akin / aktuelle informationen Pressedienst akin vom 09-10-1998
 
 



akin-Pressedienst.Elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten seinn. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.



Asyl:

> Das Recht steht auf dem Spiel

Gedanken zum Matzka-Papier

Machen wir uns nichts vor. Es geht nicht
nur um die Fluechtlinge. Sondern um uns alle. Nicht nur um das
Recht auf Asyl, sondern um den Rechtsstaat ueberhaupt.

Matzka fordert, das Recht des Individuums durch staatliche Gnade
zu ersetzen. Bei Asylwerbern zuerst. Ist aber die Grenze, die den
einzelnen vor staatlicher Willkuer schuetzt, einmal
ueberschritten, kann dies eine Kettenreaktion ausloesen, die auch
Inlaender ihrer individuellen Rechte beraubt und sie zu
Bittstellern und Untertanen macht.

Wie hilflos - Schloegls Beschwichtigungsversuche: es sei doch nur
ein "miszverstaendlicher" Satz. Wir koennen lesen. Und wir haben
richtig verstanden.

Asyl ist ein Menschenrecht. Festgeschrieben in der Allgemeinen
Erklaerung der Menschenrechte, deren 50. Jahrestag wir im Dezember
1998 begehen: "Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Laendern vor
Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genieszen." Ein Menschenrecht,
das hoeher steht als staatliche Wuensche nach wirksameren
Grenzkontrollen.

Die Genfer Fluechtlingskonvention ist heute aktueller denn je. Sie
ist anwendbar fuer die heutigen Fluchtursachen, wie sie es fuer
die frueheren war.

Es ist unwahr, wenn Matzka behauptet, die Zahl der "offensichtlich
unbegruendeten" Asylantraege sei gestiegen. Die Menschen fluechten
heute aus gleich starken oder schwachen Gruenden wie frueher, zur
Zeit des Kalten Krieges. Nur - damals bestand der politische
Wille, Asyl zu gewaehren. Was damals selbstverstaendlich als
Fluchtgrund galt, gilt heute als "unbegruendet" oder gar als
"Asylbetrug".

Geaendert hat sich nicht die Anwendbarkeit der Genfer Konvention,
sondern ihre Auslegung durch Regierungen und Behoerden. In
Oesterreich wurde sie de facto abgeschafft, das Asylverfahren zum
Lottospiel degradiert. Selbst von UNHCR unter Schutz gestellte
Folteropfer erhalten hierzulande kein Asyl.

Es ist unwahr, wenn Matzka behauptet, "interethnische Verfolgung"
oder Vertreibung durch "nichtstaatliche Kraefte" fielen nicht
unter den Fluechtlingsbegriff der Genfer Konvention.

Verfolgung aus ethnischen Gruenden gehoert zu den zentralen
Fluchtgruenden; ueberhaupt ist Gruppenverfolgung ein elementarer
Begriff der Genfer Konvention. Nirgends in der Konvention steht
geschrieben, dasz Verfolgung vom Staat ausgehen musz. Vielmehr
kommt es darauf an, ob der Staat in der Lage ist, Verfolgte zu
schuetzen, und ob er auch willens ist, es zu tun.

Oesterreich hat an der Genfer Konvention herumgedeutelt, bis
nichts mehr von ihr uebrigblieb. So wird Algeriern der Schutz
verweigert, weil sie nicht vom Staat, sondern von islamischen
Terroristen bedroht sind. Obwohl feststeht, dasz der Staat nicht
imstande ist, sie zu schuetzen, ja dasz Teile des Staatsapparates
am Terror mitschuldig sind. So wird Kosovo-Albanern der Schutz
verweigert, obwohl sie Opfer von Gruppenverfolgung sind.

Nirgends in der Konvention steht geschrieben, dasz Verfolgung
NICHT vorliegt, wenn sie ALLE gleichermaszen trifft. Dennoch
wurden Asylantraege afghanischer Frauen mit der Begruendung
abgewiesen, sie sollten sich an die Regeln halten, die alle
betreffen - dann haette man sie nicht ausgepeitscht. Schlieszlich
wollten die Taliban nichts anderes als die "Rueckkehr Afghanistans
zur islamischen Kultur"; und dies sei "naturgemaesz mit Haerten
verbunden". So steht es woertlich in Bescheiden des
Bundesasylamtes; Manfred Matzka traegt die Verantwortung dafuer.

