akin / aktuelle informationen Pressedienst akin vom 15-09-1998
 
 



akin-Pressedienst.Elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten seinn. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.



USA/Gemeimdienste:

> Staatsterrorismus -- Lebenselixier des Imperialismus

Ueber die Notwendigkeit der USA, sich rechtzeitig Feinde zu beschaffen

*

Das CIA-Konstrukt, bei der in Grund und Boden bombardierten
Medikamentenfabrik Al-Sheifa 20 km noerdlich von Khartoum handle
es sich um eine Staette der Giftgasproduktion fuer terroristische
Aktionen insbesondere des rechtsislamistischen Groszunternehmers
Bin Laden, ist vollkommen duenn und haltlos geworden. Kurz nach
dem Beschusz - das 16.000 m2 grosze Fabriksgelaende brannte die
ganze Nacht - hatte das sudanesische Fernsehen bereits
medizinische Geraete gezeigt, die sich unter den Truemmern
befanden.

Der Betriebsleiter bewertet den Schaden auf umgerechnet etwa eine
Milliarde Schilling. Es sei eine der groeszten Fabriken Afrikas
gewesen, sie habe nicht nur die Haelfte des Inlandsbedarfes
gedeckt, sondern habe auch exportiert. In erster Linie wurden
schmerzstillende Mittel und Medikamente gegen Malaria und
Tuberkulose hergestellt. 360 Arbeiter seien arbeitslos.

Auszerdem hatte der Sudan im Rahmen des von der UNO getragenen
Programms "Oel gegen Nahrung" im Jaenner 1998 vom
Sanktionenausschusz der Vereinten Nationen die Genehmigung
erhalten, ein tieraerztliches Produkt in den Irak auszufuehren. Es
wurde ebenfalls in Al-Shifa hergestellt. Im vergangenen Juli wurde
die Exportgenehmigung auf ein neuerliches Ansuchen hin um weitere
6 Monate verlaengert. Eine fahrlaessige Entscheidung der UN? Wohl
kaum. Denn dort wird jeweils penibel unterschiedlich entschieden.
Einem weiteren Ansuchen des Irak auf Export von Kichererbsen und
Zucker wurde nicht entsprochen. Angesichts dieser uebernational-
offiziellen Kontrolle des Exports des Landes und des Unternehmens
von einer gleichzeitig und unbeanstandet laufenden
Giftgasproduktion zu sprechen, ohne bisher konrete Beweise
vorzulegen, hat inzwischen sogar die vorsichtige AP (Associated
Presss) dazu veranlaszt, von einem "steigenden Erklaerungsdruck"
zu sprechen, unter dem die Vereinigten Staaten stuenden.

Noch von weiterer Seite kam die US-Regierung ein wenig unter
Druck. Der zivile Charakter der Fabrik wurde, wie der Londoner
Observer berichtete, von einem britischen Ingenieur namens Tom
Carnaffin bestaetigt, der bei dem Werk beschaeftigt war. "Ich bin
mit dieser Fabrik sehr vertraut, sie ist fuer die Herstellung
chemischer Waffen nicht geeignet", meinte Carnaffin. "Wenn es
nicht in den letzten Monaten grundlegende Aenderungen gegeben hat,
so verfuegt die Fabrik schlichtweg nicht ueber die fuer die
Produktion von chemischen Waffen erforderliche Ausstattung". Von
drei jordanischen Technikern, die an der Errichtung des Werkes
beteiligt waren, das erst im Juli des vergangenen Jahres eroeffnet
wurde, werden die Aussagen Carnaffins bestaetigt.

Am 25. August, fuenf Tage nach dem Anschlag, gab es bereits ein
Einlenken von hoeherer Stelle. Ein Sprecher eines Geheimdienstes -
der anonym bleiben wollte - gab zu, es gebe "keine direkte
finanzielle Verbindung zwischen Al-Shifa und Bin Laden".

Der Erklaerungsdruck, unter dem die CIA und die US-Regierung
stehen, hat laecherliche nachgeschobene Hilfskonstruktionen
hervorgebracht. Im Zuge einer geheimen CIA-Operation sei waehrend
der letzten Monate dem Betrieb verseuchte Erde entnommen worden.
Bei einer Probe habe man eine Substanz festgestellt, die zur
Herstellung von VX-Nervengas geeignet sei. Der Exportleiter der
Firma meinte: "So wie die Fabrik angelegt ist, gibt es gar keine
Moeglichkeit, ihr Erdproben zu entnehmen. Hier gibt es nur Beton,
oder Zement, oder Teppiche."

Zur Untermauerung ihrer muehsamen Giftgastheorie werden von den
Geheimdiensten Treffen zwischen Emad Al-Amin als Vertreter der
irakischen Samarra Drug Industries und der Leitung der Al-Shifa-
Fabrik genannt. Al-Amin sei der Vater des irakischen
Giftgasprogramms (mit dessen Hilfe in Halabja Tausende Kurden
umgebracht wurden, A.d.R.). Wer sonst an diesem Treffen teilnahm,
wer der sudanesische Partner war, an welchem Ort die Treffen
stattgefunden haben, und wie oft, ueber all dies wurde keine
Auskunft erteilt.

Die geheimdienstliche Argumentation operiert auf eine unangenehme
Weise mit rein atmosphaerischen Kategorien von Beziehungen und
Naehe: "Uns ist bekannt, dasz eine lockere Beziehung zwischen ihm
(Bin Laden) und dieser Fabrik, enge Beziehungen zwischen ihm und
dem Sudan, enge Beziehungen zwischen der Fabrik und dem Sudan und
enge Beziehungen zwischen der Fabrik und dem Irak" bestehen. Eine
solche Rhetorik ist allerdings eine Vorlaeufersubstanz - und zwar
fuer politischen Massenmord.

Das alles hilft nicht darueber weg, dasz der Verdacht, eine zivile
- oder zum groszen Teil zivile - Fabrik sei beschossen worden, und
zahlreiche ihrer Mitarbeiter verletzt, bisher nicht ausgeraeumt
wurde.

Zusaetzlich sind zwei Lebensmittelfabriken in unmittelbarer Naehe
der Pharmafabrik beschaedigt worden. Das berichten Augenzeugen
gegenueber der franzoesischen afp.

Was bombardiert wird ist egal, Hauptsache es wird bombardiert

Es koennte sich naemlich auch um eine Ersatzbombardierung eines
zivilen Objekts gehandelt haben - im Sinne einer uebergreifenden
politischen Botschaft. In der in Paris erscheinenden
arabischsprachigen Zeitschrift Al-Watan-al-Arabi wurde im
vergangenen Herbst von einem geheimen Treffen in Khartoum zwischen
einem frueheren sudanesischen Politiker und Vertretern
islamistischer Gruppen berichtet. Auch Bin Laden habe
teilgenommen. Die Notwendigkeit von chemischer und
bakteriologischer Produktion in einer Fabrik in Kubar, einer
weiteren Vorstadt von Khartoum, sei bei dieser Gelegenheit
eroertert worden. Darueber wird auch in Janes Defense Weekly,
einer der maszgeblichen militaerpolitischen Zeitschriften,
berichtet. Das Pentagon beschlosz, diese Anlage nicht zu
bombardieren, da sie in unmittelbarer Naehe einer gehobenen
Wohngegend und eines Diplomatenviertels gelegen ist.

Al-Shifa koennte demnach ein Ersatzobjekt gewesen sein, dessen
Bombardierung erstens die zivile Produktion der Konkurrenz zu
schwaechen hat, mit dem zusaetzlichen Effekt der Ausweitung des
Genozids an der irakischen Bevoelkerung, sowie auszerdem eines
indirekten Hungerangriffs gegen die sudanesische Bevoelkerung,
zweitens einen weltumgreifenden Auftrag politischer
Einschuechterung und Bedrohung exemplarisch festmachen soll.

Warum wird gebombt?

