akin / aktuelle informationen Pressedienst akin vom 02-09-1998
 
 



akin-Pressedienst.Elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten seinn. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.


Medien/Wien:

> Eine Frage der Pluralitaet

Keine orangen Nachrichten mehr auf 94,0 MHz
 

In Wien wird es auch in Zukunft keine Alternative zu den Journalen
von Oe1 geben. Waehrend die anderen oeffentlich-rechtlichen
Stationen genauso wie der kommerzielle Dudelfunk sowieso auf
brauchbare Tagesnachrichten keinen Wert legen, verzichtet auch
"Radio Orange" jetzt auf News. Denn die Nachrichtenredaktion (s.a.
akin 19/98 und akin-pd vom 16.6.98) wurde zur "Radiogruppe"
degradiert, weil sie nicht den Anspruechen der Pluralitaet
genuege, und darf daher nicht taeglich senden. Diese Regelung ist
im Statut des "Freien Radios" festgelegt: "Redaktionen" muessen
fuer den Sender stehen und daher den gesetzlichen Anspruechen an
Ausgewogenheit genuege tun. "Radiogruppen" hingegen senden unter
Eigenverantwortung und stellen so durch ihre Vielzahl eine
Garantie der Vielfalt in Radio Orange dar. Daher haben
Radiogruppen nicht das Recht der Redaktionen, jeden Tag zu senden.

Soweit das durchaus logische Konzept des Herausgebervereins von
Radio Orange, der seit Mitte August auf der geaenderten Frequenz
94,0 MHz in Teilen des Wiener Raums zu hoeren ist. Doch hatte man
Pluralismus bei der Leider-nein-Nachrichtenredaktion durchaus von
Anfang einbezogen. Im Konzept der Gruppe ist ueber die Nachrichten
als Wunschziel zu lesen: "Sie sind serioes - gut recherchiert,
klar und sachlich, ohne allerdings saemtliche subjektiven Impulse
zu eliminieren. Und sie sind mit Sicherheit ausgewogener als
buergerliche Nachrichten, da sie auch jene Standpunkte
miteinbeziehen, die von buergerlichen Medienschaffenden als
irrelevant ausgeblendet werden."

Doch diese Erklaerung reichte nicht. Zwar haette man -- so ein
Sprecher der Gruppe -- den Nachrichtenleuten urspruenglich
muendlich vom Vorstand des Herausgebervereins zugesichert, sie
koennten auch als "Radiogruppe" taeglich senden, aber das waere
kurz vor Sendebeginn widerrufen worden. Uebrig blieb eine
woechentliche Sendung mit dem beziehungsvollen Titel "trotz
allem", die die Gruppe nun gestalten darf -- wobei einige der
potentiellen Mitarbeitenden schon deswegen abgesprungen seien,
weil fuer sie der "Traum von einem kritischen 'freien' Radio
Orange" schon ausgetraeumt sei", so die Gruppe in einer
Abschiedsaussendung.

Beim Vereinsvorstand war eine brauchbare Definition von
"Pluralitaet" nicht zu erhalten. Vorstandsmitglied Thomas Thurner
gesteht zwar durchaus zu, dasz "Pluralitaet" wie "Objektivitaet"
nirgendwo absolut existierten, er "glaube aber nicht daran", dasz
in den Nachrichten dieser Redaktion auch unterschiedliche
Standpunkte zur Geltung gekommen waeren. Dem Anspruch einer
relativen Pluralitaet waere diese Redaktion nicht gewachsen
gewesen. Thurner: "Ein wesentlicher Punkt war auch die Offenheit
der Gruppe: Die war zwar auf den Papier da, aber die Gruppe ist
nicht gewachsen."

