> Farbwechsel
Das Aeuszerliche und das Innerliche sind keine getrennten Welten.
Nicht ohne Grund tragen Punks ihr Haar in moeglichst schreienden
Farben und Banker dunkle Anzuege. Daher ist auch die Frage, ob
Nachrichten auf rosa oder auf blauem Papier gedruckt werden,
nicht nur eine aesthetische.
*
Veroeffentlichte Meinung und Information sind kaeuflich. Sie sind
es immer gewesen und daran ist auch gar nicht mal soviel
auszusetzen. Denn ein Medium ist immer abhaengig von seinen
Geldgebern -- seien dies nun die Eigentuemer, die Werbekunden oder
die Konsumenten, sprich: die Leser, Seher oder Hoerer. Je groeszer
die Anzahl und Vielfalt, je idealer die Egalitaet der Geldgeber,
desto verzichtbarer wird der einzelne. Eine Tageszeitung wie "Der
Standard" beispielsweise, die -- wenn auch oft kritisiert -- von
konservativem, liberalem oder sozialdemokratischem Buergertum
genauso gelesen wird wie von Anarchisten, linken Gruenen oder
Kommunisten, verschafft sich dadurch einen groszen Spielraum.
Diese Zeitung kann in ihrer Berichterstattung und in ihren
Kommentaren also ohne groszes Risiko ruhig denjenigen auf die
Zehen steigen, denen es auf die Zehen steigen will. Damit zaehlt
der Standard auf dem inferioren oesterreichischem Zeitungsmarkt --
neben dem Regierungsblatt "Wiener Zeitung" und den kirchennahen
"Salzburger Nachrichten" -- immer noch zu den kleineren Uebeln.
Um aber in Zeiten der Billigproduktion von Information ueberleben
zu koennen, braucht der Standard wie jede Tageszeitung leider auch
Werbekunden. Das ist zwar nicht erfreulich, dennoch aber durchaus
legitim, solange jene nur sehr undeutlichen Grenze nicht
ueberschritten wird, die zwischen der Werbung um der Information
willen und der Information um der Werbung willen liegt. Was der
Standard dagegen bislang gemacht hat, war -- auch bei riesigen,
doppelseitigen 4-Farb-Werbungen im Blattinneren -- niemals sein
Gesicht, sprich sein Aeuszeres, zu verlieren, sprich zu verkaufen.
Mehr als ein Neuntel Werbeeinschaltung auf der Titelseite war nie
drinnen. Umso erschreckender war die Wochenendausgabe vom
24.Oktober, die komplett auf blauem Papier gedruckt wurde. Den
konsternierten Lesern wurde auf Seite 1 mitgeteilt: "Blau machen
wir den Standard nur heute und ausnahmsweise. Die Betreiber des
Mobilfunknetzes 'one' wollten zu ihrem Start etwas Besonderes
bieten -- und wir hatten die Loesung fuer sie."
So etwas stimmt bedenklich. Denn die Farbe eines Blattes --
besonders wenn es das zur Selbststilisierung dieser Zeitung so
wichtige Rosa ist -- ist mehr als nur eine Frage des Papiers. Die
Farbe war und ist -- nicht nur, aber gerade in politischen
Zusammenhaengen -- ein wichtiges Signal. Man denke nur an das Rot
aller sozialistischen Gruppierungen oder die Gruene Partei, die
sich sogar nach ihrer Farbe benannt hat. Von den eher peinlichen
"Men in Black", als die sich die niederoesterreichische VP im
letzten Wahlkampf darstellte, ganz zu schweigen.
Ein Farbwechsel signalisiert immer auch einen Charakterwechsel.
Denn Aeuszerlichkeiten sind in ihrer Symbolik nicht zu
unterschaetzen. Man sehe sich nur den neuen deutschen
Auszenminister an, der konservativere Anzuegen traegt als seine
buergerlichen Vorgaenger Genscher und Kinkel -- wer seine
politische Wandlung seit den Zeiten als "Turnschuhminister"
beobachtet hat, wird die Bedeutung dieser auch optischen Wandlung
durchaus damit in Relation setzen koennen.
Wenn also der "Standard" einmal die Farbe wechselt, nur weil die
Kohle stimmt, dann signalisiert das weniger aesthetische
Beliebigkeit sondern viel mehr ganz einfach: "Fuer Geld machen wir
alles." Bronner & Co. koennen sicher sein: Diese Botschaft wird
verstanden. Und es ist dann lediglich eine Frage der Zeit, bis
diese Kaeuflichkeit nicht nur ein paar redaktionelle Ausrutscher
hervorruft, sondern ganz und gar die herausgeberischen Praemissen
dominiert.