Die Bombenangriffe auf drei Laender, deren zwei durch
antiwestliche kapitalistische Regierungen und eines durch eine
prowestliche gekennzeichnet ist, stehen im strengen Kontext einer
Strategie der CIA wie des Pentagons. Die Strategiepapiere des US-
Auszenamtes, der sogenannte Quadrennial Defense Report
(Vierjahresbericht der Landesverteidigung) definieren im
Zusammenhang mit den neubestimmten und neudefinierten Feindgruppen
Organisiertes Verbrechen, Internationaler Terrorismus,
Drogenhandel, elektronische Sabotage und Umweltzerstoerung
insbesonders auch ueberstaatliche Netzwerke und in ihnen agierende
Einzeltaeter als Feind-Objekte. Solche handlichen Gegner braucht
der Weltimperialismus, der ja all diese Phaenomene hervorbringt,
wie das taegliche Brot. Nicht so sehr einzelne Regierungen, als
eher Knotenpunkte von Netzwerken in verschiedenen Laendern, die
allerdings von Regierungen gedeckt werden, wie der unermuedliche
Henry Kissinger kuerzlich in einem Interview mit der italienischen
Zeitung Avvenire betonte. Der US-Verteidigungsminister Cohen gab
am 23. August bekannt, dasz es sich bei diesem Masznahmen um
"keine einmalige Aktion", sondern um ein "langfristiges Vorgehen"
handle. In der Washington Post on Sunday meinte Cohen, der
Doppelschlag von Donnerstag sei nicht blosz als Antwort auf die
Anschlaege von Nairobi und Dar-es-Salaam zu sehen, sondern als
grundsaetzliches und langfristiges Element, mit dem die
Vereinigten Staaten die Kraefte des Terrors zu bekaempfen
beabsichtigen." Kissinger stellt sich voll und ganz hinter die
Bombenangriffe, die "sicherlich nuetzlich" seien, und er waermt
das bekannte Stereotyp auf, die USA seien bisher immer zu
nachgiebig gewesen. "In der letzten Zeit haben die Terroristen
sehr oft zugeschlagen, ohne dasz von unserer Seite die geringste
Reaktion erfolgt waere. ... Das ist ein negatives Signal, denn es
vermittelt den Eindruck, Washington wuerde sich diesem Druck
beugen."

Mit derlei Argumentationen soll wohl ein wenig von der Dimension
der Anfangs-Attentate in Nairobi und Dar-es-Salaam abgelenkt
werden.

Inszenierte Anschlagskultur, ein Lehrstueck.

Denn man darf nicht grundsaetzlich allem vertrauen, was ueber
Anschlaege gegen US-Einrichtungen gesagt wird. 1986 fand ein
Bombenanschlag auf die US-amerikanische Soldatendiskothek "La
Belle" in Westberlin statt, bei dem eine Tuerkin und zwei GIs
starben. 200 Menschen trugen zum Teil schwere Verletzungen davon.
Tanzanische Dimensionen. Ein Mitarbeiter des Ostberliner Libyschen
Volksbueros, Musbah Eter, ist einer der Hauptangeklagten (im
derzeit in Berlin seit November 1997 stattfindenden Prozesz).
Darueber berichtete vor kurzem die Tageszeitung "Junge Welt". Wie
sich jetzt herausstellte, arbeitete Eter bereits vor dem Anschlag
tatsaechlich fuer die CIA. Davon berichtet eine Sendung des ZDF am
25.August. Ein Stasi-Oberstleutnant, Rainer Wiegand, hatte dem BND
Materialien ueber Eter und fuenf weitere Verdaechtige uebergeben,
die ebenfalls angeklagt wurden. Wiegand verunglueckte unter nicht
geklaerten Umstaenden 1996 in Portugal. Einer der weiteren
Angeklagten wird wegen Mord an einem Libyer mit CIA-Kontakten
angeklagt. Der Mord hatte 1984 stattgefunden, zwei Jahre spaeter,
4 Wochen nach dem Anschlag auf "La Belle" wurde ein weiterer
libyscher CIA-Mitarbeiter ermordet. Die Tatwaffe war in beiden
Faellen dieselbe.

Zeugen wurden reihenweise aus dem Weg geraeumt; der CIA-Helfer
Eter, der diensteifrig die Bedienungsanleitung fuer die Bombe in
die Wohnung eines Mitangeklagten gebracht hatte, war nun der
einzige Zeuge. Dieser Agent widerrief aber seine belastenden
Aussagen und bezichtigte stattdessen den Staatsanwalt und den BND,
ihn zu dieser Aussage erpreszt zu haben.

Ein Mossad-Agent namens Ameiri, der ebenfalls wegen Mordes in
Verbindung mit dem Anschlag gesucht wird, erhielt politisches Asyl
in Norwegen und steht dort kurz vor seiner Einbuergerung.

Der Anschlag war von Praesident Reagan in einer ersten Phase
interpretiert worden, Libyen sei daran schuld. Die national
Security Agency habe Funksprueche an das Libysche Volksbuero in
Ostberlin abgehoert. Ihnen zufolge habe Gadaffi den Anschlag
befohlen. 10 Tage nach dem Anschlag wurden Tripolis und Bengasi
bombardiert.

Kooperierende und konkurrierende Bestien.

Der von den USA im doppelten Sinn aufgebaute Bin Laden ist im
Grunde nichts anderes als ein antisemitischer, antikommunistischer
Groszunternehmer, der eine der reaktionaersten Richtungen des
politischen Islam verkoerpert. Der Nahostspezialist Beaver von
Janes Defense Weekly gibt in einem Interview mit der Tageszeitung
Libération dazu einige konkrete Details. Bin Laden habe bereits
einige Jahre nach Beginn der sowjetischen Invasion in Afghanistan
im Jahre 1979 von der CIA Gelder fuer den Krieg gegen die
Sowjetunion erhalten. Die Zahlung erfolgten durch die Vermittlung
des pakistanischen Geheimdienstes ISI. Der ISI hatte die
Vollmacht, die Empfaengerorganisationen selbst auszuwaehlen.
Parallel dazu setzte Bin Laden sein eigenes Vermoegen ein, das
derzeit auf umgerechnet 3 Milliarden Schilling geschaetzt wird.
Die Anlage an der afghanisch-pakistanischen Grenze, die jetzt
getroffen wurde, duerfte aller Wahrscheinlichkeit nach von der CIA
selbst finanziert worden sein. Im Zug dieser Doppelfinanzierung
fuer den Krieg hat Bin Laden eine Unmenge Waffen eingekauft. Nach
Meinung Beavers duerften sich auch Boden-Luft-Raketen vom Typ
Stinger in seinem Besitz finden.

 Die CIA-Kontakte des Bin Laden gingen nach dem Rueckzug der
Sowjetunon aus Afghanistan in anderen Laendern weiter: in Bosnien
und im Kosovo. Fuer die albanischen Fluechtlinge aus dem Kosovo
organisierte er Nahrungsmittel: die karitative Seite des
Gottesstaatskonzepts.

Die CIA versucht jetzt, das Ungeziefer, das sie selbst finanziell
hochgepaeppelt hat, als laestige Konkurrenz wieder aus dem Weg zu
raeumen. Die Basen in Afghanistan bestehen weiter, das wird auch von
diplomatischen und Geheimdienstquellen aus Pakistan bestaetigt.
Gotteskaempfer aus Algerien, dem Jemen, Kuwait, Indien, Kaschmir
und dem Sudan werden dort im Morden ausgebildet. Zum Einsatz
gelangen sie in Bosnien, im indischen Kaschmir, in Algerien,
Aserbaidschan und Tschetschenien.

Mangels einer Weltrevolution braucht das US-Imperium diese
Gotteskaempfer, die sie mitinitiiert hat, dringend.

                    *"Nieder mit der NATO"-Gegeninformationsinitiative*
       *In Zusammenarbeit mit RKL und Radio trotz allem (Quellen: afp,*
     *Reuters, dpa, AP; taz, jW, manifesto, Libération) (bearb. akin.)*




Oekonomie/Debatte:

> Der schwierige Weg zu einem europaeischen Kampf gegen das Kapital

Fuer Existenzgeld und eine radikale Arbeitszeitverkuerzung.
Zur Kritik der Lohnarbeitsgesellschaft

Im Maerz 1999 soll in Berlin -- organisiert von der deutschen
*GRUPPE "FELS"* (Fuer eine linke Stroemung, Herausgeberin der
Zeitschrift "Arranca") -- eine europaeische Konferenz zu
"Existenzgeld und dem (moeglichen) Ende der
Lohnarbeitsgesellschaft" stattfinden. Folgender Text der Gruppe
FelS ist als Diskussionsgrundlage gedacht,  aber auch ohne
Bedachtnahme auf den Kongresz nicht uninteressant:

Ausgangspunkt fuer die Idee zu dieser Konferenz war die Kritik an
Maastricht und der Waehrungsunion. Ist es aber zur Zeit eine
zentrale Frage, sich zur Waehrungsunion zu verhalten? Einerseits
agiert das Kapital immer mehr transnational, die meisten sozialen
Kaempfe schaffen es aber nur schwer, den nationalen Rahmen zu
ueberschreiten. Gerade angesichts der Waehrungsunion und der
Schaffung eines "Europas des Kapitals" steht der Aufbau einer
europaeischen Linken auf der Tagesordnung.