Matzka moechte zurueck zur Zeit VOR der Genfer Konvention, als es
(seine Worte!) statt des individuellen Rechtsanspruchs "politische
Angebote" der Aufnahmestaaten gab. Was war das fuer eine Zeit?

Juden, in der Kristallnacht Opfer privaten Terrors arisierenden
Raubgesindels in Wien, waren Opfer nichtstaatlicher, aber vom
Staat gewuenschter und unterstuetzter Verfolgung. "Interethnische
Verfolgung durch Private". Damals gab es noch, fuer manche, die
Chance zur Flucht. Die staatliche Massenvernichtung begann bald
darauf. Wer, wie mein Onkel Robert und meine Tante Marianne, den
Zeitpunkt versaeumte, kein "Angebot" erhielt, keinen Schlepper
fand - fuer den gab es kein Entkommen mehr.

Judenstern, Nuernberger Rassegesetze betrafen alle Juden im
gleichen Masz. Die Nazis wollten doch blosz Deutschland
zurueckfuehren zur arischen Kultur. Was naturgemaesz verbunden war
mit Haerten. Das alles faellt nach Matzkas Auslegung nicht unter
die Genfer Konvention.

Wie schoen fuer Verfolgte, wenn es ein staatliches "Angebot" gibt.
Und wenn nicht? Die Schweiz befand, das Boot sei voll. Die Juden
wuerden ja nicht aus politischen, sondern "blosz aus rassischen"
Gruenden verfolgt. Unzaehlige muszten sterben. Denn es gab, trotz
groszer Nachfrage, kein Angebot.

Viel zu wenige entkamen ueber die Grenzen des Dritten Reiches. Was
waere aus ihnen geworden, und was wuerde heute aus Fluechtlingen
aus dem Iran, dem Irak, aus Afghanistan - ohne Fluchthelfer? Ohne
Schlepper? Herr Matzka will, so steht es in seinem Papier, die
"Netzwerke" der Fluchthelfer zerstoeren. Fuer tausende Verfolgte
bedeutet das den sicheren Tod.

Fluechtlinge, die illegal ueber die Grenze kommen, auf der Flucht
vor Folter und Tod, will Matzka sofort ueber die Grenze
zurueckstellen. "Status quo wiederherstellen, bevor irgendein
Verfahren eingeleitet wird". Auch hier setzt Matzka die Genfer
Konvention auszer Kraft, deren Artikel 31 die illegale Einreise
von Fluechtlingen ausdruecklich schuetzt.

Asylwerber sind, nach Geist und Buchstaben der Genfer Konvention,
eben NICHT verpflichtet, in Auffanglagern, im Niemandsland zu
warten,  bis ein Staat ein "Angebot" macht. Sie haben das RECHT,
auch ILLEGAL zu kommen, und niemand darf sie bestrafen dafuer.
Matzka greift eine der wichtigsten Errungenschaften des neuen
Asylgesetzes an: dasz man Fluechtlinge waehrend des Asylverfahrens
nicht zurueckschieben darf. Seine Beamtenschaft haelt sich
ohnedies nicht daran. Tag fuer Tag schiebt man Menschen, obwohl
sie schreien, dasz sie Fluechtlinge sind, nach Ungarn zurueck. Das
ist rechtswidrig; Matzka erhebt es zum Rechtsgrundsatz. Fuer ganz
Europa. Ueber welche Grenze will Matzka die Kurden
zurueckschieben, die in Italien strandeten? Ins Meer hinaus, zu
den Haien?

Vor einiger Zeit forderte Haider den Austritt Oesterreichs aus der
Europaeischen Menschenrechtskonvention. Weil sie den
Familiennachzug fuer AuslaenderInnen schuetzt. Matzka tritt nun in
Haiders Stapfen. Er ist zu weit gegangen.