Die Macher der "Zeitung fuer Leser" duerfen sich so aber nicht
wundern, wenn sie in nicht allzu ferner Zukunft eine "Zeitung fuer
Werbung" produzieren muessen.
*Bernhard Redl*
> Im Namen der Republik ...
... wurde das Urteil Republik Oesterreich alias Technische
Universitaet Wien versus Verein zur Foerderung von Bildungs- und
Freizeitaktivitaeten alias TU-Club Mitte Oktober in erster Instanz
gefaellt -- zugunsten der Klaegerin, wie auch nicht anders zu
erwarten war.
Die Vorfaelle der letzten Monate seien hier kurz zusammengefaszt:
Ende Juni wurde von der TU-Wien eine Raeumungsklage gegen den TU-
Club eingebracht, Anfang Oktober fand eine erste Tagsatzung statt,
und nicht einmal zwei Wochen spaeter war eine weitere Verhandlung
anberaumt, die mit einem "Urteil erfolgt schriftlich", das binnen
eines Tages verfaszt wurde, ihr Ende fand. Beruecksichtigt man,
dasz im Sommer auch Gerichtsferien sind, ist dieses Urteil
auszerordentlich schnell ergangen.
Liest man die Klageschrift, so kann man sich vor lauter Vorwuerfe,
wie die widmungswidrige Benutzung, permanente Laermbelaestigung
etc., belegt mit allerhand Veranstaltungsankuendigungen, die
uebrigens ausschlieszlich von der HochschuelerInnenschaft kamen,
und Beschwerdebriefen vom Buergerdienst, kaum erwehren. Es sollte
der Eindruck erweckt werden, dasz eine wilde Bande kurzfristig die
Raeume okkupiert habe. In Wirklichkeit gibts den Verein seit
vielen Jahren, mit Wissen der TU. Der Rundumschlag der Klage wird
jedoch im Urteil kaum erwaehnt. Es gaebe kein irgendwie geartetes
Rechtsverhaeltnis mit der TU und deshalb habe der Verein binnen 14
Tagen das Kommunikationszentrum zu raeumen -- zuzueglich vier
Wochen Einspruchsfrist. Von einer Entschaedigung -- immerhin hat
der Verein einiges investiert -- ist nicht die Rede.
Vor der Klage wurde noch mit verschiedensten Drohgebaerden
versucht, ein freiwilliges Verlassen der Raeume herbeizufuehren:
angefangen mit einer Klagsandrohung, garniert mit einer
Mietforderung von ATS 70.000,-- pro Monat und weiterfuehrend einem
stattlichen Besuch von allerhand Magistraten auf der Suche nach
schlieszungswuerdigen Argumenten, nach dem Motto, wo man was
sucht, findet man auch sicher was. Nachdem das alles nicht die
gewuenschte Wirkung zeigte, wurde geklagt. Eine einvernehmliche
Loesung wurde nicht angestrebt.
Interessant ist, was hinter den Kulissen vor sich ging: Wie
berichtet, hat der akademische Senat der TU am 23.3.98 der HTU
(HochschuelerInnenschaft an der TU-Wien) die Raeume des TU-Clubs
entzogen. Hat der Rektor der TU noch ein paar Wochen zuvor
zugesichert, er wuerde sich nicht einmischen, hat sich seine
Meinung offensichtlich rasch geaendert. Wohlueberlegt wurde in
besagter Sitzung des Senates der Raumentzug von etwa 500 m2, das
entspricht einem betraechtlichen Anteil der der HTU gewidmeten
Flaeche, in einem Nachtragstagesordnungspunkt eingebracht. Wie
sich spaeter herausstellte, kannten die meisten Senatsmitglieder
die Hintergruende des Konflikts nicht. Aufgrund mangelnder
Kenntnis der kurzfristig aktualisierten Tagesordnung konnten die
BetreiberInnen keine Stellungnahme abgeben. Seltsam genug, dasz
sich die Vertreter der Studierenden 500m2 Raum unwidersprochen
wegnehmen lassen, ist es vor allem bedenklich, dasz sich der Senat
in interne Angelegenheiten der HochschuelerInnenschaft einmischt.
Gerade der Rektor der TU, der penibelst die Autonomie verteidigt,
nahm sie in Sachen TU-Club nicht sehr genau. Dasz die Exekutive
eine Zeitlang im TU-Club, einem Gebaeude der Technischen
Universitaet, aus- und einging, schien ihn nicht zu stoeren. Es
soll klar gestellt werden, dasz die TU FunktionaerInnen der
HochschuelerInnenschaft, naemlich die Verantwortlichen des
Vereins, und indirekt eine Menge Studierende der TU und anderer
Universitaeten gerichtlich hinausschmeiszt, um die Raeume
anderweitig (ja wie eigentlich?) zu nutzen.
