
Promotion B eingereicht bei der Akademie der Wissenschaften der
DDR; Humboldt-Universitaet Berlin Berlin, 1986
HOURANI, Albert: Die Geschichte der Arabischen Voelker, London,
1991; dt. Ausgabe Frankfurt am Main, 1992
OBRIEN, Conor Cruise: Belagerungszustand, Die Geschichte des
Zionismus und des Staates Israel, Wien, 1988
PRADER, Erich: Aufstand in Palaestina, Besatzungsmacht Israel,
Wien, 1988
RAWI, Rosina-Fawzia Al-: Gelber Himmel Rote Erde, Frauenleben in
Palaestina, Wien, 1994
SAID, Edward W.: The challenge of Israel, in: Al-Ahram Weekly;
15.-21- January 1998
SCHERB, Magrit: Krise der Erwartungen, Palaestinensische
Wirtschaftsentwicklung und Friedensprozesz, in: Journal fuer
Entwicklungspolitik XI/4, 1995; S457-479
STEINBERG, Matti: The Worldview of Habashs "Popular Front", in:
Jerusalem quaterly; Band 45-48; S 3-36; Jerusalem, 1988
STEINBERG, Matti: The Worldview of Hawatmehs "Democratic Front",
in: Jerusalem quaterly: Band 49-52; S 23-40; Jerusalem, 1989
STEINBERGER, Petra: Provokateur der Gerechtigkeit, Geachtet selbst
von seinen Widersachern: der Palaestinenser Edward W. Said aus New
York, in: Sueddeutsche Zeitung 5./6. Juli 1997, Nummer 152
WATZAL, Ludwig: "Wie die Maus in der Falle"-Die Tatsachen des
israelisch-palaestinensischen Friedensprozesses, in: International
3/1996; S 26-31
zurück zum Inhaltsverzeichnis der akin: http://akin.mediaweb.at
zurueck zu den mediaweb-Seiten: http://www.mediaweb.at
eMail: redaktion.akin@signale.comlink.apc.org
pgp-key auf Anfrage
last update: 29-12-1998 by: Horst.JENS@bigfoot.com
(html-Konvertierung)