Bei vielen verhaszt, umstritten auch im eigenen Haus, versucht er
die Flucht nach vorn. Schloegl hat jetzt die Wahl. Er kann seinen
furchtbaren Juristen fallen lassen. Oder - er wird mitschuldig.
Noch ist es nicht zu spaet.
                                           *Michael Genner*
 
 

M.G. ist Geschaeftsfuehrer von "Asyl in Not", Vorstandsmitglied
von SOS-Mitmensch und der Asylkoordination Oesterreich.




 

Das Letzte:

Brigitte Ederer warnt als Wiener Finanzchefin vor einer
Investitionsflaute der Gemeinden im Wr. Kurier vom 4.10.1998,
Seite 2 und tritt gegen eine Senkung der Kommunalsteuer ein:
"Diese Abgabe ist ein Anreiz fuer Buergermeister, um
Betriebsansiedlungen zu kaempfen, weil sie damit Geld einnehmen.
Wenn der Anreiz schwindet, steht zu befuerchten, dasz fuer die
Buergermeister Anrainer-Beschwerden ueber Laerm, Abwaesser und
Verkehr wichtiger werden."                       *akin*




Gewerkschaft/Gruene:

> Die Gruenen und der 1. Mai

Die Gruenen haben bekanntlich mit den anderen buergerlichen
Parteien mitgestimmt, dasz die Verkehrsbetriebe auch am 1. Mai
fahren sollten. Es gab heuer den Kompromisz dasz die Nachtbusse
zum normalen Fahrpreis bis zum normalen Betriebsbeginn nachmittags
fahren sollen. Den Buergerlichen ist dies aber zu wenig, sie
wollen den Vollbetrieb, also wird sich die Frage naechstes Jahre
neu stellen.

Damit werden unsere Gemeinderaete wieder gefordert sein, eine
richtige Entscheidung zu treffen, ohne sich von der Basis
abzuheben.

Bekanntlich gab es ja bei der vorletzten Landesversammlung einen
Antrag der Bezirksgruppe Alsergrund, dasz die Verkehrsbetriebe
nach wie vor am 1. Mai vormittags nicht fahren sollten, der dann
auf Betreiben von Susi Jerusalem zurueckgezogen wurde, unter der
Bedingung, dasz eine oeffentliche Veranstaltung der Wr. Gruenen
zum 1. Mai stattfinden sollte. Nun, diese Veranstaltung hat nicht
stattgefunden und das Problem stellt sich fuer uns neu.

Bei der naechsten Landesversammlung sollten wir diese Frage noch
einmal diskutieren und unsere Haltung dazu im Einvernehmen mit
unserem Gemeinderatsklub neu entscheiden.

Auszerdem mueszte dabei analysiert werden, wer, wann und wo die
berechtigten Forderungen der Berufstaetigen vertritt und
legitimiert ist, dafuer oder dagegen am 1. Mai zu demonstrieren.

Es gibt die AUGE, eine Gewerkschaftsfraktion, in welcher gruene
und alternative Gewerkschafter mitarbeiten. Diese Gewerkschafter
sollten bei solchen Problemstellungen mitreden koennen.
                                             *Erich Makomaski*
 

*******

Gesundheit:

> Blackbox "Psyche"

Zu "Richtige Maenner", akin 25/98
 

Angenommen, ich sei ein Impotenter.

Dann bin ich schier begeistert von diesem Viagra-Aufsatz.

Was ich bislang noch nicht wusste und worauf ich selbst nie
gekommen waere: "Das alles hat ja psychische Ursachen!!"

Mit diesem Wissen geht es mir dann doch gleich viel besser. Die
alte Medizin, sagt man, macht es sich leicht, indem sie den
Menschen auf eine bio-chemische Funktionseinheit reduziert und
entsprechend therapiert.

Die neue Medizin, sage ich, macht es sich noch viel leichter,
indem sie den Menschen auf eine Vielfalt unverstandener Prozesse,
die sie dann "Psyche" nennt, reduziert und aufs Therapieren
verzichtet. Mit dem Verweis auf die Blackbox "Psyche" nimmt man
jedenfalls das Leid der Betroffenen nicht ernst. Und genauso wie
ein von Kopfschmerzen, chronischem Durchfall, Tinnitus oder dgl.
Geplagter sich bei seinem Arzt bedankt fuer den Hinweis, dass dies
wohl psychisch bedingt sei, so sagt der Impotente zu diesem
Aufsatz "Danke!" und schmeisst ihn weg.       *Christian Buchner*



Globalisierung:

> Pro-MAI-Beschlusz der OECD am 20./21.10.?