Das Ende des keynesianistischen Klassenkompromisses, welcher das
letzte halbe Jahrhundert bestimmt hat, zeigt sich auch im Ende des
vermassten Lohnarbeiters des Fordismus. Auf der einen Seite findet
eine Zunahme prekaerer Arbeitsverhaeltnisse und eine
"Reproletarisierung" groszer Teile der Menschen statt,
gleichzeitig erschwert eine zunehmende Segmentierung und
Zersplitterung der Lebensverhaeltnisse die Verbindung der vielen
lokalen sowie gruppenspezifischen Kaempfe. Die Forderung nach
Existenzgeld, also einem menschenwuerdigen Leben und einer
radikalen Umverteilung der Arbeit kann unserer Meinung nach eine
Losung sein, die es ermoeglicht, diese Aufspaltung zu ueberwinden
und ein Europa des Klassenkampfes gegen das Europa von Maastricht
zu stellen.

Ziel dieser Konferenz ist es nicht nur, die Forderung nach einem
Existenzgeld zu diskutieren. Gerade die deutsche Linke hat sich
groesztenteils von sozialen Kaempfen und einer materialistischen
Analyse verabschiedet. Dem nationalen, rassistischen Konsens musz
wieder eine antikapitalistische-emanzipatorische Utopie
entgegengestellt werden. Mit dieser Konferenz wollen wir wieder
einen Klassenbezug verankern und einen Ansatz zu einem
europaeischen Organisierungsprozesz bieten.

*Die Kritik an Maastricht*

Die Rahmenbedingungen linker Politik werden sich in den naechsten
Jahren nachhaltig veraendern. Da ist zum einen der globale Trend
nach einem halben Jahrhundert keynesianistischer
Interventionspolitik zu deregulierten Maerkten zurueckzukehren -
was ueblicherweise mit "Neoliberalismus" umschrieben wird.

Zum anderen findet in Europa ein Vereinheitlichungsprozesz statt,
der mit dem EURO zementiert wird. Ziel dieses waehrungspolitischen
Einschnitts ist nicht nur, die "Vereinigten Staaten von Europa"
oekonomisch vorwegzunehmen, sondern vor allem die Spielraeume
nationalstaatlicher Sozial- und Wirtschaftspolitik noch weiter
zurechtzustutzen. Mit dem EURO wird das deutsche Modell einer
autonomen Notenbank mit restriktiver Geldpolitik europaeisiert,
das heiszt es wird mit der europaeischen Zentralbank eine Art
marktliberaler Ueberregierung installiert, auf die keine direkte
politische Kontrolle mehr ausgeuebt wird.

Monetaristische Wirtschaftspolitik wird europaweit
festgeschrieben. Die Konvergenzkriterien (Beschraenkung von
Inflation und Staatsverschuldung) haben dabei vor allem die
Funktion, Sachzwaenge zu erzeugen, mit denen die traditionelle,
keynesianistische Sozial- und Arbeitsmarktpolitik unmoeglich
gemacht wird, denn mit der Einengung von Inflations- und
Verschuldungsspielraeumen gibt es fuer die EU-Regierungen keine
Alternativen zu Privatisierung und "Sparpaketen". Oder etwas
genauer ausgedrueckt: die Konvergenzkriterien sind gleichermaszen
Vehikel, um die Umverteilung von unten nach oben politisch zu
legitimieren ("wir muessen kuerzen, sonst schaffen wir die Euro-
Bedingungen nicht"), als auch Instrumente, um eine monetaristische
Wirtschaftspolitik unabhaengig von Wahlergebnissen zu erzwingen
(linkskeynesianistische Regierungen haetten nur die Alternative
aus dem Euro herauszufallen oder aber nachzuziehen).

Der Abschied vom keynesianistischen Interventionsstaat, wie er mit
den Konvergenzkriterien in bestechend knapper Form vorgeschrieben
wird, bringt also eine pervertierte Form politischer Vereinigung.
Die Entscheidungsmacht wird den gesellschaftlichen Institutionen
abgenommen, die Notenbank (und nicht legtimationsabhaengige
Regierungen) bestimmen die Wirtschaftspolitik. Im Prinzip ist das
natuerlich nichts Neues. Im Kapitalismus sind gesellschaftliche
Verhaeltnisse stets "versachlicht", d.h. sie werden hinter dem
Ruecken der Akteure als Sachzwang fetischisiert. Aber dennoch war
der Keynesianismus in mancher Hinsicht so etwas wie ein
institutionalisierter Klassenkompromisz unter Fuehrung des
Kapitals, bei dem durchgesetzt war, dasz die Politik in die
Oekonomie intervenieren musz. Von dieser (erkaempften) Erkenntnis
wird jetzt abgerueckt.

Wenn die franzoesische kommunistische Partei, die italienische
Rifondazione Communista oder manche linkssozialdemokratische
Gruppen Maastricht ablehnen, hat dies vor allem damit zu tun. Es
geht gegen die Festschreibung einer liberalen Wirtschaftspolitik
und um die Verteidigung der im Keynesianismus durchgesetzten
Erkenntnis, dasz der Markt von der Gesellschaft (d.h. im Konkreten
dem spaetkeynesianistischen Staat als Repraesentanten des
institutionalisierten Klassenkompromisses) nicht nur normiert (wie
es die Liberalen fordern), sondern dasz aktiv staatlich in ihn
eingegriffen werden musz.

Auch wenn das vom marxistischen und linksradikalen Standpunkt
gesehen nicht weit genug geht, weil die Regulation
kapitalistischer Maerkte durch den Staat am zugrundeliegenden
Verhaeltnis nichts aendert, steht hinter der reformlinken Kritik
eine wichtige Einsicht, die in Deutschland scheinbar allen
abhanden gekommen ist: Der Kampf um Befreiung ist ganz wesentlich
ein Kampf um die Unterordnung der Oekonomie unter die Politik, ein
Kampf um die Gestaltung von Arbeit und Wirtschaft nach
gesellschaftlichen Beduerfnissen.

Wenn man die europaeische Vereinigung angreift, sollte man also
zum Kern Marx'scher Theorie zurueck: Die Sachzwaenge des Marktes
als gesellschaftliche Machtverhaeltnisse entlarven.

*Gegen die EU und den Euro?*

Natuerlich gibt es gegen das EU-Projekt noch eine ganze Reihe
weiterer, bekannter Argumente: Die EU bedeutet eben keine
Abschaffung, sondern nur eine Verlagerung von Grenzen - nicht-
weisze ArbeiterInnen werden so weit geduldet werden, wie dies dem
Kapital Billigloehne garantiert. Gleichzeitig wird die
flaechendeckende Kontrolle im Inneren verschaerft - schon jetzt
kommt es in regelmaeszigen Abstaenden zu Autobahnfahndungen und
Groszrazzien, die im Prinzip die Grenzkontrollen ins Landesinnere
verlagern. Und schlieszlich ist auch der buerokratische Charakter
der EU nicht zu unterschaetzen. Wenn man bisher schon kaum
Begeisterung fuer die parlamentarische Demokratie im Kapitalismus
aufbringen konnte, wird dies in der EU noch viel weniger der Fall
sein. Das europaeische Parlament ist nicht mal ein Kasperltheater,
es ist gar nichts.