Nach ueber 15jaehriger guter Zusammenarbeit des Vereins mit der
HTU und der TU fand im Herbst vergangenen Jahres ein
Vorsitzendenwechsel statt, der einen Konflikt eskalieren liesz.
Opfer des Konflikts waren vor allem Frauen, die in verschiedenen
Funktionen der HTU taetig waren und entweder suspendiert oder
hinausgeekelt wurden, weil sie im TU-Club mitgearbeitet oder ihn
zumindest unterstuetzt haben. Der TU-Club war eine der wenigen
Institutionen an der TU, die jahrelang eine fortschrittliche
Frauenpolitik und Quotenregelung praktiziert hat. Unter diesem
Aspekt hat die Technische Universitaet wieder ihr Desinteresse an
Frauenfoerderung bewiesen.
W enig erfreulich ist eine aktuelle politische Auseinandersetzung,
die in einem Artikel "TU-Club is dead" nach auszen getragen wurde
und in einem undifferenzierten Rundumschlag mit vermeintlich
antisemitischen Kollektivmitgliedern abrechnen will. Dazu sei
gesagt, dasz dies sicher keine adaequate Diskussionsform ist und
es sehr wohl unterschiedliche Meinungen innerhalb des Kollektivs
gibt. Eine Polarisierung und ein beleidigter Rueckzug haben nur
zur Folge, dasz einseitigen Stroemungen groeszerer Raum gewaehrt
wird.
Nach immerhin 1 Jahr massiven Druckes seitens der
HochschuelerInnenschaft, der TU, des Magistrats, der Exekutive,
sowie des Buergerdienstes im 4. Bezirk, nicht zu vergessen den
Medienboykott auch der linken Zeitungen, gebuehrt den
BetreiberInnen dieses Kultur- und Kommunikationszentrums trotz
aller Meinungsverschiedenheiten Beachtung fuer ihre
Widerstandskraft und den Willen, eines der letzten unabhaengigen
nichtkommerziellen Kulturzentren im Spannungsfeld zwischen
Universitaeten und auszeruniversitaeren kultur- und
gesellschaftspolitischen Gruppierungen zu erhalten.
*Manuela Franz*
> 300 Morde
Im vergangenen Jahr starben in Lateinamerika etwa 300
GewerkschafterInnen durch Mord. Fast 2.500 wurden von staatlichen
Behoerden verhaftet. Die Zahlen gab die Internationale
Arbeitsorganisation bekannt. Verhaftete und Ermordete gehoerten
fast ausnahmslos in die Reihen derjenigen, die besonders aktiv die
gewerkschaftlichen Rechte verteidigten. Einschuechterungen,
Drohungen und direkte Gewalt trafen diejenigen, die in ihren
Forderungen nicht nachgaben. Das Ausmasz der Attacken gegen die
GewerkschafterInnen erinnert an die 70er Jahre, als in den meisten
Laendern des Subkontinents Militaerdiktaturen mit Haerte gegen
jede oppositionelle Regung vorgingen. In den 90er Jahren wird
jedoch immer wieder auf die demokratische Entwicklung in den
lateinamerikanischen Laendern verwiesen.
Kolumbien ist das Land, in dem die meisten Anschlaege auf das
Leben von GewerkschafterInnen stattfinden, als Verantwortliche
wurden fast immer die Militaers, Geheimdienste und rechte
Paramilitaers ausgemacht.
*pulsar/Poonal/gek.*
> Monsanto unter Zensurverdacht
Die Schwierigkeiten des Ecologists haben wohl damit zu tun, dasz
darin das Hauptthema der multinationale Konzern Monsanto und die
Gentechnologie sind. Dabei werden harte Attacken gegen den Konzern
geritten. Speziell seine Beteiligung an der Herstellung von Agent
Orange, polychlorierten Biphenylen (PCB's), dem bei der Biochemie
Kundl in Tirol hergestellten Rinderwachstumshormon rBGH, Round-up-
Herbiziden und vermehrungsunfaehigen Hybridsaatgut weden
aufgelistet. Auszerdem enthaelt die Ausgabe eine Breitseite des
Prince of Wales gegen gentechnisch veraenderte Lebensmittel.
Die Druckerei Penwell entschied die Auflage von 14.000 Stueck der
Ausgabe September/Oktober einzustampfen. Der Hintergrund dafuer
ist das rigide britische Anti-Verleumdungs-Recht, dasz nicht nur
den Herausgeber, sondern auch den Hersteller eines Printmediums
fuer die Inhalte verantwortlich machen.
Obwohl noch nie derlei Beanstandungen in der seit 26 Jahren
bestehenden Geschaeftsbeziehung zwischen Ecologist und Penwell
aufgetreten waren, war sich der Direktor der Druckerei ueber die
Zulaessigkeit der Monsanto-Artikel unsicher und fragte seine
Anwaelte, die ihm die Klagsfaehigkeit der Aussagen versicherten.