Statt der "nachrichten orange" soll es nun ein "Infoforum" geben,
dasz die einzelnen Radiogruppen beliefern sollen. "Diese Beitraege
sollen dann zusammengefaszt werden zu einem taeglichen Infoblock,
wo das vorkommt, was unter Umstaenden eh ueber den ganzen Tag
verteilt war." Ueber die tatsaechliche Zukunft dieser
Programmschiene moechte Thurner aber "keine Prognosen" abgeben, da
er ja nicht der Chefredakteur davon werden wolle. Man wolle aber
keine Kopie der Nachrichtenredaktionen á la ORF herstellen oder
die Redaktion von einer kleinen Gruppe machen lassen, weil das ja
doch wieder nur die alten Strukturen waeren. Die Frage, wo Radio
orange die vielen Leute herbekommen moechte, die gratis taeglich
Nachrichten auch nur redigieren, kann auch Thurner nicht
beantworten. Zumindest auf die nun kaltgestellten Nachrichtenleute
kann Radio orange diesbezueglich kaum mehr zaehlen: Die meisten
von ihnen haben erklaert, nicht mehr genug Vertrauen in den Verein
zu haben, um am Infoforum teilnehmen zu wollen.

Den Verdaechtigungen der Nachrichtengruppe, sie seien deswegen
rausgelehnt geworden, weil der Traegerverein Gespraeche ueber
Subventionen mit Firmen und der oeffentlichen Hand durch kritische
Nachrichten gefaehrdet gesehen habe, widerspricht Thurner
klarerweise heftig. Zwar habe man bislang nur Zusagen und das
Radio basiere auf privaten Mitteln des Vereinsvorstands, dennoch
seien das nur "Verschwoerungstheorien": "Es gibt ganz sachliche
Foerderungsgespraeche, aber das ist nicht gleichzusetzen mit 'Wir
haben uns verkauft'".

Doch wer entscheidet eigentlich bei diesem Sender, was denn nun zu
akzeptieren sei und was nicht? Thurner, der von manchen als graue
Eminenz von Radio orange angesehen wird, schildert den
Entscheidungsprozesz so: "Es bestimmt natuerlich unter anderem die
Herausgeberin, es gibt einen MitarbeiterInnenvorstand, und es
bestimmt vor allem der Diskussionsprozesz. Es ist eine
Fehlinterpretation, dasz man ueberall den groszen Chef vermutet."
 

*Klerikale Stoerer*

Dasz Radio orange bislang nur aeuszerst duerftig zu empfangen war,
ist aber keinem der Beteiligten anzulasten. Denn man hofft zwar,
dasz die vom Verkehrsministerium genehmigten 100 Watt
Sendeleistung naechstes Jahr erhoeht wuerden, aber bis dahin ist
auf mehr nicht zu hoffen. Der Sender befindet sich jetzt auf dem
Donauturm, wo Richtung Suedwesten Oranges in den Aether geblasen
wird. Daher ist zwar bis zur Wattgasse gerade noch ein bisserl was
zu hoeren, doch in Transdanubien herrscht Funkstille auf 94,0.
Dazu kam ein Versehen des Montagetrupps von "Radio Stephansdom":
Das christliche Programm hat seinen Sender ebenfalls am Donauturm
und bei der Installation fiel Radio Orange fuer fast 4 Stunden
aus. Die weitere Folge war eine mangelhaft justierte Antenne, die
noch einige Tage gestoerten Empfang bescherte. Jetzt haengt die
Antenne angeblich aber wieder einigermaszen richtig. Was dem
Haussegen bei Radio orange ebenfalls zu wuenschen waere.

                                                   *Bernhard Redl*
 

Kontakt:
Im Aether: Auf 94,0 MHz innerhalb des Guertels Programm fast rund
um die Uhr. "trotz allem" ist jeden Freitag von 20 bis 21 Uhr zu
hoeren.
Ansonsten:
Radio orange: 1090 Wien, Schubertgasse 10, Tel. 315 75 15, Fax.
319 09 99-4, eMail:freies.radio@blackbox.at.
trotz allem: Fax: p.A. hilfe fuer die vergessenen 214-28-43,
eMail: trotz-allem@blackbox.at



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last update:  27-09-1998  by: Horst.JENS@bigfoot.com (html-Konvertierung)