Trotz dieser Argumente halten wir es allerdings fuer falsch,
pauschal gegen die EU zu argumentieren. Eine solche Position ist
leicht mit den chauvinistischen Konzepten der Rechtspopulisten
("Unsere DM schuetzen") oder den wohlfahrtsstaatlichen
Abwehrgefechten der Linkssozialdemokratie zu verwechseln. Weder
die europaeische Nation des 19. und 20.Jahrhunderts noch der
keynesianistische Sozialstaat sind es wert verteidigt zu werden.
Die "Globalisierung aufhalten zu wollen", wie dies aus Kreisen der
deutschen PDS zu hoeren war, ist laecherlich bis erbaermlich. Als
ob der keynesianistische Staat eine Errungenschaft der Linken und
nicht vor allem eine Integrationsmasznahme des Kapitals gewesen
waere. Zudem ist eine simple Anti-EU-Haltung aber auch einfach zum
Miszerfolg verdammt. Rueckwaertsgerichtete Kaempfe von links sind
stets zum Scheitern verurteilt. Und in diesem Fall ganz besonders:
Die Globalisierung ist ein objektiver Trend, der im Moment auch
die politischen Institutionen ueberrollt. Juristische Regelungen
(z.B. hinsichtlich Kapitalmaerkte, Internet etc.) hinken im
Augenblick etwa ein Jahrzehnt hinter der technologischen
Wirklichkeit hinterher. Wie sollten wir es da schaffen, die
technologische Dynamik zu stoppen? Wer will schon mit einer
Fahrradbremse einen 40-Tonner zum Stehen bringen?

In Anbetracht dieses Dilemmas, dasz weder europaeischer
Geschichtsoptimismus noch keynesianistische Nostalgie irgendetwas
mit der Realitaet zu tun haben, ist der einzig vernuenftige Weg
die Flucht nach vorne, wie sie viele Basisgruppen in der EU
laengst angetreten haben. Statt uns in der Maastricht-Diskussion
auf die eine oder andere von zwei gleichermaszen idiotischen
Positionen zu schlagen, sollten wir lieber zwei zentrale Momente
des EU-Projekt thematisieren: 1.) Die rassistische Abschottung der
EU und die autoritaere und repressive Politik nach innen; sowie
2.) die kapitalfreundliche Politik, wie sie mit dem EURO
festgeschrieben wird. Ueber den ersten Punkt wird in der radikalen
Linken schon lange, schon seit Mitte der 80er Jahre gesprochen,
ueber den zweiten leider bisher kaum.

Die monetaristische Ausformung des EURO und damit der EU sind (wie
oben dargestellt) das eigentliche Problem der neuen Waehrung. Zwar
geht die EU deutlich weiter als die nordamerikanische NAFTA, die
als reines Freihandelsabkommen die Mobilitaet des Kapitals
erweitert, ohne die der Arbeitskraft zuzulassen, aber auch in der
EU sind sozialpolitische Regelungen bisher voellig auszen vor
geblieben. Es gibt keine EU-weiten Mindestloehne, Tarifvertraege
oder gar eine Arbeitsmarktpolitik Bruessels. Damit werden die
zwiespaeltigen Errungenschaften aus einem Jahrhundert
Arbeiterbewegung weggewischt. Das legale Sozialdumping wird
dadurch durchgesetzt. Das alles ist kein Zufall: Den EU-
Regierungen ist es problemlos gelungen, ihre Polizeigesetze zu
vereinheitlichen und die Repressionsapparate zu integrieren. Wenn
das Gleiche in der Sozialgesetzgebung nicht stattgefunden hat,
dann deswegen, weil der keynesianistische "Wohlfahrtsstaat"
gezielt zerschlagen werden soll.

*Fuer gemeinsame Sozialstandards kaempfen?*

Auf der Hand liegt es schon lange: Gegen ein transnational
agierendes Kapital musz auch das Proletariat transnational agieren
(mit "Proletariat" meinen wir nicht jenen traditionellen und immer
schon falschen Begriff von "Arbeiterklasse", sondern jene
fragmentierte Masse aller derjenigen, die von Loehnen leben
muessen bzw. davon nicht leben koennen, weil sie gar nicht in die
kapitalistische Lohnarbeit hineinkommen, also Hausfrauen,
Erwerbslose, Fluechtlinge. Das Proletariat ist also nicht
maennlich und weisz, sondern mehrheitlich "farbig" oder weiblich).
Natuerlich beschraenkt sich dieser Anspruch nicht auf die Europa.
Gesellschaft ist nur global zu verstehen, aber da die EU ein
existierender politischer Rahmen ist, muessen wir auch hier
ansetzen. Die Gewerkschaften als zerfallende Apparate werden diese
Transnationalisierung sicher nicht leisten. Es ist kein Zufall,
dasz ihre Fuehrungsriegen fleiszig bei der chauvinistischen
Standort-Debatte mitstricken. Viel besorgniserregender ist, dasz
es auch in der auszerparlamentarischen Linken (die sich ja gern
selbst als undogmatisch und internationalistisch bezeichnet)
solche Auseinandersetzungen kaum gibt. Anstatt eines
transnationalen Antikapitalismus feiert man sich immer selbst in
den unpolitischen und konsequenzlosen "Ach-wir-sind-ja-so-
internationalistisch" Happenings wie den Chiapas-Kongressen. Es
sind hauptsaechlich linke Betriebsleute und geschaszte Trotzkisten
gewesen, die im Sommer 1997 den europaeischen Marsch gegen
Erwerbslosigkeit und Marginalisierung nach Amsterdam
organisierten. Und damit den gemeinsamen Kampf um Sozialstandards
ins Gespraech brachten.

Unserer Ansicht nach mueszte man genau dort ansetzen, ohne
allerdings die keynesianistischen Praemissen zu akzeptieren. Fuer
den untergehenden Wohlfahrtsstaat sind 1.) die nationalstaatliche
Eingrenzung, 2.) die sozialbuerokratische Kontrolle der
Unterschichten und 3.) die Ankoppelung der Einkommen an die
Produktivitaetsentwicklung kennzeichnend gewesen. Alles drei
lehnen wir ab. Uns geht es nicht um die reformtechnologische
Verwaltung der Arbeit (das ist das Problem der Regierungen),
sondern um unser Recht auf ein anstaendiges Leben.

*Her mit dem schoenen Leben -- 1500 DM fuer alle!*

Keine Forderung beinhaltet diese Absicht unserer Meinung so
treffend wie die Forderung nach Existenzgeld:

1) Revolutionaere Diskurse, die steril bleiben, weil sie niemanden
mobilisieren, sind objektiv betrachtet ueberhaupt nicht radikal.
Dann doch lieber Lenin: Mit "Land, Frieden, Brot" eine
Gesellschaft in Bewegung bringen. Den Vorwurf "Existenzgeld ist
reformistisch" kann man abhaken. Natuerlich ist die Existenzgeld-
Forderung reformistisch, aber man kann anhand von ihr die
Legitimitaet des herrschenden Verteilungs- und Arbeitsmodells
angreifen und damit eine nicht-kapitalistische Alternative wieder
vorstellbar machen.

2) Die Forderung nach Existenzgeld wird der Klassenstruktur des
Postfordismus gerecht. K.H.Roth hat das neue Proletariat vor 2
Jahren sehr poetisch als "Archipel" kleiner, segmentierter Gruppen
bezeichnet, die zum Teil auszerhalb der Erwerbsarbeit stehen oder
prekaer malochen, zum anderen als "Selbstaendige" arbeiten oder
immer noch ueber Tarifvertraege verfuegen. Eine Forderung, die das
Existenzrecht aller formuliert, kann zu einer Bruecke zwischen den
ArchipelbewohnerInnen werden.

Eine Garantie gibt es dafuer natuerlich nicht. Aber wir wissen,
dasz neue proletarische Bewegungen kaum noch am (prekaeren und
flexibilisierten) Arbeitsplatz entstehen werden. Sie koennen sich
eigentlich nur noch in konkreten politischen Kaempfen
konstituieren, wo Solidaritaet im gemeinsamen Projekt (und nicht
wie frueher am Arbeitsplatz) erfahren wird.