Von Mokhiber und Weissmann befragt, wie er denn ploetzlich so
skeptisch geworden sei, erklaerte der Direktor: "Das sag ich
nicht." Auch darueber, ob seine Anwaelte irgendeinen Kontakt zu
Monasanto haetten, konnte er keine Auskuenfte erteilen.
Dan Verakis, der Sprecher von Monsanto, leugnet jegliche
Kontaktaufnahme zu Penwell, gesteht aber ein, zwei Wochen vor
Drucklegung von der Ecologist-Ausgabe gewuszt zu haben. "Bedenken
Sie", so Verakis, "wir werden beschuldigt, Pressionen auf eine
Druckerei ausgeuebt zu haben, um die Veroeffentlichung eines
Magazins zu unterdruecken. Das macht doch nicht sehr viel Sinn
fuer uns, eine Druckerei zu bedraengen, ein spezielles Magazin
nicht zu drucken, wenn das Magazin seine Ausgabe auf Computerdisks
hat und es bei jeder Druckerei auf der Welt produzieren lassen
kann.
In der Praxis ist das allerdings nicht ganz so einfach. Denn
Ecologist fand zwar trotz der hoechst bedenklichen Gesetzeslage
tatsaechlich eine andere Firma, um 16.000 Stueck neu zu drucken,
doch mittlerweile weigern sich die beiden groszen
Einzelhandelsfirmen des Vereinigten Koenigreichs, das Blatt an
ihre Zeitungsstaende auszuliefern.
*akin*
> Wieviele Polizisten braucht's fuer die Verhaftung eines
> Unbewaffneten?
Verhaftungen kannte ich ja bisher nur von Demos. Dasz es aber bei
sonstigen Routinefaellen genauso ungut zugeht, muszte ich neulich
mitansehen.
Am Donnerstag, den 22. Oktober wird etwa um 14.15 Uhr auf der
Gartenbaupromenade ein Mann aus Kamerun vom offenbar geistig
verwirrten K. attakiert. Da sich dort auch das unter
Polizeibewachung stehende US-amerikanische Konsulat befindet, viel
der Vorfall auf. Die das Konsulat bewachenden BeamtInnEn duerfen
sich zwar von ihrer Taetigkeit nicht abhalten lassen, rufen aber
ihre Kollegen. Diese brauchen ein Weilchen. K. steht inzwischen
wieder allein und etwas wirr auf der Promenade herum. Ploetzlich
wird er von drei Beamten gepackt, niedergerissen und zum naechsten
Hauseingang gezerrt. Laut unbestaetigter Aussage einer Augenzeugin
bekam er dabei einige Schlaege in den Bauch. Vor dem Hauseingang
wird der weinende K. brutal am Boden gehalten und es werden ihm
Handschellen angelegt. Danach wird er durchsucht, wobei sich neben
Geld so gefaehrliche Waffen wie eine Lupe und ein Schweizermesser
finden. Weitere zwei Polizisten kommen mit einem Einsatzfahrzeug
um K abzutransportieren.
Nun ist ja die Festnahme von Menschen, die andere Menschen
attackieren oder ueberfallen, an sich Aufgabe der Polizei. Dasz K.
sozusagen auf die Polizei gewartet hat, sein Problem. Sicher nicht
zu rechtfertigen ist die auch ohne Bestaetigung der Schlaege
offensichtliche Brutalitaet, mit der die Beamten vorgingen.
Schlieszlich hatte die ganze Affaere nur die Qualitaet einer
Schulhofrauferei. Der Riesenaufwand von fuenf, bzw. inklusive der
KonsulatsbewacherInnen sieben BeamtInnEn war durchaus auch fuer
andere AugenzeugInnEn erschreckend.
*GD*
> Internationale Handelskammer besetzt
Am 19.10. besetzten franzoesische Aktivisten und die Delegationen
des internationalen Anti-MAI-Gipfels aus 23 Laendern die Aemter
der "International Chamber of Commerce" (ICC) in Paris besetzt. In
der Erklaerung wird die Profitausrichtung der Handelskammer im
Dienste der Multis kritisiert. Durch die Uruguay-Runde, Gatt-
Verhandlungen und Schaffung der WTO haben diese das Recht
erhalten, Leben genetisch modifiziert zu patentieren,
Informationsrechte der Konsumenten zu schwaechen, die
Oeffentlichen Dienste zu privatisieren und die sozialen Netze zu
zerstoeren.
Ueber das Wann und Wie des Endes der Besetzung liegen kein
Berichte vor.
*LabourNet Austria / bearb.*
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pgp-key auf Anfrage
last update: 06-11-1998 by: Horst.JENS@bigfoot.com
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