Die sommerliche "Einschlaeferungsphase" fuer die NGOs und Anti-
MAI-Initiativen ist vorbei!
 

Minister Farnleitner konnte es sich leisten, beim Klagenfurter EU-
Industrieminister-Treffen am vergangenen Wochenende einen raschen
Abschlusz des MAI bei der OECD-Konferenz am 20./21.10. in Paris zu
fordern. Eine Erklaerung, die in Klagenfurt von allen EU-
Amtskollegen unterstuetzt und der vor dem Tagungsgebaeude von
keinen MAI-Gegnern widersprochen wurde. Der "Standard" (v. 5.10.,
S. 18) zitiert ihn: "Wir muessen dann damit in die
Welthandelsorganisation WTO gehen, denn die Entwicklungslaender
sehen den Schutz von Investitionen als Eingriff in ihre
Souveraenitaet an, unsere Firmen brauchen aber Rechtssicherheit".
Im folgenden Absatz wird die Kritik der Gewerkschaften an der
Aushoehlung der Arbeitnehmerrechte und der
Menschenrechtsorganisationen wegen der "Festschreibung der
`Ausbeutung der Entwicklungslaender ueber ein internationales
Abkommen`" erwaehnt.

Parlamentinsider befuerchten, dasz es nicht rechtzeitig zu einer
Veroeffentlichung einer offiziellen Regierungsposition zum MAI
kommen wird. Durch die Unschluessigkeit der SPOe koennte
Farnleitners eindeutige Pro-MAI-Strategie auch in Paris zum Tragen
kommen.

Die Gruenen sehen wenig Moeglichkeiten ins Parlament vor dem
20.10. Antraege oder Anfragen einzubringen. Eher waere noch auf
einen Druck ueber die Medien zu hoffen. Auf Initiative der
Buergerliste Salzburg-Land und des Salzburger Aktionsforums wurden
hunderte Karten an die Nationalraete aller Parteien bzw. deren
Klubs mit dem Ersuchen geschickt, das vom EU-Parlament geforderte
Moratorium auch in Oesterreich durchzusetzen.

Und die MAI-kritischen Initiativen? Ob so schnell in Wien
gewaltfreie, auszerparlamentarische Aktionen auf die Fuesze
bringen? Welche Proteste koennen innerhalb der knappen Zeit
dezentral organisiert werden? Sie mueszten durch dezentrale
Protestaktionen - in Verbindung mit den internationalen Kampagnen
und dem Pariser Alternativ-Forum vom 17. - 20.10. - erweitert
werden.                                     *Matthias Reichl*

Kontakt: M.R., Postf. 504, 4820 Bad Ischl, Tel. 06132-24590, e-
mail: mareichl@ping.at

Termine:
Am Donnerstag, 15.10., 20h werden in Salzburg (Foyer des
Petersbrunnhofes, Erzabt-Klotz-Str.) der MAI-Chefverhandler Mag.
Schekulin (Wirtschaftsministerium) und die MAI-Kritikerin und
Buchautorin Claudia von Werlhof kontroversiell darueber
diskutieren.
Am 17. (ab 11h) und 18.10. (vormittags) soll es in Salzburg,
Imbergstr. 2 auf Einladung durch das "Salzburger Aktionsforum
gegen das MAI" ein oesterreichweites Strategietreffen von
AktivistInnen geben. Dabei wird u.a. auch ueber die internationale
Kooperation gesprochen. Naeheres u.a. bei mir. Bitte schickt auch
eure infos an uns.

Broschuere:
Weiters ist kuerzlich eine Broschuere zum Thema erschienen.
Erhaeltlich ist sie gegen Unkostenbeitrag bei VIRUS, WUK-
Umweltbuero, Waehringerstr.59, 1090 Wien oder Gruebi Tirol,
Angerzellg.4, 6020 Innsbruck
 
 
 



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