3.) Wir muessen den Zerfall des Keynesianismus nutzen, um zu einer
radikalen Version von Kommunismus zu kommen. Fuer alle
gesellschaftlichen Modelle bisher (marktliberale,
keynesianistische und staatssozialistische) war der Zwang zur
Lohnarbeit charakteristisch. Akkordmodelle, Arbeitsmythos und
fordistische Fabriken gab es nicht nur in den USA und Westeuropa,
sondern auch in der Sowjetunion. Inzwischen jedoch ist aufgrund
der technologischen Entwicklung immer weniger Arbeit noetig, um
die gleiche oder sogar eine groeszere Menge an Reichtuemern
herzustellen. Immer weniger Leute werden fuer die Produktion von
Guetern und Dienstleistungen gebraucht. Die wachsende Zahl von
Arbeitslosen wird in Jobs gedrueckt, wo zu Hungerloehnen
gearbeitet wird (in Norditalien sind 5-6 DM Stundenlohn keine
Seltenheit mehr), weil sich sonst ihre Anstellung ueberhaupt nicht
mehr rechnen wuerde. Die Profiteure sind eine kleiner werdende
Zahl von KapitalbesitzerInnen, leitende Angestellte und sonstige
Groszverdiener. Und die sozialen Widersprueche werden sich noch
massiv verschaerfen.

D.h. an der Debatte um neue gesellschaftliche Verteilungsmodelle
kommt sowieso niemand mehr vorbei. Natuerlich kann man den Trend
zu suedamerikanischen Verhaeltnissen (die reichsten 20% verdienen
20-30 Mal so viel wie die aermsten 20%) als gottgegeben
betrachten. Man kann aber heute noch deutlicher als bisher
feststellen, dasz es nicht die Arbeit des Einzelnen ist, die
Reichtum erschafft, sondern das angehaeufte technische  und
kulturelle Wissen der Menschheit.

Wer soll die Fruechte hiervon beanspruchen? 25% Festangestellte
und Kapitalbesitzer oder eine Gesellschaft als Ganze? Die Frage
fuehrt fast zwangslaeufig zu nicht-kapitalistischen Konzepten. Das
Ende des Keynesianismus/ Fordismus bietet also eine Grundlage fuer
eine allgemeine Debatte um Arbeitszeitverkuerzung, Umverteilung
der Arbeit und Abschaffung der Lohnarbeit insgesamt. Und die
Existenzgeld-Forderung ist eine politische Umsetzung dieser
Erkenntnis: Wir haben alle einen Anspruch auf die
gesellschaftlichen Reichtuemer bzw. auf die Gestaltung der
Oekonomie als Ganzem.                   *via Labournet Austria*
       *ganz wenig gekuerzt, sprachlich ein bisserl geglaettet*
 




Spanien/Baskenland:

> EGIN: Ein journalistisches Vorbild

Derzeit ist in Spanien die Volkspartei (Partido Popular, PP) an
der Macht. Es ist eine Partei mit zahlreichen Querverbindungen zu
neueren faschistischen Massenorganisationen und -gruppierungen,
und zahlreiche ihrer leitenden Politiker hatten bereits waehrend
der Francodiktatur Spitzenpositionen inne. Die Partei wurde von
einem ehemaligen Innenminister Francos gegruendet. Unter dieser
Regierung wurde kuerzlich die linke baskische Tageszeitung EGIN
formell von einem Untersuchungsrichter verboten.

Das explosive Gemisch der baskischen sozialistischen Nationalisten
war einer der haertesten Widerstandsbasen gegen die -- mit
Ausnahme Deutschlands -- haerteste der zahlreichen faschistischen
Diktaturen Europas, und der Widerstand bewegt sich heute schon
wieder hart am Rand des -- von der PP offenbar gewollten --
Buergerkriegs. Die Forderung nach kultureller Selbstbestimmung und
nationaler Souveraenitaet verbindet sich -- ob einem das nun
angenehm ist oder nicht -- mit der eines linken Sozialismus
baskischer Praegung. Das terminologische Sigel dafuer ist
izquierda abertzale, zusammengesetzt aus einem spanischen
(izquierda, die Linke) und einem baskischen Wort (abertzale), das
schwer uebersetzbar ist.

Die izquierda abertzale hat seit zwanzig Jahren als ihr
wesentlichstes Organ die Tageszeitung EGIN -- gehabt. EGIN ist
nicht, wie tendenzioes von PP-nahen Korrespondenten in Oesterreich
behauptet wird, das Sprachrohr der ETA, sondern weit darueber
hinaus -- und weit ueber das rein nationalistische Programm von
ETA hinausgehend -- politischer Ausdruck der gesamten izquierda
abertzale, eine Tageszeitung auch der neuen sozialen Bewegungen,
der Jugendkultur, also etwa der Hausbesetzer, der
Arbeiterbewegung, der Frauenbewegung und darueber hinaus eine
Zeitung mit internationalistischem Charakter.

EGIN ist darueber hinaus fuer uns alle ein journalistisches
Vorbild durch die Praezision, Trockenheit, Gedraengtheit der
Sprache, ihre Rationalitaet und Transparenz, und durch die
investigative Dichte, die sich in unserem armseligen Oesterreich
nicht so bald findet. Es schreiben/schrieben in dieser
Tageszeitung zahlreiche Schriftsteller, und
Universitaetsprofessoren und Kuenstler nahmen aktiv auf die
Diskussion Einflusz. Waer' EGIN nichts als ein Spiegel von ETA,
dann haette der PP-Innenminister Oreja die Zeitung als nuetzlichen
Buhmann wohl am Leben gelassen.

EGIN beschreibt den Widerstand der baskischen Jugendlichen,
besonders der ueberlebendigen Jugendorganisation Jarrai gegen den
Militaerdienst, gegen die strategisch bedeutsamen neuen
Autobahnen, gegen die Hochgeschwindigkeitszuege, dokumentiert den
Kampf gegen das Rauschgift (wie in Mexiko, so sind auch im
Baskenland Spitzenleute der Polizei die wichtigsten
Verbindungsmaenner zur Rauschgiftmafia). Wenn die izqierda
abertzale auch kein striktes Nein gegenueber der Bruesseler
Politik sagt, nicht ihre Aufloesung fordert, nicht den Austritt
Spaniens aus der EU fordert, wie etwa die antieuropaeischen linken
Bewegungen in Skandinavien, sondern, etwas stupide, die Teilnahme
eines souveraenen Euskadi an einer -- weiterbestehenden --
Europaeischen Union, so ist doch die Mobilisierung gegen die
Entindustrialisierung doch de facto Ausdruck eines frontalen
Kampfes gegen die zentrale europaeische Politik und implizit deren
Existenzberechtigung. Auch deswegen ist die izquierda abertzale
und deren Gewerkschaft LAB fuer mich wertvoll.

Ihre eigenen Belange, was die Repression betrifft, nimmt sie mit
vollem Recht in Anspruch und berichtet etwa in einer
ausfuehrlichen, nicht plakativen, sondern durchrecherchierten und
dennoch lebendigen und agitierenden Kampagne, einem der besten
Serienberichte, die ich je gelesen habe, ueber die Ermordung der
50-jaehrigen Rosa Zarra, die vor 3 Jahren vor einem Betrieb eine
Mahnwache hielt und der dabei von der sogenannten baskischen
Polizei, der Erzaintza, mit Gummikugeln aus der Entfernung von 8
Metern in den Unterleib geschossen wurde, worauf sie nach einem
drei Tage lang dauernden Koma qualvoll verstarb. Eines der
unzaehligen Opfer der baskischen Linken. Hat man je darueber etwas
in einem oesterreichischen Medium gehoert? Haben die sogenannten
Spanienkorrespondenten etwas darueber berichtet?

Oder die Zeitung berichtet ueber die beiden jungen baskischen
Freiheitskaempfer Laza und Zabala, die vor beinahe 15 Jahren mit
Zuhilfe der perfekten Zusammenarbeit von franzoesischen und
spanischen Polizisten aus Suedfrankreich ueber die Grenze nach
Spanien verschleppt wurden. Beim Verhoer wurde einer der beiden zu
Tode gefoltert, der andere bekam einen schnellen, finalen
Genickschusz. Die Leichen der beiden Jugendlichen wurden in eine
Felsspalte geworfen und dann zugeschuettet. Nach zehn Jahren
entdeckt, wurden die Koerper bestattet, und die Polizei hatte die
maszlose Frechheit, ein Jahrzehnt spaeter auch noch die
Trauergaeste zu ueberfallen und niederzupruegeln.

Dasz die Polizeieinheit Ertzainza wesentlicher Teil eines auf CIA-
Konzepten und CIA-Handbuechern bestehenden
Aufstandsbekaempfungsprogramms mit dem maschinell-unpersoenlichen
Namen "Sonderzone Nord" (Abkuerzung ZEN) ist, und wie diese
Erzaintza zu Anfang den Basken als ihre "eigene" "echt baskische"
Polizei angedreht wurde (so als waeren wir, auch formal, von
Deutschland okkupiert, und das deutsche Besatzerregime wuerde zur
Beruhigung der Bevoelkerung eine echt oesterreichische Polizei mit
Gamsbaerten auf den Hueten installieren); und wie sehr die
Erzaintza sich in den letzten Jahren zu einer
Aufstandsbekaempfungs- und Buergerkriegspolizei entwickelt hat,
und wie effektiv das Ganze durch den von der PSOE (die fruehere
sozialdemokratische Regierungspartei) zu verantwortenden Einsatz
von Todesschwadronen, den sogenannten antiterroristischen
Befreiungsgruppen, den GAL, ergaenzt wurde, all das schreibt EGIN.

Das schrieb EGIN. Oder dasz waehrend der Proteste gegen die
Schlieszung von EGIN einem Jugendlichen von der Erzaintza einfach
der Arm gebrochen wurde -- auf die Art der zionistischen Besatzer
Palaestinas --, auch das schreibt EGIN.

Diese Zeitung hat der Innenminister Oreja verboten. Die Polizei
drang (am 15.Juli, Anm. akin) in die Redaktionsraeume und die
Druckerei ein, 11 Mitglieder des Verwaltungsrates wurden
festgenommen, darunter der Chefredakteur und ein Abgeordneter von
Herri Batasuna, der einfluszreichsten, wenn auch nicht staerksten
politischen Partei der izqierda abertzale von Hegoalde, wie der
suedliche -- auf dem Gebiet des spanischen Staates liegende --
Teil des Baskenlandes in der Terminologie der Nationalisten
heiszt. 8 der Festgenommen wurden kurz darauf verhaftet.

Wenn von zahlreichen Kommentatoren angemerkt wird, dasz es sich
beim Verbot der linken Tageszeitung EGIN um die erste derartige
Masznahmen seit dem Ende der faschistischen Diktaturen in Europa
handelt, so stimmt das, zumindest was Spanien betrifft, nicht
ganz, denn Jaime Mayor Oreja hat bereits 5 Jahre nach dem Ableben
Francos, naemlich 1980, zwei Zeitungen geschlossen, die sie im
Zuge des sogenannten Uebergang zur Demokratie sich mit einer
radikal neuen Politik von der bisherigen, vom faschistischen
Zentralstaat diktierten, absetzten. Die Zeitung La Voz de España,
frueher Organ der Ultra-españolistas (also Spanientreuen, Anm.
akin) im Baskenland, wurde zu einer demokratischen Massenzeitung,
in der die Arbeiter selbst wesentlich mitbestimmten, der von
Madrid eingesetzte Chefredakteur wurde nach Haus geschickt, darauf
hetzte -- es war wohlgemerkt 1980! -- Oreja die Polizei in die
Redaktionen, die Voz de España und eine zweite Zeitung wurden
geschlossen. Die Polizei hielt die Betriebsraeume jahrelang
besetzt.

Das jetzige Verbotsdekret Orejas ist also keine empoerte, jetzt
endlich notwendig gewordene Gegenmasznahme gegen den
wildgewordenen Terrorismus, sondern bildet nur die konsequente
Weiterfuehrung einer jahrzehntealten Tradition von nackter
chauvinistischer, in ungebrochener Kontinuitaet aus dem Faschismus
herruehrender Repression. Es ist eine logische Steigerung
saemtlicher in den letzten Jahren vorausgegangenen polizeilichen
und gerichtlichen Masznahmen gegen die izquierda arbertzale: des
Einsatzes der aus Soeldnern mehrerer Laender bestehenden GAL-
Terrorbanden auch gegen die Zivilbevoelkerung und Unbeteiligte,
des Aufstandsbekaempfungsplans ZEN, der Verhaftung der gesamten
Parteifuehrung von Herri Batasuna im vergangenen Jahr und der dem
Plan ZEN komplementaeren, von den Groszparteien organisierten
sogenannten Friedensdemonstrationen, die regelmaeszig in Orgien
von Hetze, Hasz und Gewalt gegen die izquierda abertzale ausarten.

Eine Aufzaehlung der ungeheuren Masse von Gewalt und Tod seitens
des Staates gegen die baskische Linke und die Nationalisten
waehrend der letzten 40 Jahre koennte die permanente Motivation
fuer die Fortsetzung dieser Sonderform von Terrorismus klarlegen.
Wenn man das Ausmasz der Gewalt seitens des Staates sich vor Augen
haelt, dann wird man die Unversoehnlichkeit der bewaffneten
Aktionen verstehen muessen. Zum weiteren Verstaendnis auch -- und
zum Abschlusz -- einige Haeppchen aus der Geschichte EGIN selbst.

Im Jahre 1985 wurde der EGIN-Korrespondent Xabier Galdeano von den
GAL ermordet. Die GAL waren aus Geheimfonds des Innenministeriums
finanziert. Vier Jahre spaeter wurde der Herausgeber der EGIN,
Josu Muguruza, in Madrid aus dem Hinterhalt erschossen. Drei mal
insgesamt in der Geschichte der EGIN stuermte die Polizei die
Redaktionsraeume der baskischen Tageszeitung. Pepe Rei, ein Top-
Rechercheur der EGIN, mit einer langen Vergangenheit bei
zahlreichen anderen Blaettern, war monatelang im Knast, da er
gegen die GAL und die Rauschgiftconnection der Polizei ermittelt
hatte.

Im Vorfeld der Erstuermung schlieszlich war schon versucht worden,
die Zeitung auch oekonomisch zu vernichten, ihr -- auch per
gerichtlichem Urteil zustehende -- oeffentliche Annoncen, eine in
Spanien gaengige Praxis der indirekten Finanzierung saemtlich
Tageszeitungen, wurden und werden ausschlieszlich der EGIN
verweigert, Unternehmer, die in der EGIN inserierten, wurden unter
Druck gesetzt.

Eine gesellschaftlich wahrlich umfassende Aussetzung und
Vernichtung politischer und sozialer, ja sogar wirtschaftlicher
Rechte. Sollen wir da zuschauen?

                      *"Aug und Ohr" -- Gegeninformations-initiative*
                                                     *stark gekuerzt*




Gewerkschaft:

> Die suedkoreanische Form der Sozialpartnerschaft

Im Namen der Unabhaengigen Gewerkschafter/innen im OeGB schickte
ich einen Brief an die koreanische Botschaft in Wien, um gegen die
Massentlassungen und die staatliche Repression gegen
Gewerkschafter/innen in Suedkorea zu protestieren. Die Regierung
liesz im Mai und Juli Hunderte von Gewerschafter/innen verhaften,
die Polizei stuermte am 14.Juli das Gebaeude der
Metallergewerkschaft und verhaftete den Gewerkschaftspraesidenten.
Im Juli protestierte neben der (Anm. koreanischen Gewerkschaft)
KCTU auch der sozialdemokratische Internationale Bund Freier
Gewerkschaften ICFTU dagegen, dass die Regierung die Verhandlungen
abgebrochen hatte. Die Umstrukturierungen im Oeffentlichen Dienst
und die Schlieszung von 5 Banken versuchte die Kim Dae-Jung-
Regierung damals "kalt" -- ohne Konsultation der Gewerkschaften --
durchzuziehen. Zuletzt, am 3. September, ueberfielen 1.200
Polizisten 6 Fabriken der Mando Machinery Corporation und
verhafteten 100 Arbeiter/innen und Gewerkschafter/innen. Wiederum
protestierte auch der Weltgewerkschaftsverband ICFTU. Der Hyundai-
Streik im August ging unter dem Druck grosser polizeilicher und
militaerischer Gewaltandrohungen durch die Regierung mit einem
schmerzvollen Kompromiss zu Ende. Solcherart kommen in Suedkora
die Einigungen mit den Gewerkschaften zustande! *Karl Fischbacher*

----------------------

Auf Fischbachers Brief kam folgende Antwort von der
Botschaft der Republik von Korea:

*

Sehr geehrter Herr,

zuerst wuerde ich gerne die Gelegenheit ergreifen, Ihnen fuer Ihr
Interesse in Sachen Wohlergehen der koreanischen Arbeiter/innen zu
danken, die gewaltiges Muehsal durchzumachen haben. Ich musz
zugeben, dasz dies eine tragisch Situation nicht nur fuer die
Arbeiter/innen, sondern fuer alle Koreaner/innen ist.

Aber das Koreanische Volk stimmt der Einfuehrung von Flexibilitaet
auf dem Arbeitsmarkt zu, dass dies fuer eine erfolgreiche
Umstrukturierung des Wirtschaftssystem in Korea unverzichtbar ist.
Mit diesem Mandat des Volkes befindet sich die Reform in vollem
Schwung.

Was sich lohnt hiezu anzumerken ist, dass die koreanische
Regierung unter dem neu gewaehlten Praesidenten Kim Dae-Jung davon
ausgeht, dass die volle und freiwillige Beteiligung von allen
wirtschaftlichen Kraeften und im besonderen von der Arbeiterschaft
in diesem Prozess erforderlich ist, vor allem, um der aktuellen
Krise schnell beizukommen und dasz eine Vereinbarung geschlossen
wird, um die Qualen und Muehen, die sich aus dem
Umgestaltungsprogramm ergeben, auf alle Schichten gleichmaeszig
verteilt werden.

Vor diesem Hintergrund hat die Koreanische Regierung den
dreiseitigen Dialog von Arbeit, Direktion und Regierung Anfang
dieses Jahres eingerichtet. Nach einer Reihe von Gespraechen hat
die dreiseitige Uebereinstimmung ueber die Lastenaufteilung auf
Arbeit, Direktion und Regierung erreicht, die sich dann in einer
ueberarbeiteten Arbeitsstandards-Akte widergespiegelte und
Entlassungen aus Gruenden von Umstrukturierungen von Konzernen und
im Bankensektor erlaubt. Ihre Umsetzung wird staendig durch das
dreiseitige Komitee ueberprueft. Zu gleicher Zeit hat die
Koreanische Regierung hohen Vorrang einer Politik gegeben, ein
hinreichendes soziales Sicherheitsnetz fuer die Erwerbslosen wie
auch Berufsumschulungen, Leiharbeit und
Arbeitslosenunterstuetzungen sicherzustellen.

Daher beruhen die Punkte in Ihrem Brief vom 16. Juli 1998
("Abwesenheit von Arbeiterbeteiligung und undemokratische
Behandlung von Gewerkschafter/innen") auf einem Unverstaendnis
ueber die jetzigen Ereignisse in Korea. Bei der Durchfuehrung der
notwendigen Reformen begrueszt meine Regierung immer mitfuehlende
Ratschlaege und Kritik von jenen, die wirklich dazu beitragen
wollen, dass Korea seine wirtschaftliche Lebenskraft
zurueckgewinnt, aber akzeptiert keine falschen und boeswilligen
Anklagen, die nicht die Wirklichkeit widerspiegeln.

In der Hoffnung Sie auf dem Laufenden zu halten, lege ich eine
Broschuere bei, in der die aktuelle Situation der Volkswirtschaft
in Korea erklaert wird. Fall Sie zukuenftig mehr Information
benoetigen, zoegern Sie nicht, mich in der Botschaft zu
kontaktieren.
Mit freundlichen Grueszen, *Han Jae-young*


Globalisierung:

> NTM light

Schon wieder ein neues Kuerzel im Welthandelsrecht

*

Seit kurzem basteln EU und USA -- parallel zu jenen Diskussionen
um Abkommen, die so unverstaendliche Kuerzel wie MAI, GATT/WTO und
TAFTA tragen -- an einem weiteren Vertrag zum Abbau von "Handels-
und Investitionsbarrieren". Dieser heiszt "TEP" oder
"Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft" und ist das
Nachfolgeprojekt des "Neuen Transatlantischen Marktes". Dieser war
auf der Grundlage der 1995 von EU und USA beschlossenen "Neuen
Transatlantischen Agenda" (NTA) von der EU-Kommission im Maerz
1998 vorgeschlagen worden. Doch im EU-Rat konnte darueber keine
Einigkeit erreicht werden, so verabschiedete man beim EU-US-Gipfel
im Mai in London einen neuen Entwurf -- eben die TEP. Im Gegensatz
zum kaum eingeschraenkten gemeinsamen Handels- und
Investitionsraum NTM enthaelt der TEP-Vorschlag nicht mehr den
Abschlusz eines Freihandelsabkommens im Dienstleistungsbereich.
Das behauptet zumindest die Bundesregierung in der Beantwortung
zweier parlamentarischer Anfragen der Gruenalternativen. Das
verabschiedete Protokoll des Gipfels sagt etwas anderes: Unter
Punkt 11 ist zwar die Rede von vorrangigen Bemuehungen in Richtung
einer Liberalisierung des Warenverkehrs, welche aber um den
Dienstleistungsbereich erweitert werden soll.

Doch die Markt- und Dienstleistungsproblematik duerfte ja gar
nicht das vorrangige Thema der NTA-Gespraeche sein, da diese
Bereiche sowieso in den WTO/GATT-Abkommen bzw. den diesbezueglich
laufenden Verhandlungen einer "Liberalisierung" zugefuehrt werden
sollen. Das Heikle bei dem nun obsoleten NTM wie bei dem aktuellen
TEP sind die Tendenzen hin zu grenzenloser Investitionsfreiheit
und Liberalisierung des oeffentlichen Vergabewesens -- aehnlich
wie wir es vom "Multilateralen Abkommen ueber Investitionen" (MAI)
kennen.

Dennoch sind die TEP-Plaene insofern interessant, als dasz die
sehr konkreten Vorstellungen des NTM einer sehr diplomatischen
Sprache von Absichtserklaerungen im Londoner Protokoll gewichen
sind. Es ist davon die Rede, dasz man mit den Liberalisierungen
"bis zum Jahr 2000 soweit wie moeglich" kommen moechte. Auf einen
konkreten Zeithorizont fuer ein tatsaechliches Abkommen wollte man
sich -- wohl auch auf Grund der Erfahrungen mit dem MAI -- nicht
einlassen. Mit der WTO wolle man sich "abstimmen" -- ob das eine
geplante Erweiterung auf das WTO-Gebiet nach Vertragsabschlusz mit
einschlieszt, bleibt unklar. Zwar ist das Ziel die Oeffnung der
Maerkte, doch will man auch fuer "hohe Standards des Schutzes von
Gesundheit, Konsumenteninteressen und der Umwelt" sorgen. Unter
Punkt 15 ist zu lesen, man wolle die bereits im April begonnenen
Gespraeche mit Arbeitnehmer- und Konsumentenorganisationen weiter
foerdern. Weiter heiszt es dort: "Wir laden interessierte
Nichtregierungsorganisationen ein, an diesem Dialog ueber
Konsumentenschutz, Wissenschafts-, Sicherheits- und
Umwelschutzangelegenheiten in Bezug auf internationalen Handel als
konstruktiven Beitrag zur Politik teilzunehmen und diesen zuerweitern."

*Das Prinzip der Nettigkeit*

Was bleibt unterm Strich? TEP ist wohl im Diskussionsansatz sehr
allgemein, wohin diese Partnerschaft fuehren soll, ist ziemlich
unklar. Es geht nicht mehr dezidiert um ein rein
wirtschaftspolitisch orientiertes Investitions- und
Freihandelsabkommen, aber es koennte dennoch eines herauskommen.
Das haengt auch von den Verhandlungen auf WTO- und OECD-Ebene ab.
Wird im Oktober tatsaechlich von den OECD-Staaten das MAI
beschlossen, braucht man sich fuer TEP nicht mehr groszartig in
harte Verhandlungen werfen.

Andererseits scheint TEP der Versuch zur Rueckkehr zu einer
"zivilisierten" Diskussionskultur sein zu wollen. Man versucht
ganz allgemein netter zu sein als bisher. Es soll keine NGO-
Proteste mehr geben, also geht man -- analog zu derzeitigen
Bemuehungen in der MAI-Diskussion -- den Weg der Einbindung statt
den der Aussperrung. Da kommt die oesterreichische EU-
Praesidentschaft gerade recht, denn umarmende Befriedungspolitik
ist ja ein Grundpfeiler hiesiger Regierungstradition. Zu
befuerchten ist auch, dasz diese Einladung sich auf EU-Seite in
einem Brieferl an Greenpeace und einem Brieferl an den
Europaeischen Gewerkschaftsbund erschoepft. Die Frage stellt sich,
wie sich weniger kapitalismuskonforme NGOs verhalten sollen.
Sicher werden sich einige Gewerkschaftsvertreter und
Umweltschuetzer finden, die dann ein politisches Feigenblatt mimen
duerfen -- zu mehr wird es kaum kommen. Ob systemkritische Gruppen
solche zweifelhaft moralischen Angebote ebenfalls nutzen sollen,
wird zu diskutieren sein.                     *Bernhard Redl*



Der Schweizer Polizei musz wirklich ziemlich fad sein...:

> Wieder Repression in Genf

Am Dienstag, den 9. September 1998 um acht Uhr morgens kam es in
Genf zu Hausdurchsuchungen. Betroffen waren SympathisantInnen von
Peoples Global Action (PGA), der weltweiten Aktion gegen den
"Frei"handel und die Welthandelsorganisation (WTO).

Sechs Personen wurden in Polizeigewahrsam gebracht und bis zu acht
Stunden festgehalten. Einer wurde anschliessend zum Flughafen
eskortiert. Die AktivistInnen wurden ueber PGA verhoert, ueber die
Rolle von PGA bei den Krawallen im Mai 1998 in Genf und bei der
Verhinderung derselben. Auch das Buero des Institut Argent et
Societe (IAS), das im Mai 1998 waehrend den Aktionen gegen die
Welthandelsorganisation (WTO)als Pressebuero von PGA diente, wurde
durchsucht. Die Polizei beschlagnahmte sieben Computer, ueber 100
Disketten, mehrere Adreszbuecher sowie eine riesige Menge an
Dokumentationsmaterial.

Erst Ende August war es in Genf bereits zu einer polizeilichen
Razzia gegen PGA-SympathisantInnen gekommen (s.a. akin-pd vom 8.9.).
PGA hatte im Mai dieses Jahres waehrend der WTO-Konferenz in Genf
internationale Proteste koordiniert, die in etwa 35 Staedten in
verschiedenen Laendern auf allen fuenf Kontinenten stattfanden,
beispielsweise in Montreal, Brasilia, Birmingham, Prag, Hyderabad,
Sydney, usw.

Die Genfer Polizei scheint sehr aengstlich zu sein, angesichts
einer Ankuendigung von Protesten gegen den "Geneva Businesz
Dialogue" am 23./24.9.1998, einem Dialog zwischen Konzernen wie
Nestle und dem UNO-Generalsekretaer Kofi Anaan sowie weiteren UNO-
Funktionaeren, der von der Internationalen Handelskammer
organisiert wird.

(Projekt Interkonti, Internationalismus-AG c/o AStA FU/gek.)

> Erratum

Wir haben letzte Woche unter dem Titel "Treffen gegen
Globalisierung gestuermt" einen dummen Uebersetzungsfehler
verzapft. Im akin-pd vom 8.9. war zu lesen:

"Auf die Frage einer Teilnehmerin 'Ist das illegal, was wir tun?'
antwortete der Polizist: 'Ja, total.'"

Heiszen haette es aber sollen: "Ist das illegal, was IHR tut?"

                                              *Die Redaktion*



Lektuere/Antifaschismus:

> Boese Historisierer

Neue Broschuere zum Thema Goldhagen-Rezeption

Ein "Arbeitskreis Goldhagen" gab vor kurzem eine 60-seitige
Broschuere mit dem Titel "Goldhagen und Oesterreich -- Ganz
gewoehnliche Oesterreicher(Innen) und ein Holocaust-Buch" heraus.
Wobei es eigentlich nicht um die ganz gewoehnlichen, sondern um
die publizistisch taegigen Landsleute geht und ihre
Auseinandersetzung mit Daniel J. Goldhagens Buch "Hitlers willige
Vollstrecker". Nach Ansicht der Verfasser der Broschuere gab es
kaum eine oesterreichische Debatte, deswegen setzten sie sich auch
sehr mit der importierten deutschen Diskussion resp. mit den kaum
als Debattenbeitraegen ernst zu nehmenden Pamphleten im
oesterreichischen Boulevard auseinander.

Viel Neues ist aber leider nicht zu erfahren aus den Texten des AK
Goldhagen. Denn auch jene wenigen antifaschistischen Kritiker, die
ihre Zweifel an der Wissenschaftlichkeit des Buches oder an einer
zu vereinfachten Argumentationsfuehrung hegen, werden vom
Arbeitskreis relativ schnell ins Eck der Verdraenger und
Relativierer gestellt, die ja doch nur dem Boesen dienen.
Goldhagens zentrale These (der Antisemitismus als einzig relevante
Ursache des Holocausts) wird in der vorliegenden Untersuchung als
sakrosankt angesehen. Versuche, neben dem Antisemitismus weitere
Erklaerungsmuster fuer die damalige Mordlust im deutschen und
oesterreichischen Volk zu finden oder gar geschichtliche
Vergleiche anzustellen, also die Sache zu "historisieren" -- was
fast ein Schimpfwort fuer den Arbeitskreis zu sein scheint --
werden als Ausdruck einer falschen Umgangsweise mit dem Thema
abgeurteilt.

53 Jahre nach der Befreiung moechte der Rezensent doch bitten, ein
bisserl weniger Empoerung an den Tag zu legen und ein bisserl mehr
auch differenzierte Ansichten ueber das angeblich "Unfaszbare"
zuzulassen -- und das gilt nicht nur fuer diese Broschuere,
sondern fuer die meistgeuebte Herangehensweise antifaschistischer
Gruppen. Ich verstehe ja die Empoerung ueber das, was damals
geschehen ist, oder ueber das, was heute noch in der Kronenzeitung
darueber steht. Aber diese Haltung bringt uns nicht weiter.

Denjenigen die das NS-Morden ueberlebt haben, ist wahrscheinlich
nicht zuzumuten, darueber ruhig zu reden. Wir Nachgeborenen
sollten aber versuchen, -- nicht zu verzeihen, -- aber zu
verstehen, wie soetwas passieren kann. "Goldhagen und Oesterreich"
ist leider kein Beitrag dazu.                     *Bernhard Redl*



Initiativen:

> Graffiti-Solidaritaet

Die Wiener Graffiti Union (WGU) und F E L D - Verein fuer
soziokulturelle Projekte haben gemeinsam mit den "Kings" der
Wiener Sprueherszene eine Unterstuetzungsaktion fuer alle Leute
gestartet, die wegen Sachbeschaedigung im Zusammenhang mit
Graffiti-Aktivitaeten entweder schon verurteilt sind, oder vor
einer Anklage stehen und Schadenersatz zahlen muessen.

Nach den Wahrnehmungen der "Kings" gibt es sehr viele, ganz junge
Leute, die selbst keine Bilder gestalteten aber durch das
Anbringen von "Tags" mit hohen Schadenersatzforderungen
konfrontiert werden. Die meisten von ihnen haben leider keinen
Zugang zur Sprueherszene und bleiben daher mit ihrem Problem ganz
allein.

Wer Schadenersatz zu leisten hat, oder damit rechnen musz, soll
sich bitte bei uns melden. Wir sind derzeit in konkreten
Verhandlungen mit den zustaendigen PolitikerInnen um die, in sehr
vielen Faellen existenzvernichtenden Forderungen in
Millionenhoehe, durch adaequate Gegenleistungen wie oeffentliche
Auftraege und Aehnlichem abzudecken. Daher, wer also ein wie oben
dargestelltes Problem zu loesen hat, und dabei nicht mehr
weiterkommt, soll unbedingt mit uns Kontakt aufnehmen!
 

(Kurt Sedlak/via blackbox/gek)

Info: Sigrid Feldbacher, Wiener Graffiti Union Tel: 01 - 31 75 952
Kurt Sedlak, F E L D - Verein fuer soziokulturelle Projekte, Tel:
01 - 983 89 66,
e-mail: kurt.sedlak@blackbox.at



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last update:  27-09-1998  by: Horst.JENS@bigfoot.com (html-Konvertierung)